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# taz.de -- Blasphemiegesetz in Pakistan: Angst vor Lynchjustiz
> In Pakistan nimmt die Empörung über die Festnahme eines geistig
> behinderten Mädchens zu. Endlich gibt es auch wieder laute Kritik an den
> Blasphemiegesetzen des Landes.
Bild: Ein sensibles Thema: Der Koran.
BANGKOK taz | Die Festnahme eines geistig behinderten christlichen Mädchens
wegen angeblicher Blasphemie hat in Pakistan Empörung ausgelöst. Präsident
Asif Ali Zardari ließ wissen, er habe einen Bericht vom Innenministerium
dazu angefordert. Zudem habe er die Behörden aufgerufen, Leben und Eigentum
von Personen zu schützen, die nun in Gefahr sein könnten.
Inzwischen sind weitere Details über Pakistans jüngsten „Blasphemie“-Fall
bekannt geworden. Berichten zufolge sollen Bewohner eines Dorfes bei
Islamabad am Wochenende ein elfjähriges Mädchen mit Down-Syndrom beobachtet
haben, wie es Seiten eines Lehrbuchs zerriss, die Koranverse enthielten.
Möglicherweise verbrannte es auch einige der Seiten. Ein lokaler Imam soll
darauf dazu aufgerufen haben, das Mädchen zu töten und zu verbrennen. Als
ein Mob das Mädchen und dessen Familie attackierte, nahm die Polizei das
Mädchen fest.
Nafisa Shah, Leiterin der Menschenrechtsgruppe der regierenden Volkspartei
(PPP), zeigte sich über die Festnahme des Mädchens besorgt. Der Fall sei
ein „offenkundiges Beispiel“ für den Missbrauch der Blasphemiegesetze. Sie
rief die Regierung dazu auf, sich umgehend des Falls anzunehmen. Die
Behörden hätten den Vorwürfen nachgehen sollen, bevor sie das Mädchen
festnahmen, fügte Shah hinzu.
„Alle politischen Parteien und religiösen Anführer müssen zusammenkommen
und eine Lösung in dieser Sache finden, die unter Minderheiten für
Unsicherheit sorgt.“ Viele Pakistaner zeigten sich in Internetforen
bestürzt über den Fall.
## Christen haben Angst
Berichte über die Festnahme des Mädchen versetzten viele pakistanische
Christen in Panik. Viele sind Nachkommen von Menschen aus den untersten
Schichten, die schon vor Generationen zum Christentum konvertierten. Daher
leben viele Christen in Slums. Aus einem dieser Slums in Islamabad flohen
bereits am Wochenende mehrere hundert Familien.
Die Sorgen sind berechtigt. Immer häufiger nehmen Mobs das Gesetz selbst in
die Hand, wenn Gerüchte über Fälle von Blasphemie kursieren. im Juli
stürmte eine Menschenmenge in der Stadt Bahawalpur im Südpunjab ein
Polizeirevier, zerrte einen offenbar geistig verwirrten Mann, der wegen
angeblicher Blasphemie festgenommen worden war, auf die Straße und
verbrannte ihn bei lebendigem Leib. Im Juni war es in Quetta und Karatschi
zu ähnlichen Vorfällen gekommen.
Kritiker sagen, übermäßig oft Mitglieder würden religiöse Minderheiten
wegen Blasphemie verfolgt. Viele, die in Verdacht geraten, werden ermordet.
Pakistans Blasphemiegesetze sind ein äußerst heikles Thema. 2011 wurden mit
dem Minderheitenminister Shahbaz Bhatti und dem Gouverneur von Punjab,
Salman Taseer, zwei Politiker ermordet, die es gewagt hatten, sich
öffentlich für eine Reform der Gesetze auszusprechen.
Dem Mörder von Taseer, Mumtaz Qadri, jubelten bei einem Gerichtstermin
Hunderte Anhänger zu. Religiöse Gruppen fordern seine Freilassung. Es gibt
mehrere Unterstützer-Websites und sogar eine Facebook-Fanseite für ihn.
Die Politikermorde versetzten Pakistans Elite in Schockstarre. Kaum ein
prominenter Pakistaner hat sich seitdem noch kritisch über die
Blasphemiegesetze geäußert. Zumindest das ändert sich nun seit der
Festnahme des Mädchens am Wochenende.
23 Aug 2012
## AUTOREN
Sascha Zastiral
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