# taz.de -- Dokumentation über eine Performerin: Körper als Kunst | |
> Atemberaubend wird die Kunst des Stillsitzens, wenn Marina Abramovic sie | |
> praktiziert. Zu erleben in Matthew Akers Film „The Artist is Present“. | |
Bild: Performancekünstler: Marina Abramovic und Ulay. | |
Es war sehr still, die Leute trugen weiße Laborkittel und weiße Kopfhörer. | |
Nicht um etwas, sondern um nichts zu hören. Die Uraufführung von Matthew | |
Akers’ Dokumentation „The Artist is Present“ während der letzten Berlina… | |
bot endlich Gelegenheit, eine der Silent Partys zu erleben, für die Marina | |
Abramovic berühmt ist. | |
Marina Abramovic ist berühmt für ihre Performances. Das ist ziemlich | |
erstaunlich. Denn Performances sind zeit- und ortsgebundene Kunstwerke. Wer | |
also nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, hat die Aufführung | |
verpasst und kann über die Performance nicht wirklich etwas sagen. Das | |
hilft nicht unbedingt, die Bekanntheit einer Künstlerin zu fördern, die | |
ganz auf dieses Genre gesetzt hat wie Marina Abramovic, von der man | |
wahrlich sagen kann, sie habe sich ihm mit Haut und Haar verschrieben. | |
Denn Marina Abramovic’ Performances sind krasse Exerzitien in | |
Körperbeherrschung bis hin zur Selbstverletzung, Leidensfähigkeit, | |
Konzentration, Geduld, und Durchhaltevermögen. 1997 zeigte sie auf der | |
Biennale von Venedig „Balkan Baroque“, eine Performance, mit der sie Bezug | |
auf den Balkankonflikt nahm, wobei sie jeden Tag stundenlang damit | |
beschäftigt war, einen Berg frischer Rinderknochen mit einer Bürste zu | |
reinigen, während sie Totenlieder aus ihrer Heimat sang. Es liegt aber | |
nicht an dem Goldenen Löwen, mit dem sie ausgezeichnet wurde, dass man | |
heute sagen kann, die Kunstform der Performance in Verbindung mit ihrem | |
Namen sei einem wirklich breiten Publikum ein Begriff. Das hat ihre | |
Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) mit ihren | |
rekordverdächtigen 750.000 Besuchern bewirkt, die die Künstlerin dort von | |
März bis Mai 2011 sahen. | |
## Augenkontak so viel man will | |
Drei Monate, so hatte es Marina Abramovic geplant, wollte sie während der | |
Öffnungszeiten des Museums im Atrium des MoMA sitzen und die Besucher | |
einladen, sich ihr gegenüberzusetzen und so lange, wie sie es wünschten, in | |
Augenkontakt mit ihr zu treten. Um ihre Vorbereitungen auf diesen Kraftakt | |
festzuhalten begleitete der Dokumentarfilmer Matthew Akers die 1946 in | |
Belgrad geborene Künstlerin über ein Jahr lang hautnah mit der Kamera. | |
In einer der schönsten Szenen im Film versucht ihr der Kurator der | |
Retrospektive, Klaus Biesenbach, ganz offen klarzumachen, dass sie sich auf | |
Zeiten vorbereiten müsse, in denen sie ganz allein dort sitzen werde. Und | |
dann sieht man die Leute stundenlang Schlange stehen, um ihr | |
gegenüberzusitzen, vom Anfang an bis zum Ende. Dann waren es 1.750 | |
Gegenüber, darunter Sharon Stone, Tilda Swinton und Björk. | |
Daneben führten ihre Schüler einige ihrer früheren Performances wieder auf, | |
wie etwa die 1999 zur Wiedereröffnung der Berliner Kunst-Werke e. V. | |
uraufgeführte Aktion „Luminosity“, bei der sie nackt, hoch an der Wand des | |
Kunstraums auf einem Fahrradsattel thronte und die Balance hielt. | |
Marina Abramovic war neben den MoMA-Vorbereitungen mit dem Aufbau ihrer | |
Foundation for Preservation of Performance Art beschäftigt: Mit solchen | |
Ausflügen in ihren Alltag, wo die Menschen aus ihrem Umfeld zu Wort kommen, | |
oder – mithilfe von historischen Filmdokumenten – auch in ihre | |
Vergangenheit baut der Film eine enorme Spannung auf, bis zu dem Zeitpunkt, | |
zu dem sich die Künstlerin in einem wunderschönen roten Kleid zum ersten | |
Mal in den eigens gebauten Stuhl mitten im Atrium des MoMA setzt. In diesem | |
Moment erhält auch der Filmzuschauer einen profunden Begriff von dem, was | |
Performance Art ist. | |
29 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
Brigitte Werneburg | |
## TAGS | |
Performance-KünstlerIn | |
Marina Abramovic | |
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