| # taz.de -- Gutachten zum Atomendlager Gorleben: Politischer Druck auf die Wiss… | |
| > Bereits in den 80er-Jahren gab es Zweifel an der Eignung des Salzstockes | |
| > Gorleben zum Atomendlager. Das Kanzleramt drängte dennoch auf die | |
| > Nutzung. | |
| Bild: Die Nutzung des Salzstockes stieß von Anfang an auf Widerstand. | |
| HANNOVER taz Die Debatte um den Salzstock Gorleben als Atomendlager ist um | |
| einen historischen Skandal reicher: Maßgebliche Endlagerexperten des Bundes | |
| haben schon 1983 die Untersuchung von Alternativen zum Salzstock Gorleben | |
| verlangt. Eine entsprechende Empfehlung wurde aber auf massiven politischen | |
| Druck aus dem ersten umfassenden offiziellen Gutachten zu dem | |
| Endlagerstandort gestrichen. | |
| Professor Helmut Röthemeyer, der als Abteilungsleiter in der | |
| Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) damals verantwortlich für den | |
| "Zusammenfassenden Zwischenbericht über bisherige Ergebnisse der | |
| Standortuntersuchung in Gorleben" war, erinnert sich heute mit Schrecken an | |
| das Gespräch mit Ministeriumsvertretern, das der Änderung des Gutachtens | |
| vorausging. Der taz sagte Röthemeyer am Freitag: "Ich habe ansonsten nie | |
| wieder ein solches Gespräch geführt in meinem ganzen Leben." | |
| Professor Röthemeyer war seinerzeit der höchste staatliche Endlagerexperte. | |
| Die von ihm geleitete Abteilung wurde später zur Abteilung "Sicherheit | |
| nuklearer Entsorgung" im Bundesamt für Strahlenschutz umgewandelt. Dem | |
| zusammenfassenden Gutachten aus dem Jahr 1983 ging die Erkundung des | |
| Salzstocks durch eine Vielzahl von Bohrungen voraus, die aber nicht das | |
| erhoffte Ergebnis brachten. Röthemeyer und seine Kollegen mussten in ihrem | |
| Gutachten deshalb etwa feststellen, dass das von einer eiszeitlichen Rinne | |
| durchzogene Gestein über dem Salzstock nicht in der Lage ist, | |
| "Kontaminationen auf Dauer von der Biosphäre zurückzuhalten". | |
| Die Wissenschaftler wollten dann auch die Schlussfolgerung ihres Gutachtens | |
| entsprechend gestalten. "Wegen des Erkundungsrisikos in Gorleben und aus | |
| Gründen der Akzeptanz des Standorts haben wir in den Bericht die Empfehlung | |
| hineingeschrieben, einen zweiten Standort zu untersuchen," erinnert sich | |
| Röthemeyer. Der Entwurf der Empfehlung sei dann den beteiligten | |
| Wissenschaftlern zugesandt worden, um ihn zunächst unter den Experten zu | |
| diskutieren. | |
| Dies sollte auf einem Treffen in der Bundesanstalt für Geowissenschaften | |
| und Rohstoffe in Hannover geschehen. "Zu dem Treffen erschienen dann aber | |
| unerwartet auch Vertreter des Bundeskanzleramtes und der Bonner Ministerien | |
| für Forschung und Technologie und Inneres", erinnerte sich Röthemeyer. Die | |
| Ministeriumsvertreter forderten die Physikalisch-Technische Bundesanstalt | |
| zur Änderung ihres Gutachtens auf. "Es gab nichts Schriftliches, keine | |
| schriftliche Weisung, aber wir mussten das Gespräch klar als Weisung | |
| auffassen", sagt Röthemeyer. | |
| Die Forderung nach "vorsorglichen Erkundungsmaßnahmen an anderen | |
| Standorten" wurde deshalb aus dem Gutachten gestrichen. Immerhin gibt es | |
| noch den einstigen Entwurf. Dieser attestiert dem Salzstock nicht für | |
| hochradioaktiven, sondern nur für schwach- und mittelaktiven Atommüll eine | |
| "sicherlich gegebene Eignung". | |
| Die Union hält Gorleben nach wie vor für den geeigneten Endlagerstandort in | |
| Deutschland. Ihre Forderung deshalb: das Endlager jetzt zügig zu bauen. | |
| 18 Apr 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Voges | |
| ## TAGS | |
| Akzeptanz | |
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