| # taz.de -- Griechenland im Viertelfinale: Einmal die Deutschen schlagen | |
| > Im Café Ecuador im Athener Arbeiterviertel Kypseli trifft man Arbeiter, | |
| > Studenten und Geschäftsfrauen. Ein Besuch kurz vor dem Deutschland-Spiel. | |
| Bild: „Deutschland zu besiegen, würde unserer Seele gut tun.“ Feiern nach … | |
| ATHEN taz | „Das Viertelfinale Deutschland gegen Griechenland ist nicht nur | |
| ein Spiel. Es ist ein Duell: Gläubiger gegen Schuldner. Das Fußballspiel | |
| wird hier zum Politikum“, sagt Cafébesitzer Nikos und poliert mit | |
| energischen Bewegungen die Theke. Seit zwei Jahren betreibt er das Café | |
| Ecuador in der Nähe des Omoniaplatzes im Arbeiterviertel Kypseli. | |
| Der Stadtteil hat seine besten Zeiten lange hinter sich. Viele Geschäfte | |
| mussten wegen der Krise schließen. Obdachlose schieben ihre Einkaufswagen | |
| von Mülltonne zu Mülltone und laden noch Verwertbares ein. Doch Nikos hat | |
| mittlerweile ein gemischtes Publikum von Arbeitern über Studenten bis hin | |
| zu Geschäftsfrauen, das sein ordentlich geführtes Café schätzen. „Ich | |
| arbeite hier von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr abends, wenn Gäste da | |
| sind, auch mal länger“, sagt Nikos. „Man muss viel arbeiten, wenn man | |
| unabhängig sein will.“ | |
| Mit sicherem Griff räumt der leicht untersetzte Mann Ende 30 die Gläser im | |
| Eiltempo in den Schrank. „Das ist vielen Griechen noch immer nicht klar. | |
| Sie sind einfach Kindsköpfe und wurschteln sich durchs Leben.“ Dies zeigten | |
| auch die Reaktion vieler Griechen auf das Viertelfinale: „Glauben die | |
| wirklich, ein Sieg gegen die Deutschen würde uns weiterhelfen?“ Nikos bongt | |
| die Bestellungen in seine Kasse ein. Das Café ist gut gefüllt. Am Freitag | |
| will er eine große Leinwand anbringen, um das Spiel zu zeigen. | |
| Sein Café hat er bisher nicht mit Nationalfarben dekoriert. Auch sonst ist | |
| in Athen nicht viel von EM-Fieber zu bemerken. Vereinzelt bieten Kioske | |
| Fanschals und Plastikfähnchen an. „Für mich gibt es momentan auch | |
| Wichtigeres, als mich auf ein Fußballspiel zu konzentrieren“, sagt die | |
| 26-jährige Yioana. | |
| ## „Nicht die Deutschen sind schuld, sondern die Banken.“ | |
| Die junge Frau sitzt an einem der Tische im Café und nippt an ihrem | |
| Nescafé. „Ich habe vor zwei Monaten meine Arbeit verloren und finde keinen | |
| neuen Job“, erzählt sie. Als im Jahr 2004 die Griechen mit ihrem Trainer | |
| Otto Rehagel überraschend Europameister wurden, habe sie gejubelt. „Da war | |
| es uns doch auch recht, dass ein Deutscher uns zum Sieg verholfen hat. | |
| Dieser ganze Nationalismus in Bezug auf ein Fußballspiel ist doch Unsinn! | |
| Nicht die Deutschen sind schuld an unserer Krise, sondern die Banken.“ | |
| Doch nicht alle sind so reflektiert. Der nationale Pathos und die von | |
| Europa geschundene Volksseele Griechenlands scheint sich bei vielen | |
| Griechen in jenem Fußballspiel am Freitag zu entladen: „Wenigstens bei | |
| diesem Spiel wollen wir die Deutschen schlagen, die uns seit Monaten mit | |
| ihren Sparauflagen gängeln und das Volk in den Ruin treiben“, ruft Christos | |
| vom Nachbartisch. | |
| „Deutschland zu besiegen, würde unserer Seele guttun“, sagt der junge Mann. | |
| Er bringt einen Spruch zum Besten, der unter griechischen Fußballfans | |
| momentan recht populär ist: „Etsi gamame afti pou sou xrostane – so machen | |
| wir die platt, die uns noch was schulden“, kämpferisch blitzen seine Augen. | |
| Auch sein Freund Andreas stimmt kurz mit ein in den Fußballgesang. Die | |
| beiden Männer sind sich einig: Wenigstens am Freitag beim Viertelfinale | |
| soll Deutschland in seine Schranken gewiesen werden. | |
| ## Aggressive Schlagzeilen | |
| Auch die Sportpresse in Griechenland ist mit ihren Titeln ganz auf | |
| Konfrontation eingestellt und puscht die Hoffnung auf einen Sieg. Bereits | |
| am Sonntag titelte die griechische Fußballzeitung Goalnews nach dem | |
| siegreichen Spiel gegen Russland kämpferisch: „Bringt uns nun die Merkel. | |
| Ihr werdet Griechenland nie aus dem Euro rausschmeißen“. Und die Zeitung | |
| Gawros titelte aggressiv „Frau Merkel, sei bereit: Du bist als Nächste | |
| dran.“ Selbst der portugiesische Trainer der griechischen | |
| Nationalmannschaft, Fernando Santos, gab zu Protokoll: „Man muss Blut | |
| spucken, um uns zu bezwingen“. | |
| Plötzlich sind deutsche Worte im Café zu vernehmen. Dann bestellen eine | |
| Frau und ein Mann zwei Limonaden. Cafébesitzer Nikos lacht: „Ja, meine Lage | |
| ist für dieses Spiel perfekt, denn genau nebenan richtet das | |
| Goethe-Institut eine Ausstellung aus. Daher werden bestimmt auch viele | |
| Deutsche am Freitag hier sein und sich das Spiel ansehen. Ich glaube aber | |
| nicht, dass es dabei zu Ausschreitungen kommt. Da pass ich schon auf.“ | |
| Nikos unterhält sich kurz mit den beiden Deutschen und fragt sie nach ihrer | |
| Meinung zum Viertelfinale. Er bongt die Limonaden in seine Kasse ein und | |
| stellt dann mit einem süffisantem Lächeln fest „den Deutschen ist das Spiel | |
| doch fast egal. Klar, sie möchten lieber gewinnen. Aber wenn es nicht | |
| klappt, ist nicht gleich ihr nationaler Stolz angekratzt. Nur die Griechen | |
| machen das Spiel zur Politik.“ | |
| Ein grauhaariger Mann setzt sich an einen freien Tisch. Er kommt fast jeden | |
| Tag hierher und wird auch am Freitag zum Public Viewing kommen. Panajotis | |
| betont: „Die deutsche Mannschaft ist technisch versierter. Aber die | |
| Griechen spielen mit voller Leidenschaft, mit ganzem Herzen. Das ist doch | |
| auch das Schöne am Fußball, dieses Spiel der Emotionen. Ohne eine gesunde | |
| Portion Nationalbewusstsein funktioniert das nicht.“ Die Schlagzeilen der | |
| Sportzeitungen findet er trotzdem nicht gut, dies verderbe jeden Spaß am | |
| Spiel. | |
| Nikos räumt das Geschirr von Tischen ab. Es ist ruhiger geworden im Café. | |
| Er wischt noch einmal seine Theke und stellt die sauberen Gläser an ihren | |
| Platz ins Regal. „Das mit den Griechen ist schon eine komische Sache“, sagt | |
| er, „sie vertilgen ein Wildschwein und bestellen sich dann eine Cola Light. | |
| Sie sind in der absoluten Krise und kümmern sich um ein Viertelfinale.“ | |
| 22 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Theodora Mavropoulos | |
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