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# taz.de -- Tschad-Präsident Déby: Kriegsmanöver durch die Wüste
> Tschads Präsident Déby kämpfte sich 1990 auf demselben Weg an die Macht,
> auf dem er sie jetzt zu verlieren droht.
Bild: Tschads Präsident Idriss Déby.
BERLIN taz Idriss Déby weiß, wie man den Tschad erobert. Am 1. Dezember
1990 marschierte der damalige Rebellenführer kampflos in der Hauptstadt
Ndjamena ein, an der Spitze einer Rebellenarmee, die drei Wochen zuvor aus
dem Sudan aufgebrochen war. Der bisherige Präsident Hissein Habré,
eigentlich von französischen Truppen geschützt, hatte eine Abwehrschlacht
im Osten verloren und war dann nach Kamerun geflohen. Als Débys Rebellen
das verlassene Ndjamena einnahmen, sicherten Soldaten aus Frankreich die
Hauptstadt. Sudan und Frankreich hatten gemeinsam einen unblutigen
Machtwechsel im Tschad inszeniert.
Heute ist Déby der bedrängte Präsident und sieht sich Rebellen gegenüber,
die von Osten kommen. Aber der kriegserfahrene Déby, der sich in den
90er-Jahren nur der Form halber vom Militärputschisten in einen gewählten
zivilen Staatschef verwandelte, gibt nicht schnell auf - gerade weil er
weiß, wie man den Tschad erobert. Auf riskante Abwehrschlachten in der
Wüste hat er diesmal verzichtet. Er hat den Feind zu sich gelockt, um ihn
zu vernichten, so wie ihm das bereits zu Ostern 2006 bei einem ersten
Rebellenvorstoß nach Ndjamena gelungen war. Doch die Strategie ist
schiefgegangen. Am Schluss war Déby in seinem Präsidentenpalast
eingekesselt.
Beiden Seiten geht es einzig um die Macht im Staat; keine kann glaubhaft
beanspruchen, eine bedrängte Volksgruppe zu vertreten oder politische
Fortschritte durchsetzen zu wollen. Die Stärke der Rebellen mit bis zu
3.500 Kämpfern und 300 Militärfahrzeugen lässt vermuten, dass Sudan nicht
nur mit Sympathie hinter ihnen steht. Sudans Regierung betreibt seit Jahren
im Osten des Tschads eine Destabilisierungspolitik durch Aufrüstung von
Milizen, weil der Osttschad das Rückzugsgebiet der Rebellen im
westsudanesischen Darfur darstellt. Die Zaghawa-Ethnie, aus der sich die
mittlerweile stärkste Darfur-Rebellengruppe JEM (Bewegung für Gerechtigkeit
und Gleichheit) rekrutiert, ist auch das Volk von Tschads Präsident Déby
und stellt dessen Garde. In jüngster Zeit hat sich die JEM aufgerüstet. Und
Tschads Osten ist Kriegsgebiet ähnlich wie Darfur im Westen Sudans, mit
über 400.000 Flüchtlingen und Vertriebenen.
Misstrauen prägt auch die Beziehungen Débys zur alten Kolonialmacht
Frankreich. Tschad ist Drehpunkt sämtlicher militärischer Aktivitäten
Frankreichs in Afrika. Die 1.100 ständig im Tschad stationierten Soldaten
aus Frankreich können sich gar nicht neutral verhalten, denn ihr Eingreifen
oder Stillhalten ist kriegsentscheidend.
Bei Débys Sieg 1990 hielten die Franzosen still. Sie wollten keinen
Bürgerkrieg, denn damals war Tschad noch ein Bollwerk gegen Libyen. Heute
ist Tschad ein Bollwerk gegen Sudan, und eine Machtergreifung sudanesisch
unterstützter Rebellen wäre international inakzeptabel. Aber Déby ist kein
Freund von Paris. Ständige Unstimmigkeiten prägen die bilateralen
Beziehungen, bis hin zum Skandal um das französische Hilfswerk Larche de
Zoé Ende letzten Jahres, das im Osttschad Kinder entführte, um sie als
Darfur-Waisen französischen Pflegefamilien anzubieten, wie mittlerweile die
französische Justiz bestätigt. Das sorgte für massive antifranzösische
Unruhen in Ndjamena, die Déby tolerierte. Auch der von Frankreich
inspirierten EU-Truppe Eufor stimmte Déby letztes Jahr nur widerwillig zu.
Die Rebellen sind heute stark wie nie. Historisch zersplittert, bildeten
die drei wichtigsten von ihnen im Dezember 2007 ein Bündnis: Union der
Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD) von Mahamat Nouri,
Grundsätzliche Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD-F) von
Abdelwahid Makaye sowie Sammlung der Kräfte für den Wandel (RFC) von Timan
Erdimi. Sie alle hatten am 25. Oktober unter libyscher Vermittlung Frieden
mit Tschads Regierung geschlossen, aber Ende November war der Krieg wieder
ausgebrochen.
Alle drei Rebellenführer kennen den Präsidenten genau. Timan Erdimi gehörte
mit seinem Zwillingsbruder Tom jahrelang zum innersten Zaghawa-Machtzirkel,
bevor sich die Erdimis und Déby zerstritten. Abdelwahid Makaye hat die
Kämpfer des einstigen Rebellenchefs Mahamat Nour übernommen, der 2006 den
ersten erfolglosen Guerillavorstoß nach Ndjamena geführt hatte und danach
kurz Débys Verteidigungsminister wurde. Mahamat Nouri, nicht zu verwechseln
mit Mahamat Nour, ist ein alter Freund des 1990 von Déby gestürzten Hissein
Habré und war 2001 bis 2003 Verteidigungsminister unter Déby. Aus seiner
Gruppe kommt auch der Militärkommandant des neuen Bündnisses: Oberst
Fizani, ein Veteran von Habrés Armee.
Das Geeinte Militärkommando (CMU) der Rebellen entstand am 22. Dezember.
Fünf Tage später warnte Tschads Regierung, Sudan bereite eine "neue
Aggression großen Ausmaßes" vor. Einen Monat später erst setzten sich die
Rebellen in Marsch. Umso schneller haben sie nun zumindest ihr
geografisches Ziel erreicht. DOMINIC JOHNSON
4 Feb 2008
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Folter
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kämpft um die Kontrolle, die stationierten französischen Soldaten
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ein demokratisches Staatswesen.
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