# taz.de -- Immer unter Null: Die größte Eishöhle der Welt | |
> Grandioses Meisterwerk der Natur: Im Salzburger Land klafft in 1.570 | |
> Metern Höhe ein großes dunkles Loch im Felsen. Drinnen hat sich die kühle | |
> Ruhe von Jahrmillionen angesammelt. | |
Bild: Zapfenvorhang | |
In den karstigen Felsformationen des Tennengebirges schuf die Natur im | |
Salzburger Land bei Werfen die größte Eishöhle der Welt. Mit der steilsten | |
Seilbahn Österreichs gelangt man zu jenem Punkt auf 1.570 Metern Höhe, wo | |
einem kein Fahrzeug mehr weiterhelfen kann. | |
Von hier aus bietet sich der erste Blick auf jenes große dunkle Loch, | |
hinter dem glitzernde Riesen mit gefrorenem Atem in ihrem Reich meditieren. | |
Aber der Weg dorthin dauert noch siebzig Höhenmeter, fünfzehn Minuten und | |
etliche Felsgirlanden mit schwindelnden Ausblicken auf den sich tausend | |
Meter tiefer windenden Lauf der Salzach. | |
Lang ist das nicht, aber schweißtreibend. Und das erhöht die Vorfreude auf | |
die eisige Erfrischung, die im Bauch des Felsens lauert. | |
So denken wohl an diesem knallheißen Sommertag ziemlich viele Menschen. | |
Nicht endende Schlangen Eissüchtiger schieben sich bergauf. Und dann | |
beginnt das große Warten. Nur mit Führer nämlich dürfen die ehrwürdigen | |
Hallen betreten werden. | |
Zu sommerlichen Spitzenzeiten werden 2.000 Gäste am Tag von 14 Mitarbeitern | |
durch dieses Meisterwerk der Natur geschleust. Studenten zumeist, so wie | |
Stefan. | |
Der hat seine letzten Schäfchen gerade entlassen und wird bereits von einer | |
neuen Horde bestürmt. Im Geiste checkt er die Personenzahl. Mehr als 40 | |
darf er nicht auf einmal mit hineinnehmen. Und keine Risikopersonen, wozu | |
Menschen mit Herzerkrankungen oder auch besonders Starkgewichtige zählen. | |
Denn 700 Stufen werden zu erklimmen sein. | |
Karbidlampen werden verteilt, Fotografieren ist untersagt, und schließlich | |
wird der Plastikvorhang am Eingang beiseitegedrückt. Eine eisiger Wind fegt | |
die soeben übergeworfenen Kapuzen von den Ohren, lässt den Atem stocken. | |
Doch Stefan sagt, das dauert nur ein paar Sekunden. Denn kalte Luft aus den | |
hohen Räumen im Inneren entströmt hier durch einen engen Durchgang. Drinnen | |
hat sich die Ruhe von Jahrmillionen angesammelt. | |
Nachdem sich die Augen an das schummrige Licht gewöhnt haben, erblicken wir | |
um uns herum einen gewaltigen Saal - 30 Meter hoch und ebenso breit. Mit | |
Eismassen an den Wänden und einem üppigen Eisteppich, der sich weithin über | |
dem Fels hangwärts ausbreitet. | |
"Posselt-Halle" hat man ihn nach dem Mann benannt, der im Jahre 1879 | |
erstmals in die Höhle vordrang. Temperatur: minus ein Grad - die konstante | |
Sommertemperatur in der Höhle. Fröstelnde Erfrischung nach 30 Grad | |
Außentemperatur. | |
Im Winter gleicht sie sich der Außentemperatur an. Dadurch wird der Fels | |
unterkühlt. Das langt für den Sommer mit, um die Eismassen und -skulpturen | |
zu konservieren. Und die schlimmen Folgen der Erderwärmung? | |
"Bisher jedenfalls wirkt sich der Klimawandel nicht auf die Gegebenheiten | |
in der Höhle aus", sagt Friedrich Oedl, der Geschäftsführer der | |
Eisriesenwelt. | |
Von Kindesbeinen an ist Oedl mit der Höhle vertraut. Sein Großvater, der | |
Ingenieur Dr. Robert Oedl, war beteiligt an der Erstellung des ersten | |
fundierten Höhlenplanes. Das Schutzhaus bei der Bergstation der Seilbahn | |
ist nach ihm benannt. Von 40 Kilometer Gesamtraum der Höhle ist für die | |
Öffentlichkeit nur der erste Kilometer freigegeben. | |
Im Gänsemarsch geht es Stufe um Stufe aufwärts. Vor dem großen Eiswall | |
stoppt Stefan und erzählte die Geschichte des Höhlenforschers Alexander von | |
Mörk und seinen Begleitern, die dieses zwanzig Meter hohe senkrechte | |
gläserne Eisgebilde im Jahre 1913 erstmals überwanden. | |
Mit primitiver Ausrüstung schlugen sie dort, wo sich heute die Riesentreppe | |
entlang schlängelt, 140 Stufen senkrecht in das Eis. Mörk war es auch, der | |
als Erster den sogenannten Sturmsee im Inneren der Höhle durchquerte - ein | |
tiefer, von heftigem Luftzug bewegter See, an dessen Stelle sich heute ein | |
enger und niedriger Durchgang befindet. | |
Immer wieder wechseln sich feierliche Eishallen mit tunnelartigen | |
Durchgängen ab. Der Verkehr in der Höhle ist gut geregelt: Besuchergruppen | |
kreuzen einander an parallel angelegten Stegen. So kommt es nicht zum Stau. | |
Während wir ziemlich damit beschäftigt sind, dem Vordermann nicht in die | |
Hacken zu treten, wird plötzlich linker Hand eine bühnenartige Plattform in | |
bläulich schimmerndes Licht getaucht. Die sogenannte Hymir-Burg. Stefan hat | |
den vom Boden bis zur Decke 15 Meter hoch gewachsenen Eisberg mit | |
Magnesiumlicht geradezu theatralisch illuminiert. Er selbst erscheint nun | |
hoch oben in einem Riesenfenster. Wie eine winzige Spielfigur im Schauspiel | |
der Natur. | |
Formationen wie diese werden durch Sickerwasser aus einer Bergspalte | |
gespeist. An Kreuzungspunkten tektonischer Platten kam es so auch zu | |
Ausweitungen von Räumen. Für den Laien gut verständlich wird in der vor Ort | |
erhältlichen Broschüre "Eisriesenwelt" der Entstehungsvorgang dieser Höhle | |
in den nördlichen Kalkalpen beschrieben: "Diese Kalkgebirge waren einst | |
riesige Korallenstöcke, die den Boden der Urmeere bedeckten. | |
Vor Millionen von Jahren wurden sie emporgehoben und formierten sich zu | |
sogenannten Kuppenlandschaften. Später wölbten sich diese frühen Gebirge | |
weiter auf, es entstanden Risse oder vertikale Spalten, in denen das Wasser | |
versickerte. Kurzum : Gesteinsverschiebungen und Auswaschungen im | |
Berginneren sind der geologische Motor, der Höhlen wie die Eisriesenwelt | |
entstehen lässt." | |
Vor 60 bis 80 Millionen Jahren, als das Bett der Salzach noch gut 1.000 | |
Meter höher lag, müssen gewaltige Wassermassen eingeströmt sein, die mit | |
enormen Druck jene Gänge ausgewaschen und all die skurrile Räume geschaffen | |
haben, die seit ihrer Begehbarkeit rund sechs Millionen Besucher bestaunt | |
haben. | |
Das Zusammenspiel der aus unterschiedlichen Höhen einströmenden Winde mit | |
Temperatur und Luftdruck bewirkt eine Dynamik, die dem einsickernden Wasser | |
seine hervorragende Voraussetzung bietet, um zum bleibenden Eis zu | |
gefrieren. Den eisigen Szenarien gab man Namen wie: "Friggas Schleier", | |
"Asenheim" - die Burg der Götter oder "Odin-Saal". Bezeichnungen aus der | |
germanischen Sagenwelt waren zwischen den Weltkriegen "in", sagt Oedl. Und | |
die Eisriesenhöhle liefert dafür wahrlich gute Vorlagen. | |
Die Urne mit der Asche des im ersten Weltkrieg gefallenen Höhlenforschers | |
Mörk hat man seinem Wunsch gemäß in einer Nische des größten der begehbaren | |
Eissäle dieser Höhle beigesetzt. | |
Nach einer Art Drehbuch kommentieren und inszenieren die Führer ihren | |
Rundgang. Stefan führte uns zum Schluss noch eine Rutschpartie auf dem | |
großen spiegelblanken Eissee im "Eispalast" vor. Es heißt, dass diesen in | |
den Dreißigerjahren ein Eislaufpaar als Trainingslager nutzte. Begleitet | |
von Musik aus einem mitgebrachten Kurbel-Grammofon. Hier ist der Wendepunkt | |
einer jeden Führung - ehe schließlich 700 Stufen wieder hinab aus dem Reich | |
des Eishöhlenlabyrinths geleiten. | |
30 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Kornelia Stinn | |
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