# taz.de -- Fußballfouls vor Gericht: Tritte und Tränen | |
> Der Fußballplatz ist kein rechtsfreier Raum. Spieler können sich gegen | |
> üble Fouls wehren. So sieht es zumindest das Oberlandesgericht Hamm. | |
Bild: Richter, wir wissen, wo dein Auto steht. | |
Fouls gehören zum Fußball, brutale Fouls leider auch. Es sind Szenen, bei | |
denen man sich abwenden möchte, so schauderlich sind sie. Man sieht sie | |
viel zu häufig – all die Tritte, Bodychecks und Kung-Fu-Einlagen. Manche | |
Fouls waren so folgenschwer, dass sie Eingang gefunden haben ins kollektive | |
Fußballarchiv. | |
Man erinnert sich daran, wie Toni Schumacher den Franzosen Patrick | |
Battiston in der Nacht von Sevilla rücksichtslos ummähte, wie im Jahre 1981 | |
der Bielefelder Kicker Ewald Lienen vom Bremer Norbert Siegmann | |
folgenschwer attackiert wurde – eine 25 Zentimeter lange Wunde klaffte an | |
Lienens rechtem Oberschenkel –, wie Michael Ballack vor der | |
Weltmeisterschaft 2010 von Kevin-Prince Boateng am Knöchel verletzt wurde | |
und wie der Spieler des 1. FC Union Berlin, Macchambes Younga-Mouhani, | |
seinem Bochumer Gegenspieler Matias Concha das Schien- und Wadenbein | |
durchtrat. | |
Die Missetäter kommen meist relativ glimpflich davon. Sie sehen eine gelbe | |
oder rote Karte, müssen womöglich ein paar Spiele pausieren, währenddessen | |
der Gefoulte wochen-, vielleicht sogar monatelang an der Verletzung | |
laboriert und seine Karriere gefährdet ist. In den unteren Amateur-Ligen | |
kommen Verdienstausfälle hinzu, bisweilen droht die Berufsunfähigkeit. Das | |
Sportrecht ist oft aufseiten der Täter, weswegen Spieler nicht selten mit | |
einer Schadenersatzklage vor ein Zivilgericht ziehen – so wie ein Kicker | |
aus der Kreisliga A 3 in Dortmund. | |
Er war im April 2010 von einem gegnerischen Spieler mit gestrecktem Bein | |
gefoult worden. Der Gefoulte zog sich eine schwere Knieverletzung zu. Er | |
kann seinen Beruf als Maler und Lackierer bis heute nicht ausüben. Das | |
Landgericht Dortmund sprach ihm 50.000 Euro als Schadenersatz zu. | |
Dieses Urteil bestätigte jetzt das Oberlandesgericht Hamm. Gerichtssprecher | |
Christian Nubbemeyer, dessen Presseerklärung zum aktuellen Fall die Runde | |
machte, sagt: „Es musste mal wieder bekannt gemacht werden, dass die | |
Rechtssprechung so ist, das heißt Spieler müssen für Grenzüberschreitungen | |
auf dem Fußballplatz haften.“ | |
## Unschicklich, vor ein Zivilgericht zu ziehen | |
Natürlich ist nicht jedes Foul justiziabel. Die Richter aus Hamm schreiben | |
in ihrem Urteil (Az. 6 U 241/11), dass der „Grenzbereich der noch | |
hinzunehmenden Härte“ deutlich überschritten werden müsse, um ein „unfai… | |
Handeln“ zu erkennen, das zur Haftung führe. Im Bürgerlichen Gesetzbuch | |
heißt es dazu: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die | |
Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines | |
anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus | |
entstehenden Schadens verpflichtet.“ | |
Der Foulspieler, urteilt Hamm, habe „ohne jede Rücksicht auf die Gefahr | |
oder die Folgen seines Einsteigens für seinen Gegner“ gehandelt. Er sei | |
seinen „Sorgfaltsanforderungen“ nicht gerecht geworden. Der Grenzbereich im | |
„Kampfspiel“ Fußball verlaufe zwischen „der gebotenen Härte“ und „d… | |
unzulässigen Unfairness“. | |
Schadenersatzansprüche durchzuboxen ist oftmals gar nicht so leicht, obwohl | |
der Bundesgerichtshof bereits 1974 festgestellt hat, dass der Fußballplatz | |
kein rechtsfreier Raum ist. Von Profifußballern wird der Klageweg aber nur | |
selten beschritten. Ewald Lienen versuchte es seinerzeit, das Verfahren | |
wurde allerdings eingestellt. Auch als im Jahre 1988 der Stuttgarter Karl | |
Allgöwer vom Keeper Bodo Illgner 23.000 Mark für ein folgenschweres Foul | |
haben wollte, klappte das nicht. Ähnlich erging es dem Bochumer Matias | |
Concha. Das Landgericht Berlin-Tegel wies die Klage des Schweden ab; er | |
hatte seinen Gegenspieler Younga-Mouhani auf 200.000 Euro Schmerzensgeld | |
verklagt. | |
Mittlerweile gilt es in der Profiszene als unschicklich, vor ein | |
Zivilgericht zu ziehen. Von einem Ehrenkodex ist die Rede. Auch Michael | |
Ballack verzichtete darauf – trotz markiger Worte seines Anwalts. | |
Gerichtssprecher Nubbemeyer sagt dazu: „Was nutzt dem Verletzten so ein | |
Ehrenkodex, wenn er nicht mehr spielen kann.“ Das Recht sei eindeutig auf | |
der Seite der Geschundenen. Der Bundesgerichtshof hat schon vor 38 Jahren | |
festgestellt, dass jeder Spieler zwar „grundsätzlich Verletzungen, die auch | |
bei regelrechtem Spiel nicht zu vermeiden sind“, in Kauf nehme, aber beim | |
Nachweis eines nicht regelgerechten Verhaltens gebe es sehr wohl einen | |
Schadenersatzanspruch gegen den Mitspieler. | |
27 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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