# taz.de -- Jubiläum: Als es noch kein Fernsehen gab | |
> Vor 125 Jahren wurde die Urania gegründet, um ein nichtstudiertes | |
> Publikum für Wissenschaft zu begeistern. | |
Bild: Nach der Urania ist sogar eine Straße benannt: An der Urania | |
Der Saal mit dem Namen des Physik-Genies Albert Einstein ist der kleinste | |
in der Urania. Knapp 30 Besucher sind an diesem Abend bei Eis und | |
klirrender Kälte zu Daniela Kolbe gekommen. Die junge SPD-Politikerin aus | |
Leipzig leitet im Deutschen Bundestag seit zwei Jahren die | |
Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“. Kolbe beklagt, | |
dass die Volksvertreter kaum etwas vom Leben in der Hauptstadt mitbekommen, | |
und erzählt von der Arbeit ihrer Kommission, die politische Beobachter | |
schon als gescheitert ansehen. „Aufregend, aber auch frustrierend“, sagt | |
Kolbe. | |
Der Vortrag ist kein Entertainment, sondern bildungs- und staatspolitisches | |
Kommissbrot, harte Kost. Doch die Zuhörer bleiben, und am Schluss finden | |
die Fragen an die Politikerin kein Ende. Die 30 Besucher verkörpern auf | |
ihre Weise den Kern der Urania: Bildungsbürger, die für die Diskussion über | |
das dickste Politik-Brett, das derzeit im Bundestag gebohrt wird, sogar | |
fünf Euro Eintritt bezahlen. | |
Am Abend zuvor hatte Kolbes Parlamentschef, Bundestagspräsident Norbert | |
Lammert (CDU), den Bildungstempel unweit des Wittenbergplatzes beehrt. Der | |
Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Urania wurde gefeiert, das Haus | |
platzte aus allen Nähten. „Die Urania gehört zum Berliner Urgestein“, sag… | |
der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). „Sie ist ein Leuchtturm | |
der Bildung in dieser Stadt.“ Der Running Gag des Abends war der Hinweis | |
auf die nur elfmonatige Bauzeit, in der das erste Urania-Gebäude 1889 in | |
der Invalidenstraße errichtet wurde. So schnell konnte einmal in Berlin | |
gebaut werden, bemerkte die Vorsitzende des Urania-Vereins, die Ärztin | |
Jutta Semler, süffisant. | |
Ihr Jubeljahr zelebriert die Urania mit Selbstbewusstsein, das auch einen | |
kritischen Rückblick auf die eigene Geschichte erlaubt. 1888 war die | |
Bildungsvereinigung mit dem Namen der griechischen Göttin der Sternkunde | |
von dem Journalisten Max Wilhelm Meyer, dem Astronomen Wilhelm Foerster und | |
dem Industriellen Werner von Siemens gegründet worden. Ihre Mission: die | |
Fortschritte und Faszination der Wissenschaft in anschaulicher Weise auch | |
einem nichtstudierten Publikum nahezubringen, inszeniert als | |
„wissenschaftliches Theater“. | |
Farbenprächtige Inszenierungen von „Bildern aus der Sternenwelt“, dem | |
„Leben in der Urzeit“ oder „Von der Erde bis zum Mond“ zogen die Zuscha… | |
des Vor-Fernseh-Zeitalters in den Bann. Mehr als 200.000 Besucher jährlich | |
strömten in die Aufführungen und Vorträge. In diesem Sinne sieht sich die | |
Urania noch immer als erste Bürgerinitiative für die Wissenschaft und | |
„Urmutter aller Science Centers“. | |
Auch in finanzieller Hinsicht war die Urania innovativ. So wurden die | |
Mittel für den Bau des Veranstaltungsgebäudes und einer Sternwarte 1888 | |
durch die Gründung einer Aktiengesellschaft beschafft. Vor allem Siemens | |
warb bei Bankiers, Industriellen und anderen Mäzenen erfolgreich um | |
Aktienzeichnung, sodass mit einem Kapital von 205.000 Reichsmark gestartet | |
werden konnte. „Die Verbindung von wissenschaftlichem Theater und Kapital | |
war einfach genial“, sagt der Historiker Wolfgang Wippermann, der auch die | |
Ausstellung zum Jubiläumsjahr recherchiert hat. „Die Urania war damit ein | |
Produkt der Zivilgesellschaft: Nicht der Staat, sondern mündige | |
Staatsbürger engagieren sich für die Wissenschaft“, betont der | |
FU-Professor. | |
Bis heute ist der Verein, der 1.800 Mitglieder zählt, wirtschaftlich | |
unabhängig und kommt ohne öffentliche Grundfinanzierung aus. Zuweilen | |
beglückt die Stiftung Klassenlotterie das Haus, wie jetzt mit 270.000 Euro | |
für das Festjahr. Mit 19 angestellten Mitarbeitern organisiert die Urania | |
rund 1.000 Veranstaltungen im Jahr, die noch immer rund 200.000 Besucher | |
anziehen: 70.000 von ihnen über das Urania-Bildungsprogramm, die meisten | |
über Gastveranstaltungen, deren Palette vom Rosa-Luxemburg-Kongress über | |
Country-Music-Festivals bis hin zu Science Slams und Gesundheitstagen | |
reicht. | |
„Unser Kerngeschäft ist Wissenschaftsvermittlung“, sagt Urania-Direktor | |
Ulrich Bleyer. „Aber hier sehen wir uns wachsender Konkurrenz ausgesetzt.“ | |
Viele Wissenschaftseinrichtungen suchen verstärkt den Kontakt mit der | |
breiten Öffentlichkeit, veranstalten „Lange Nächte“ und eröffnen | |
Schülerlabore. Vor allem die Wissenschaftsakademien schöpfen mit | |
öffentlichen, kostenlosen Vorträgen in derselben Klientel, die die Urania | |
bedient. Mit dem „Haus der Zukunft“ im Neubau des | |
Bundesforschungsministeriums am Hauptbahnhof kommt in diesem Jahr ein | |
weiterer Konkurrent hinzu. „Wir haben nichts gegen Wettbewerb einzuwenden“, | |
bemerkt Bleyer. Doch wer öffentlich alimentiert werde, der habe | |
Startvorteile. | |
So muss die Urania im Jahr der Rückschau verstärkt nach vorne denken. „Es | |
gibt bei der Wissensvermittlung wenig Arbeitsteilung in Berlin“, hat Bleyer | |
festgestellt. Die geminderte Kooperationsbereitschaft ist auch der Grund | |
dafür, dass es in der Hauptstadt kein Science Center modernen Zuschnitts | |
gibt. „Wir haben in Berlin derzeit nur Teile davon“, sagt der | |
Urania-Geschäftsführer. Immerhin hat die Urania mit einem neuen Kuratorium | |
die Wissenschaft stärker eingebunden. | |
Für sein Haus will Bleyer das Dialogformat verstärken: „Wir brauchen mehr | |
Streitkultur.“ Es sei einfach so, dass die Leute stärker mitreden wollten. | |
Dem wolle die Urania künftig vermehrt Rechnung tragen. | |
Das Veranstaltungsprogramm zum Urania-Jubiläum: | |
[1][www.urania.de/jubilaeum/] | |
25 Mar 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.urania.de/jubilaeum/ | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
## TAGS | |
Urania Berlin | |
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