# taz.de -- Britrocker Super Furry Animals: Rückkehr der Spinner | |
> In England haben die Super Furry Animals ihre Fans, Popspinner stehen | |
> dort unter Artenschutz. In Deutschland droht dagegen die Nische. | |
Bild: Super Furry Animals: Walisischer Alpenverein der hochbegabten Chartsverwe… | |
Spinner haben in der Popmusik momentan keinen leichten Stand. Deswegen sei | |
hier kurz an die Tatsache erinnert, dass die Beatles - eine der | |
erfolgreichsten Bands aller Zeiten - zumindest in der zweiten Hälfte ihres | |
Bestehens völlig versponnen waren. "Sgt. Peppers Lonely Hearts- club Band", | |
ihr von George Martin produziertes Konzeptalbum aus dem Jahr 1967, ist eine | |
eklektische, unter Einfluss von LSD, Mehrspurtechnik, Beach Boys und Dylan | |
übersprudelnde, kunterbunte Spinnerplatte, ja vielleicht sogar die | |
Spinnerplatte schlechthin. | |
Das walisische Quintett Super Furry Animals (SFA) ist produktiv, ideenreich | |
und lustig. Und, sie gehören auch zu den wenigen Bands, die sich fürs | |
Spinnen noch nicht zu schade sind. Nun veröffentlichen die Super Furry | |
Animals ein neues Album namens "Dark Days/Light Years". In ihrer englischen | |
Heimat hat die Band viele Fans, nur hierzulande drohen sie im schwarzen | |
Schlund der Nische zu verschwinden. | |
Dabei beweist "Dark Days/Light Years", dass die Super Furry Animals den | |
Saugschwamm Pop voller saugen können als alle anderen: Beat, Psychedelic, | |
Glamrock, Country, Disco, Madchester-Rave, die kalkulierte Cleverness der | |
Talking Heads und die verdaddelte Klangsignatur einer Krautrock-Kommune | |
tummeln sich auf einer bunten Wiese aus Technicolor. Das Cover, von dem | |
japanischen Comiczeichner Keichi Tanaami entworfen, gibt den Takt vor: | |
Zwischen Animé-Fantasien und walisischem Alpenverein verrichten die Super | |
Furry Animals ihre Verdunkelungsmusik für Lichtjahre. Nach Naturtarif | |
bezahlte Bienenschwärme bestäuben die vielfältigen Popblüten, analoge | |
Keyboards spucken wibbly-wobbly Wolken aus. Musik spielt hier als Vielheit. | |
Alles hat die gleichen Wurzeln. Der Rhythmus kommt aus Afrika, die | |
Harmonielehre aus Europa, und die Sterne hängen hoch am Himmelszelt und | |
leuchten phosphoreszierend in die Nacht. | |
Genügend Platz zum Ab- und Ausschweifen gibt es auch: "Ich habe gar nicht | |
nach einem Berg gesucht/Aber da war er plötzlich, der Berg/Es war ein | |
verdammt großer Berg/Also bin ich hinaufgeklettert/Auf den ungewöhnlichen | |
Berg/Aber als ich oben war/Da stellte sich heraus/Es war gar kein Berg!", | |
singen sie in "Mt.". In dem Stück blüht ein hymnischer Folkchor zu zärtlich | |
quietschenden Frühlingsgitarren im Gummistiefel tragenden Geiste George | |
Harrisons auf. Die Super Furry Animals haben auf allen ihren Platten | |
jeweils auch einen Song auf Walisisch, der unsingbarsten aller unsingbaren | |
Sprachen: diesmal heißt er "Lliwiau Lllachar". Wenn gerade kein Naturthema | |
zur Hand ist, singt Sänger Gruff Rhys auch über die Konkurrenz und nennt | |
ein Stück "The Very Best Of Neil Diamond". | |
Welche deutsche Band würde es wagen, ein Stück " Reinhard Meys größte | |
Erfolge" zu nennen? "Ich kann durch deine Augen sehen, weil du Moped-Augen | |
hast", heißt es dann in "Moped Eyes", und hier klingen die Super Furry | |
Animals, wie man sich das Quasi-Comeback von David Byrne im Geiste Brian | |
Enos vor wenigen Monaten gewünscht hätte: nach verschlepptem | |
Kunsthochschulfunk, dessen Unterhaltungswert einem | |
Alexander-Kluge-Interview mit einem Astrophysiker entspricht. | |
Ein echtes Highlight ist "Inaugural Trams", denn Gruff Rhys verfällt am | |
Ende des Songs in Hugo-Ball-kompatibles Dada-Deutsch: "Neue Haltestelle, | |
eins-zwei-drei/Vergessen Sie ihren Hut heut nicht/Drei-vier-fünf, und | |
fahren Sie mit uns in Ihre Zukunft/Jetzt! Sechs-sieben-acht, wer hätte das | |
gedacht?/ Neun-zehn/Oh guck, Tante Uta aus der Revue, da läuft ihr kleiner | |
Hund!" Die Musik zu diesem Kauderwelsch ist reinster Glam und Kraut im | |
Geiste Klaus Dingers und dessen mit La Düsseldorf eingespielter Utopiehymne | |
"Cha Cha 2000". | |
Nein, die Super Furry Animals machen die Welt nicht besser, weil sie eine | |
sozialdemokratische Botschaft in die Welt posaunen. Sie vermitteln im | |
besten Sinne das, wofür Menschen Rockbands nun einmal lieben: für gefühlte | |
Sozialdemokratie. Was für ein herrliches, sinnentleertes Vergnügen! Allen | |
Geschmacks- und Musikpolizisten sei gesagt, dass die Super Furry Animals | |
sowohl handwerklich als auch in punkto pophistorischer Beflissenheit die | |
Franz Ferdinands dieser Welt nicht nur an die Wand spielen, sondern dass | |
ihre Spielfreude schon gar nicht mehr von dieser Welt ist! | |
Oder wie sonst ist es zu erklären, dass den Super Furry Animals jegliche | |
Chartambitionen abhanden gekommen sind? Daraus resultiert dann aber keine | |
Leistungsverweigerung, aus den Songs der Super Furry Animals sprechen | |
höchst anregende melodiöse Glücksgefühle. Keine Ahnung, wie sich diese | |
Herren so durch den Alltag retten: ob sie durch weltweite Plattenverkäufe | |
und Touren tatsächlich noch von ihrer Musik leben können oder schon wieder | |
an der Tankstelle jobben müssen. Diese Frage stellt sich beim Hören von | |
"Dark Days/Light Years" aber auch gar nicht. "Wohin willst du gehen?/Wir | |
können wirklich überall hingehen", singen die Super Furry Animals in "Where | |
do you wanna go?". Es ist schon erstaunlich, wie verkrampft einen der | |
Alltag offenbar jeden Tag macht, dass solche banalen Kinderbuchzeilen, | |
getragen von einer vitalen Musik, tatsächlich wie eine Offenbarung klingen: | |
eine echte Spinnerplatte eben. | |
11 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Maurice Summen | |
## TAGS | |
Musik | |
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