# taz.de -- Crowdfunding für Amanda Palmer: Wahre Arbeit, wahrer Lohn | |
> Ihr neues Album „Theatre is evil“ lässt sich Amanda Palmer von den Fans | |
> per Kickstarter finanzieren. Ihre Mitmusiker wollte sie aber mit Freibier | |
> abspeisen. | |
Bild: Der Rockstar über Berlin: Amanda Palmer. | |
Amanda Palmer nimmt ihre Crowd verdammt ernst. So ernst, dass sogar der | |
Titel ihres neuen Albums von ihren Fans mitbestimmt wurde. Amanda Fucking | |
Palmer, wie sie sich selbst nennt, twittert sich tagtäglich das Herz aus | |
der Brust, chattet öffentlich mit ihrem Ehemann Neil Gaiman und zeigt sich | |
immer wieder nackt. | |
Als sie wissen ließ, der Titel ihres neuen Albums sei „Theater is evil“, | |
bekam sie haufenweise Nachrichten von Fans, die sagten, es müsse „theatre“ | |
statt „theater“ heißen. „Theater“ ist die amerikanische, „theatre“… | |
britische Schreibweise. „Jesus! I’m an AMERICAN! Only pretentious Americans | |
use that RE shit!“, entgegnete Palmer. Dann ließ sie auf dem Forum ihrer | |
Webseite abstimmen, mit dem Ergebnis, dass 83 Prozent der Fans die | |
britische Schreibweise bevorzugten. Also entschied Palmer: „It’s theatre | |
due to popular demand.“ | |
Das passt gut zu einem Album, das durch eine riesige Crowdfundingaktion | |
über die Onlineplattform „Kickstarter“ finanziert wurde. 1,2 Millionen | |
US-Dollar hat Palmer von ihren Fans eingesammelt und damit bereits vor der | |
Veröffentlichung für viel Medienaufmerksamkeit gesorgt. Die Musikindustrie | |
sei in ihrer bisherigen Form an ein Ende gekommen, verkündete Palmer | |
vollmundig. | |
## Schon vorher viele Fans | |
Die 36-jährige New Yorkerin hat gut reden. Bekannt wurde sie nicht als | |
Solokünstlerin, sondern als Hälfte des Duos Dresden Dolls. Offen gibt sie | |
zu, dass ihr Crowdfundingerfolg in diesem Ausmaß nur möglich war, weil sie | |
schon vorher eine große Fangemeinde hatte – auch aus der Zeit, in der sie | |
noch bei Roadrunner Records unter Vertrag stand. | |
Sei’s drum. „Theatre is evil“ ist ein pompöses, wuchtiges Paket aus | |
Glamrock, Brit-Pop und süßlichen Schnulzen. Die Bezeichnung „Brecht’sches | |
Punk-Cabaret“, die Palmer sich selbst für ihre Musik ausgedacht hat, passt | |
immer noch wie der Arsch auf den Eimer. Es ist ihr drittes Solo-Studioalbum | |
und das bisher eindrücklichste, am meisten ausgeklügelte. Aktuell steht | |
Palmer damit auf Rang 12 der US-Albumcharts. | |
Es gibt darauf harte, laute, gitarrenlastige Songs wie „Do it with a | |
Rockstar“ oder „Olly Olly Oxen Free“, punkig-verspielte wie „Melody Dre… | |
Es gibt Stücke mit achtziger Pop und Synthie-Soli, wie „Want it back“ und | |
„Lost“. Mitunter mischen sich ernste, düstere Töne in die ansonsten eher | |
partymäßige Stimmung, wie in der Ballade „Grown Man Cry“. Und in dem Walz… | |
„The Bed Song“ klingt Palmers dunkle, raue Stimme dann sogar richtig | |
verletzlich. Okay, ein bisschen kitschig vielleicht auch. Auf jeden Fall | |
sehr intim. | |
Man hört jedes Hauchen und dieses Palmer-typische Zischen, mit dem sie vor | |
manchen Versen die Luft durch die Zähne einzieht. Wunderschön auch | |
„Berlin“, eine Ballade, in der Amanda Palmer sich an ihre Zeit als | |
Stripperin erinnert. Das Stück ist am Anfang melancholisch und verträumt, | |
baut sich dann aber zu einer Hymne mit fetter Orchestrierung auf. | |
## Freibier statt Lohn | |
In „Want it back“ heißt es: „Doesn’t matter if you want it back / You�… | |
given it away, you’ve given it away“ – dieser Reim bezieht sich sicher | |
nicht auf das Geld von Palmers Fans, die dürften rundum befriedigt sein. | |
Unzufrieden zeigten sich jedoch zahlreiche MusikerInnen, als Palmer am 21. | |
August auf ihrer Homepage schrieb, sie suche noch GastmusikerInnen für ihre | |
aktuelle Tour. Denn als Lohn bot sie lediglich Freibier –- und trat damit | |
eine Lawine von Protesten los. Der Produzent und Musiker Steve Albini etwa | |
nannte Palmers Geschäftsgebahren „idiotisch“, die New York Times fragte: | |
„Rockers Playing for Beer: Fair Play?“. | |
Palmer behauptete, sie hätte leider nicht genug Bares, um alle Beteiligten | |
zu bezahlen, sie selbst hätte früher auch oft genug umsonst gespielt und | |
auf der Tour hätte sich doch zuvor auch keiner der GastmusikerInnen | |
beschwert. Nach mehreren Wochen zum Teil hitziger Diskussionen lenkte | |
Palmer nun am Mittwoch ein: Jetzt sollen also doch alle MusikerInnen nach | |
Tariflöhnen bezahlt werden, auch die, die schon seit Beginn der Tour im | |
Juni dabei waren. | |
„Wir sind eine friedliche Community, die über die Dinge reden kann“, | |
flötete Palmer in ihrem Blog, „und ich habe ein gutes Gefühl dabei, wenn | |
wir Dinge gemeinsam tun. Das ist der Punkt. Immer.“ Spät, aber immerhin, | |
die fällige Entscheidung für eine Musikerin, die darauf angewiesen ist, | |
dass auch andere Leute mit dem, was sie tut, ein gutes Gefühl haben. | |
## Amanda Palmer & The Grand Theft Orchestra: „Theatre Is Evil“ (8 ft. | |
Records/Indigo ) | |
23 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
## TAGS | |
Schuhe | |
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