# taz.de -- Konsum: Das Prinzip Milchkanne | |
> Ein Kreuzberger Supermarkt will künftig auf Verpackungen komplett | |
> verzichten. Beim Crowdfunding kam für die Idee fünfmal mehr Geld zusammen | |
> als geplant. | |
Bild: Nacktes Gemüse. | |
Marmeladenglas statt Kunststoffpackung, Tupperdose statt Plastikbeutel. | |
Wenn es nach Sara Wolf und Milena Glimbovski geht, dann ist die Ära der | |
Einwegverpackungen bald vorbei. Die Gründerinnen von Original Unverpackt | |
träumen von einer Trendwende in Sachen Einkaufen. Noch diesen Sommer wollen | |
sie den ersten Supermarkt Berlins eröffnen, in dem man „sorgfältig | |
ausgesuchte Lebensmittel“ unter völligem Verzicht auf Wegwerfverpackungen | |
kaufen kann, sagen Wolf und Glimbovski. Genügend Startkapital dürfte nun | |
vorhanden sein. | |
Für den ersten Markt haben sie gerade fünfmal soviel Geld wie nötig | |
aufgetrieben. Ihre Crowdfunding-Kampagne endete in der Nacht zum Dienstag | |
mit einem Erfolg: Etwa 4.000 UnterstützerInnen sind dem Aufruf von Wolf und | |
Glimbovski auf der Online-Spendenplattform Startnext gefolgt und haben | |
knapp 110.000 Euro gespendet. | |
## Zero-waste-Konzept | |
„All unsere Erwartungen wurden übertroffen“, sagen die beiden Frauen. | |
20.000 Euro hatten sie als Minimum veranschlagt, 45.000 Euro wollten sie | |
erreichen. Der Mietvertrag für eine Immobilie nahe dem Görlitzer Bahnhof | |
ist nun bereits unterschrieben. Weitere Filialen, auch über die Grenzen | |
Berlins hinaus, sollen folgen. | |
Die Idee, auf Mehrwegbehälter zu setzen, ist zwar nicht neu – und vor | |
einigen Jahrzehnten war es noch völlig normal, mit der Milchkanne einkaufen | |
zu gehen. Zudem bieten einige Läden, etwa der vegane Kiezladen Dr. Pogo am | |
Karl-Marx-Platz oder die Biosphäre in der Neuköllner Weserstraße, bereits | |
einen kleinen Teil ihres Sortiments im offenen Verkauf an, vornehmlich | |
Trockenware. | |
Doch Wolfs und Glimbovskis Ansatz geht noch einen Schritt weiter: zero | |
waste, null Verpackungsmüll – bei allen Lebensmitteln. „Trockenware im | |
offenen Verkauf ist hygienisch unbedenklich“, sagt Emilie Florenkowsky, | |
Geschäftsführerin der Beraterfirma Unverpackt Einkaufen. „Doch auch bei | |
Fleisch oder Milchprodukten ist ein Einhalten der strengen Standards | |
möglich.“ Florenowsky betreibt Lobbyarbeit, um Großhändler dazu zu bewegen, | |
ihre Produkte unverpackt in den Einzelhandel zu bringen. | |
Bei Original Unverpackt sollen Kunden die Mehrwegbehälter für den Einkauf | |
selbst mitbringen oder im Supermarkt kaufen können. Auch ein Leih- und | |
Pfandsystem ist geplant. Außerdem haben Wolf und Glimbovski die Vorteile | |
von Nylonsäckchen entdeckt. „Die sind hygienisch, waschbar und praktisch.“ | |
Das einzige Wegwerfprodukt sollen Tüten aus recyceltem Papier sein, auf die | |
Kunden zurückgreifen können, die unvorbereitet zum ersten Mal bei Original | |
und Unverpackt vorbeischauen. | |
Auf Hochtouren arbeiten die beiden jungen Frauen derzeit mit ihrem | |
fünfköpfigen Team an der Eröffnung. Es ist ihre erste Unternehmensgründung: | |
Glimbovski hat zuvor Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UDK | |
Berlin studiert, Wolf kommt aus dem NGO-Bereich. | |
## „Mal sehen, was passiert“ | |
Der Ärger über die vielen unnötigen Verpackungen, die man vom Einkaufen mit | |
nach Hause bringt, gab den beiden den Anstoß zu dieser Geschäftsidee. „Wir | |
haben uns geärgert, dass sogar Biogemüse in Plastik gewickelt ist“, | |
erinnert sich Wolf. | |
„Wir haben mit unserer Geschäftsidee dann an einem Wettbewerb teilgenommen, | |
nur um zu sehen was passiert“, erklärt Glimbovski. Aus dem hiesigen | |
Businessplan-Wettbewerb gingen die beiden dann als Sieger in der Kategorie | |
Nachhaltigkeit hervor. Danach haben sie das fertige Geschäftsmodell einfach | |
weiter verfolgt. | |
Der Verzicht auf Einwegverpackungen ist das eine Ziel, die Verschwendung | |
von Lebensmitteln in Grenzen zu halten, das andere. „Gerade in Berlin gibt | |
es sehr viele Singlehaushalte, die gezwungen werden, in den von Produzenten | |
vorgegebenen Mengen zu kaufen– und dann einen Teil davon wegwerfen“, sagt | |
Glimbovski. | |
Mit dem losen Obst und dem Abzapfsystem bei Original Unverpackt können sich | |
die Kunden nehmen, was sie benötigen – und müssen dementsprechend auch nur | |
diese Menge bezahlen. Ein Sparmodell also, bei dem es am Ende viele | |
Gewinner gibt. | |
17 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
Markus Mayr | |
## TAGS | |
Müll | |
Verpackungsmüll | |
Schlaf | |
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