# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Synthese von Emotion und Expertise | |
> Technokraten, wohin man im Profi-Fußball auch blickt: Warum der FC Bayern | |
> München Uli Hoeneß unbedingt braucht. | |
Bild: Früher: Einer kam, einer ging. Heute: Einer kommt, einer geht. Uli Hoene… | |
Technokraten genießen nicht eben den besten Ruf. Entern sie aufgrund einer | |
Staatskrise Regierungsposten, dann trifft das eingefleischte Demokraten | |
schon mal ins Mark. George Orwell sah in Technokraten sogar Wegbereiter des | |
Faschismus. | |
Wirken diese höchst effektiven grauen Mäuse jedoch in einem | |
Wirtschaftsunternehmen, hat niemand etwas gegen ihre Expertise, ihr | |
wundersames Werkeln zum Wohle des Konzerns. In der Wirtschaft genießen | |
Technokraten durchaus hohes Ansehen. | |
Aber trifft das auch auf Sportunternehmen zu, auf den FC Bayern München | |
etwa, der, wie jetzt gerade die Wirtschaftsprüfer von Deloitte festgestellt | |
haben, den fünftgrößten Umsatz aller Topklubs in Europa vorzuweisen hat? | |
Wie viel Technokratie verträgt also ein Großverein? Es ist wohl eine Frage | |
der Dosis: Technokratenmäßig sollte sich der FC Bayern irgendwo zwischen | |
BMW und dem Ortsverein einer beliebigen Partei bewegen. Bei den Bayern | |
führt der gänzlich uncharismatische Karl Hopfner den Aufsichtsrat und ist | |
zudem Präsident. Karl-Heinz-Rummenigge ist auch eher der Riege der | |
Technokraten zuzurechnen. | |
Okay, sie haben den Super-super-Pep, aber bei einem Klub kann die | |
Identifikationsplattform nicht groß genug sein. All die Zuschreibungen, | |
Träume, Begehrlichkeiten, Wünsche und Hoffnungen der Fans sollten da | |
zwischengelagert und schließlich verwertet werden. Je mehr an immaterieller | |
Ware angeliefert wird, desto besser für den Klub. | |
Deswegen braucht es auch in der Verwaltungsebene eines Fußballklubs | |
charismatische Figuren. Warum nicht sogar Leute von geradezu | |
Dostojewski’schen Format auf der Führungsebene haben? Warum nicht einen Uli | |
Hoeneß wieder auf den Posten des FCB-Präsidenten hieven? | |
## Wahnsinnig gute Sozialprognose | |
Hoeneß kommt Ende Februar frei. Er, der nach einem Steuerdelikt zu | |
dreieinhalb Jahren verurteilt wurde, verlässt das Gefängnis nach der Hälfte | |
der Zeit. | |
Das ist ein Privileg, das nur selten gewährt wird, aber warum soll Hoeneß, | |
der zweifelsfrei prominent ist, nicht von diesem Rechtsgut profitieren, hat | |
er sich doch anscheinend mustergültig geführt in den Anstalten, seine | |
Schuld (immerhin 43 Millionen Euro) restlos beglichen und eine wahnsinnig | |
gute Sozialprognose vorzuweisen? Er will den Weg des geläuterten Sünders | |
gehen – und das tut er mit Siebenmeilenstiefeln. Er lädt Flüchtlinge zum | |
Essen ein, spendet via Radio 10.000 Euro an Bedürftige. | |
Es ist das Comeback des guten Charity-Onkels mit dem rot-weißen Schal – | |
eine Hollywood-Geschichte von Schuld und Sühne, von Abbitte und Ablass. Wer | |
will, kann sich davon tief berühren lassen. | |
Hoeneß, das ist klar, erscheint als Antipode zum Technokraten. So einen wie | |
Hoeneß kann der FC Bayern gebrauchen, denn der deutsche Branchenführer in | |
Sachen Fußball braucht begnadete Dribbler, er braucht einen Trainer, über | |
den sich die Sportjournalisten den Kopf heißreden – er braucht aber auch | |
ein, zwei Leute in der Vereinsführung, die nicht aus dem Setzkasten des | |
Muster-BWLers stammen. Das nennt man dann cleveres Vereinsmarketing. Warum | |
man das zum Beispiel bei Red Bull Leipzig, dem deutschen Technokratenverein | |
schlechthin, noch nicht begriffen hat, ist ein großes Rätsel. | |
22 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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