# taz.de -- Geschlechtertrennung in Israel: "Nicht mal die Sitzordnung verände… | |
> In Israel greift die religiös motivierte Geschlechtertrennung um sich. | |
> Und das, obwohl erst letzte Woche der oberste Gerichtshof entschied, dass | |
> dies "ungesetzlich" sei. | |
Bild: Buslinie 21, Jerusalem, Israel. | |
JERUSALEM taz | Zum ersten Mal in der Geschichte des Tel Aviver Auditoriums | |
werden Männer und Frauen getrennt im Zuschauerraum sitzen, wenn der | |
ultraorthodoxe Popsänger Janiv Ben Maschiach Anfang März auf die Bühne | |
steigt. Bürgermeister Ron Huldai gab dem Anliegen des Künstlers nach, in | |
dessen Konzerten gewöhnlich "Keuschheitswachen" aufpassen, dass sich sein | |
Publikum den frommen Verhaltensregeln entsprechend verhält. | |
Die Männer dürfen das Konzert im Parkett hören, die Frauen müssen auf die | |
oberen Ränge. Tamar Sandberg, die im Auftrag der linken Partei Meretz im | |
Tel Aviver Stadtrat sitzt, protestierte vergeblich gegen das | |
"chauvinistische und primitive Vorgehen" im Auditorium, das zu großen | |
Teilen aus der Stadtkasse finanziert wird. | |
Erst letzte Woche hatte der Oberste Gerichtshof in Jerusalem entschieden, | |
dass eine Geschlechtertrennung "ungesetzlich" sei. Die Richter bezogen sich | |
auf den öffentlichen Nahverkehr. Jedem solle es selbst überlassen bleiben, | |
so schränkten sie indes ein, ob er oder sie eine Geschlechtertrennung im | |
öffentlichen Verkehr praktizieren will oder nicht. Ausgangspunkt für den | |
Rechtsspruch war der Protest mehrerer Frauengruppen gegen die Praxis der | |
"Mehadrin-Linien", Buslinien, die nach vermeintlich orthodoxen Regeln | |
"koscher" sein sollen. | |
Die öffentlichen Verkehrsmittel bieten Konfliktpotenzial, weil sie eine der | |
Bastionen darstellen, wo sich Männer und Frauen zwangsläufig begegnen. In | |
Synagogen ist Geschlechtertrennung üblich, genauso wie an der Klagemauer, | |
bei Hochzeiten und Beerdigungen. Auch an den Arbeitsplätzen, soweit die | |
Männer nicht ohnehin in die Jeschiwa gehen, strebt die ultraorthodoxe | |
Bevölkerung eine Geschlechtertrennung an. | |
Der über die Buslinien gefällte Rechtsspruch ist "parve", weder Milch noch | |
Fleisch. Theoretisch haben zwar die Feministinnen und die Liberalen | |
gewonnen, doch in der Praxis wird sich auf den Dutzenden Linien, die nahezu | |
ausschließlich von ultraorthodoxen Passagieren genutzt werden, kaum etwas | |
verändern. Die vorderen Türen und die vorderen Sitzreihen gehören dem | |
starken Geschlecht. Frauen müssen durch den Hintereingang auf die hinteren | |
Bänke. Wer sich widersetzt, bekommt sicher Ärger. Die Schilder mit der | |
Aufschrift: "Jeder Fahrgast darf sitzen, wo er es selbst will", die auf | |
Weisung der Richter angebracht werden müssen, sind deshalb pure Heuchelei. | |
"Hätten sie wenigstens die Sitzordnung verändert", kommentierte der | |
ehemalige Erziehungsminister Jossi Sarid (Meretz), der findet, dass die | |
Frauen vorne sitzen sollten, wenn schon Geschlechtertrennung praktiziert | |
wird. | |
14 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Israel | |
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