# taz.de -- Kamerunische Botschaft besetzt: An die Gewalt erinnern | |
> Exilgegner von Kameruns Langzeitherrscher Paul Biya erinnern an die | |
> Gewalteskalation in ihrem Land. Dort wird derweil scharf geschossen. | |
Bild: Das Foto von Präsident Biya in Kameruns Botschaft nach der Besetzung | |
BERLIN taz | Mit Botschaftsbesetzungen und Gewalt gegen Demonstrationen | |
haben sich die inneren Konflikte Kameruns am Wochenende international | |
bemerkbar gemacht. In Berlin und Paris beendete die Polizei in der Nacht | |
zum Sonntag Besetzungen der Botschaftsgebäude Kameruns durch militante | |
Oppositionelle, parallel zu brutal niedergeschlagenen Protesten im Land. | |
Auf Videos aus dem Botschaftsgebäude im Berliner Westend ist zu sehen, wie | |
rund zehn junge Kameruner in den Räumen herumlaufen, es sich am | |
Schreibtisch des Botschafters gemütlich machen und ein Bild des | |
Oppositionsführers Maurice Kamto anstelle von Präsident Paul Biya | |
aufhängen. | |
Die Berliner Polizei erklärte zwar, zu den Hintergründen könne sie „noch | |
nichts sagen“ und „das müssen wir uns noch genauer ansehen“, doch die | |
Hintergründe erscheinen klar. | |
Es geht um Kameruns politische Krise nach den Präsidentschaftswahlen vom | |
Oktober 2018, bei denen die Opposition den Sieg des Amtsinhabers Biya nicht | |
anerkennt, und der Bürgerkrieg im anglophonen Landesteil an der Grenze zu | |
Nigeria, wo Separatisten für eine unabhängige „Republik Amazonien“ kämpf… | |
## Wahlergebnis bleibt umstritten | |
Bei den Wahlen am 7. Oktober hatte Präsident Biya, der Kamerun seit 1982 | |
regiert, offiziell mit 71 Prozent gewonnen; der wichtigste | |
Oppositionskandidat Maurice Kamto von der „Bewegung für die Renaissance | |
Kameruns“ (MRC) kam demnach auf 14 Prozent. Kamto erklärte sich | |
demgegenüber selbst zum Sieger. | |
Seine Anhänger, insbesondere in Kameruns größter Stadt Douala, sehen ihn | |
als legitimen Staatschef an. Proteste der MRC werden seitdem regelmäßig mit | |
Massenverhaftungen im Keim erstickt. | |
Am Samstag wurden bei MRC-Aufmärschen in mehreren Städten 117 Menschen | |
festgenommen, darunter Kamtos ehemaliger Wahlkampfleiter Paul-Eric Kingue. | |
Kamtos Anwältin Michèle Ndoki erlitt einen Beinschuss. | |
Während die Behörden erklärten, die Sicherheitskräfte hätten in Douala | |
keinen Gebrauch von der Schusswaffe gemacht, zirkulierten mehrere Videos, | |
die das Gegenteil belegen sollen. | |
Auf einem von hinter einem Metallgitter aufgenommenen Handyfilm ist zu | |
sehen, wie ein Uniformierter einen vor ihm laufenden unbewaffneten jungen | |
Mann barsch auffordert, weiterzugehen, ihn von hinten in den Unterschenkel | |
schießt, so dass er hinfällt, und ihm dann befiehlt, aufzustehen und | |
weiterzulaufen, was er nur noch auf einem Bein kann. | |
Das Video sei in Douala am Samstag nachmittag entstanden, berichtete ein | |
Oppositionsanhänger der taz. | |
## Gewalt in „Ambazonien“ dauert an | |
Der Samstag war nicht zufällig ausgewählt: es ist der erste Jahrestag der | |
Inhaftierung der wichtigsten anglophonen Separatistenführer, nachdem diese | |
von ihrem Zufluchtsland Nigeria ausgeliefert worden waren. 47 Häftlinge, | |
darunter der „Präsident“ der „Republik Ambazonien“, Julius Ayuk Tabe, | |
sitzen seitdem in Kameruns Hauptstadt Yaoundé in Haft. | |
Gegen Ayuk Tabe und neun weitere begann im Dezember ein Terrorprozess, der | |
mittlerweile auf Februar vertagt wurde. Die Angeklagten erkennen das | |
Gericht nicht an, da sie keine Kameruner seien, und verlangen Verfahren in | |
Nigeria, wo parallel gegen ihre Auslieferung geklagt wird. Rechtsanwälte | |
gehören zum Kern der sich meist aus intellektuellen Kreisen rekrutierenden | |
Amabazonien-Führer. | |
Die Gewalt in den anglophonen Provinzen, wo die Armee weitgehend freie Hand | |
im Kampf gegen Rebellen hat, erzeugt derweil wachsende internationale | |
Sorge. „Kamerun darf keine vergessene Krise mehr sein“, sagte am Donnerstag | |
die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Kamerun, Allega Baiocchi, bei | |
der Präsentation ihres Jahresplans. | |
Die UN rechnet damit, dass dieses Jahr 4,3 Millionen Menschen in Kamerun – | |
ein Sechstel der Bevölkerung und 31 Prozent mehr als im Vorjahr – | |
humanitäre Hilfe benötigen werden. Der Konflikt in den anglophonen | |
Provinzen sei der Hauptgrund. | |
27 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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