# taz.de -- Halbfinale in der Champions League: Trauer nach dem Pfiff | |
> Der FC Bayern München wirkt nach dem Aus gegen Real Madrid ratlos. Der | |
> Klubboss schwört das Team schon jetzt auf die kommende Saison ein. | |
Bild: Unfassbar! Thomas Tuchel kann nicht glauben, was er da im Stadion von Mad… | |
MADRID taz | Gut zwei Stunden nach Mitternacht war auch die letzte Aufgabe | |
in Madrid erledigt. Für die Mannschaft, für den Trainer des FC Bayern. Die | |
hatte nichts mit körperlicher Anstrengung zu tun, sondern war eine | |
gesellschaftliche Verpflichtung. Weil es ja nicht irgendeine Reise war, | |
weil es die hätte werden sollen, [1][die die Münchner ins Finale der | |
Champions League hätte bringen sollen], fand die traditionelle | |
mitternächtliche Einladung eben nicht wie sonst üblich im Mannschaftshotel | |
statt, auch nicht einem anderen schnöden Bankettsaal. Sondern in einem | |
ehemaligen Kino, in dem nun ein angesagter Gourmettempel untergebracht | |
ist. | |
Aber nach gutem Essen, lockeren Gesprächen und Selfies mit Sponsoren war | |
den Spielern und Trainer Thomas Tuchel nicht zumute nach diesem | |
Halbfinalrückspiel gegen Real Madrid, in dem der Traum von der Neuauflage | |
eines deutschen Finales in London in einer dramatischen Schlussphase | |
zerstört wurde. Da halfen auch die gut gemeinten Worte des | |
Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen nicht viel. Er erinnert [2][an | |
das sogenannte „Finale dahoam“] von 2012 und an einen Mannschafts-Chat von | |
Thomas Müller einen Tag danach. Der habe geschrieben: „Kopf hoch, Jungs. | |
Was gestern passiert ist, tut extrem weh, aber nächstes Jahr schlagen wir | |
zurück“, sagte Dreesen und gab die Richtung vor: das Endspiel im nächsten | |
Jahr, das wie 2012 in München stattfindet. „Das ist jetzt unser großes | |
Ziel.“ | |
Es gab noch einiges zu verarbeiten, und vielleicht hat damit der eine oder | |
andere tatsächlich bei Nudel-Paella, Steakscheiben und Blumenkohlcreme | |
begonnen. Wahrscheinlicher aber ist, dass dieses 1:2 im Bernabéu-Stadion am | |
Mittwoch doch noch ein paar Tage länger nachwirkt. Und vor allem am 1. Juni | |
noch einmal hochkommt, wenn im Londoner Wembley-Stadion Borussia Dortmund | |
gegen Real um den Henkelpott kämpft. Auch bei Thomas Tuchel, der dann aber | |
schon nicht mehr Trainer der Münchner ist. | |
In knapp zwei Wochen, nach den letzten Bundesligaspielen am Sonntag daheim | |
gegen Wolfsburg und dann in Hoffenheim, ist für ihn das Kapitel FC Bayern | |
beendet – und es bleibt von ihm immerhin, dass die Bayern mit ihm die erste | |
Halbfinalteilnahme in der Königklasse seit 2020 geschafft haben. Aber so | |
leidenschaftlich die Mannschaft international unterwegs war, [3][so wenig | |
motivieren konnte er sie bisweilen in der Bundesliga]. Auch das Ziel, den | |
zweiten Platz noch zu verteidigen, dürfte vor allem vor dem Hintergrund der | |
Madrid-Niederlage schwierig sein, den Spielern zu vermitteln. | |
## Die ganze Saison in einem Spiel | |
Diese Partie in der hitzigen Atmosphäre des modernisierten Fußballtempels | |
der Madrilenen passt zu der Saison der Münchner, in der einiges | |
schiefgelaufen ist, in der es aber bis fast zum Ende doch noch nach einem | |
Happy End aussah. Real Madrid hatte das Spiel bestimmt, aber gute Chancen | |
nicht verwerten können, scheiterte entweder an Manuel Neuer, am Pfosten | |
oder an der eigenen Ungenauigkeit. Die Bayern hatten erst ein paarmal | |
Glück, dann das Können, die Effektivität, aus den wenigen Gelegenheiten ein | |
Tor zu erzielen. | |
Aber mit dem Treffer von Alphonso Davies in der 68. Minute begann das Drama | |
von Bernabéu erst. Harry Kane musste angeschlagen runter, Jamal Musiala und | |
Leroy Sané ebenfalls. Davor hatte es schon Serge Gnabry erwischt. Die | |
Wechsel, klagte Tuchel, seien keine Entscheidung gewesen, um aktiv etwas zu | |
ändern. „Wir können nie das Spiel verändern, wie wir es wollen, sind nur | |
die ganze Zeit am Reagieren.“ | |
Auch diese Verletzungsprobleme, die so manche Taktik und gute Trainer-Idee | |
über den Haufen werfen, ziehen sich durch diese Saison, zumindest durch die | |
Rückrunde. Dann unterläuft Neuer ein Fehler. „Tragisch für Manu, der zuvor | |
weltklasse gehalten hat“, sagt Sportvorstand Max Eberl. Joselu nutzte die | |
Chance zum Ausgleich. In der 88. Minute. Und zwei Minuten später trifft der | |
frühere Bundesligaspieler noch einmal. | |
## Ärgerlicher Pfiff | |
Diese Schlussphase erinnerte an 1999, an die Last-Minute-Niederlage von | |
Bayern im Champions-League-Finale gegen Manchester United. Nur dass dieses | |
Mal nach dem 2:1 nicht Schluss war. In der 10. Minute der Nachspielzeit | |
erzielte Matthijs de Ligt ein Tor, das der Schiedsrichter aber abgepfiffen | |
hatte, ehe der Ball über der Linie war. | |
Sein Assistent hatte voreilig die Fahne gehoben, obwohl eine | |
Abseitsstellung ohne technische Hilfestellung kaum erkennbar war. Eine | |
Überprüfung durch den Videoassistenten konnte wegen des Pfiffs nicht | |
stattfinden. Als „höchst kurios und dubios“ bezeichnete Eberl diese | |
Situation. | |
Szymon Marciniak entschuldigte sich später bei de Ligt für den Fehler. Dies | |
anzunehmen fiel Thomas Tuchel sichtlich schwer. „Das ist nicht der Moment | |
für Entschuldigungen, das ist nicht der Moment für zwei solche | |
Regelverstöße.“ Der Ärger ist verständlich, aber womöglich hätte ein 2:2 | |
das Leiden der Münchner nur verlängert, aber nicht beendet. Gegen ein Real, | |
das in dieser Champions-League-Saison schon ein paarmal vor dem Aus stand | |
und immer wieder zurückkam. „Der Stachel sitzt tief“, gibt Thomas Müller | |
zu. Aber niemand weiß besser als Müller: Dieser Stachel lässt sich auch | |
wieder ziehen. | |
9 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Elisabeth Schlammerl | |
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