| # taz.de -- Dream-Pop-Album von SoKo: Das Peter-Pan-Syndrom | |
| > Die junge italienisch-französische Künstlerin SoKo genießt jeden Moment | |
| > ihres Leben, wie an ihrem neuen Album „My Dreams Dictate My Reality“ zu | |
| > hören ist. | |
| Bild: Macht keine Katzenmusik: SoKo. | |
| Mal Katze, mal Meerjungfrau, mal Fee, mal Alien: Die in Los Angeles lebende | |
| Italo-Französin Stéphanie Alexandra Mina Sokolinski, besser bekannt als | |
| SoKo, nimmt sich einer Handvoll nahezu märchenhafter Gestalten an. | |
| All jene verkörperte die 28-Jährige bereits auf ihrem Debütalbum „I Thought | |
| I Was An Alien“ (2012). Ihr fragiler Neo-Folk kam schon da sehr überzeugend | |
| rüber – vielleicht lag es an ihrer charismatischen Art. Nun meldet sich die | |
| Künstlerin mit dem zweiten Werk und einem neuen Image zurück. | |
| Die organische Akustikgitarre hat Sokolinski gegen psychedelische | |
| E-Gitarren, tiefe Bässe und epische Klangkulissen ausgetauscht. Die Drums | |
| bedient Stella Mozgawa, Schlagzeugerin der Band Warpaint, und produziert | |
| hat Ross Robinson, der schon am Mischpult für The Cure saß – nicht zufällig | |
| auch die Idole der Künstlerin. | |
| Mit dem Albumtitel „My Dreams Dictate My Reality“ zeigt SoKo erneut ihre | |
| düstere Seite. Der Titelsong handelt von ihrem Kindheitstrauma: Ihr Vater | |
| starb, als sie fünf Jahre alt war. Jahrelang war sie davon überzeugt, dass | |
| ihr Unterbewusstsein die Realität beeinflusst und ihre Angehörigen deshalb | |
| um ihre Leben kommen. | |
| ## Frühes Ende der Unschuld | |
| Die kindliche Unschuld hörte für sie so schon früh auf: „Ich war mit fünf | |
| erwachsen“, erzählt SoKo im Interview. „Es war wie eine Ohrfeige aus der | |
| Realität, die mir sagte, dass das unbeschwerte Leben vorbei sei. Ich bin | |
| damit aufgewachsen, nicht unbeschwert sein zu können. Es fiel mir schwer, | |
| mit anderen Kindern zu spielen. Ich dachte die ganze Zeit, dass wir alle | |
| irgendwann sterben. Als Kind hast du noch nicht das Werkzeug, um aus deinem | |
| Kopf herauszukommen.“ Der Prozess des Älterwerdens, Themen wie | |
| Transformation und Vergänglichkeit ziehen sich als Motive durch das Album. | |
| In „Peter Pan Syndrome“ singt Sokolinski so über Angst vor der | |
| Vergänglichkeit. Die Haltung, die sie einnimmt, ist im Vergleich zu ihrer | |
| eigenen Generation der Twentysomethings bemerkenswert: Sie rennt vor | |
| Verantwortung davon und damit auch vor dem Trott des Erwachsenseins. „Ich | |
| will für immer Teenager sein“, kommentiert SoKo. | |
| Auf ihrem Debüt offenbarte schon der Song „We Might be dead by Tomorrow“ | |
| ihre Philosophie, jeden Augenblick als einzigartig zu erkennen und ihn | |
| deshalb zu genießen. Für den Videoclip hatte sie das Drehbuch geschrieben, | |
| Regie geführt und auch selbst mitgespielt. | |
| ## Begehren und Grabsteine | |
| Zwischen den nahezu kitschigen Szenen aus einer leidenschaftlichen | |
| lesbischen Beziehung werden immer wieder Aufnahmen von Grabsteinen | |
| eingeblendet. Vergänglichkeit richtig einzuordnen – das lernte sie erst, | |
| als sie 25 war. Dabei half ihr, dass der Song zum Soundtrack des viralen | |
| „First Kiss“-Videos wurde, die Werbekampagne einer Modemarke. Mittlerweile, | |
| so sagt SoKo, habe sie gelernt, verantwortungsvoll, aber auch auch | |
| unbeschwert zu leben. | |
| Ihre finsteren, ängstlichen Züge werden in ihrer Performance sichtbar. Die | |
| Zeilen, die sie vorträgt, wirken dabei manchmal wie Tagebucheinträge eines | |
| depressiven Teenagers. Das lässt sich einerseits durch ihre | |
| Herangehensweise erklären, denn viele ihrer Songtexte sind gefilterte | |
| Exzerpte aus ihrem Notizbuch. Andererseits schwingt auch eine bittersüße | |
| Mischung aus Naivität und Abgeklärtheit mit. | |
| Im Duett mit dem kalifornischen Pop-Weirdo Ariel Pink thematisiert SoKo in | |
| „Lovetrap“ ihre Unfähigkeit, Beziehungen zu führen. Gleiches gilt | |
| für„Monster Love“. Als stilbildend für ihr neues Album nennt SoKo „Fun�… | |
| ein Werk des schizophrenen US-Musikers Daniel Johnston. „Ich dachte, meine | |
| Musik ist im Stande, mich zu transformieren und mich zu einer besseren | |
| Person zu machen. Als ich im Studio gearbeitet habe, merkte ich, dass viele | |
| Songs von Verwandlung handeln.“ | |
| Das hört man zum Beispiel an „Temporary Moodswings“: Sie singt „I want to | |
| be good, I want to be good, I want to be good until you like me better“. Im | |
| Songwriting schwingt die Idee einer Transformation des Selbst mit. Das | |
| passt so gut in ihr metaphysisches Bild der Realität wie der nahezu | |
| abergläubische Gedanke an die Auswirkung ihrer Träume auf ihr Leben. | |
| 15 Mar 2015 | |
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