# taz.de -- Debütalbum von Lana Del Rey: Elfe und Schlampe | |
> "Born to Die" heißt das erste Album der 25-jährigen US-Sängerin Lana Del | |
> Rey. Darauf fantasiert sie sich zurück in ein längst versunkenes Ambiente | |
> von Hollywood. | |
Bild: White-Trash trifft auf Hollywood-Glamour: Die Künstlerin Lana Del Rey. | |
Lana Del Rey ist mal wieder eines dieser Naturtalente, die sich das Popvolk | |
via Klickrate zum Star gewählt hat. So jedenfalls geht die | |
Universallegende. | |
Dass sie, die eigentlich Elizabeth Grant heißt und in New York groß wurde, | |
nun schon seit über anderthalb Jahren bei einem Majorlabel unter Vertrag | |
steht und dass die PR-Strategen in der Zwischenzeit das ganze Waffenarsenal | |
zeitgenössischer Reklame aufgeboten haben, von der gezielten Infiltration | |
sozialer Netzwerke (virales Marketing) bis zum Schmieren von Radiosendern | |
("payola") – all das wird man schlicht in Rechnung stellen müssen bei | |
solchen vermeintlich basisdemokratischen Sensationserfolgen. | |
Trotzdem kann man sich beeindrucken lassen von der artifiziellen | |
Stimmigkeit des Produkts Lana Del Rey. Ihre Single-Auskopplung "Video | |
Games" ist ein makelloses Beispiel dafür. Die Instrumentierung erinnert an | |
den Soundtrack einer alten Hollywoodschmonzette. | |
Es ist dieser gezügelte Bombast, der hier aufgerufen wird, mit schwebenden | |
Harfen-Arpeggios, perkussiv gezupften Geigen und schüchternen, der Stille | |
abgerungenen Klavierakkorden. | |
## Glamour vergangener Epochen | |
Die 25-jährige Sängerin schwelgt hier im Glamour einer vergangenen Epoche, | |
schlüpft in die Rolle der Sixties-Diven, die noch mit einem Bein in den | |
Fünfzigern stehen, haucht, raunt und gibt sich hin: "I say ,You da bestest' | |
/ Lean in for a big kiss / Put his favorite perfume on …" Die scheinbar | |
backfischhafte Koketterie mit dem libidinösen Geheimnis, das da unter der | |
Oberfläche brodelt, darf natürlich auch nicht fehlen. "Tell me all the | |
things you wanna do / I heard that you like the bad girls / Honey, is that | |
true?" | |
In fast allen Songs findet sich diese gebrochen naive Anschmachterei an den | |
fiktiven Liebling. Auch im Titelsong ihres wie ein Debüt verpackten neuen | |
Albums "Born To Die", der musikalisch noch ein Pfund Kitsch obendrauf legt | |
mit seinem Breitwand-Streicher-Arrangement wie aus einem | |
Douglas-Sirk-Streifen, das dann aber auch mit einem verschleppten | |
TripHop-Beat ganz im Hier und Jetzt verortet wird. | |
Natürlich spielt sie nur mit diesem ganz und gar anachronistischen, | |
voremanzipatorischen Frauenbild, das sanfte Unschuld-vom-Lande-Stimmchen | |
kippt denn auch bisweilen gefährlich in Richtung Gosse, ihr dreckiges | |
Timbre erinnert dann ein wenig an Stevie Nicks, die sich ebenfalls in | |
dieser Ambivalenz aus Elfe und Schlampe ganz wohlgefühlt hat. | |
Lana Del Reys Image ist eklektisch, das zeigen noch besser die Bilder in | |
den unbedingt dazugehörigen Videos. In einem ihrer älteren Songs "Yayo" | |
heißt es demonstrativ: "You have to take me right now / from this dark | |
trailer park life now". Sie gibt die morbide White-Trash-Schönheit, die | |
sich in die goldenen Zeiten zurücksehnt, als alles noch irgendwie mehr Spaß | |
gemacht hat. Aber der Traum ist längst ausgeträumt, dass alte Hollywood | |
ästhetisch, aber auch ökonomisch längst perdu, das zeigt der jeweilige | |
Subtext unmissverständlich. | |
Dass auch ihr zweites Gesicht nichts weiter als eine strategisch geschickte | |
Konstruktion ist, um sie zu erden und als Trailer-Park-Queen noch | |
identifikationstauglicher zu machen, davon will sie in Interviews natürlich | |
nichts wissen. Hier muss sie gewissermaßen ex officio die | |
Authentizitätskarte ausspielen. | |
## Auf einem Thron mit Blumenkrone | |
Ihre Videos sind da viel klüger, auch ihr neues zum Titelsong "Born To | |
Die", das einmal mehr den Kontrast heraufbeschwört zwischen Wunschfantasie | |
und harter Unterschichtenwirklichkeit. Die eine Fiktionsebene zeigt sie auf | |
einem Thron mit Blumenkrone, von zwei Tigern bewacht, die andere als nicht | |
ganz freiwillige Geliebte eines stark tätowierten Macho-Galans, der sie am | |
Ende blutüberströmt auf Händen trägt. | |
In der Collage manifestiert sich aber nicht nur die Differenz zwischen | |
Sehnsuchtstraum und angekratzter Gegenwartstristesse in aller Härte – die | |
Form weist beides auch als bloße Zitate aus. Sie agiert hier gewissermaßen | |
mit offenem Visier, offenbart sich in ihrer ganzen konstruierten | |
Künstlichkeit. | |
Und das hört man auch. All die vermeintlich anachronistischen Lovesongs – | |
"Pick me up and take me like a real man / And my bodys sweet like sugar in | |
the morning", singt sie in "Radio" – klingen bei aller Retrofizierung | |
keineswegs altbacken. | |
Man hört diesen Liedern intuitiv an, vor allem am zeitgemäß tanzbaren | |
Rhythmusdesign, den unaufdringlichen Samples, aber auch an ihrer | |
überspielten, ganz leicht aufgesetzten Intonation, dass man es hier nicht | |
mit abgestaubten Archivaufnahmen zu tun bekommt. Insofern spiegelt sich in | |
der ästhetischen Struktur des Songs noch einmal das, was die Sängerin hier | |
darzustellen versucht. | |
Wie sie träumen sich die Songs nur zurück in die gute alte Zeit - und | |
stellen damit den Akt der Wiederholung und Anverwandlung geradezu aus, um | |
zu demonstrieren, wie heutig sie letztlich doch sind. Eine solche, geradezu | |
aufgeklärte Selbstreflexivität diagnostiziert der britische Popautor Simon | |
Reynolds in seinem Buch "Retromania" bei vielen aktuellen Retrostilen, etwa | |
dem Hypnagogic Pop. | |
Als Popideologe muss man hier wohl das utopische Potenzial anmahnen, als | |
bloßer Aficionado darf man sich ganz dem betörenden Stilmix hingeben – und | |
mit vollem Wissen der Kreativindustrie auf den Leim gehen. | |
Lana Del Rey: "Born To Die" (Universal), ab 27. Januar im Handel | |
13 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
## TAGS | |
Pop | |
Madonna | |
Konzert | |
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