# taz.de -- BREMEN-WAHL: Das kleinere Übel | |
> Bürger in Wut: Jan Timke darf erneut in der Bürgerschaft Wissensfragen | |
> stellen - und hält die NPD draußen. | |
Bild: Polizist in Wut: Gäbe es nicht Jan Timke, hätte es die NPD vielleicht i… | |
Jan Timke ist diesmal ein bisschen ein Held. Bei der Bremer Wahl vor vier | |
Jahren war der ehemalige Landesvorsitzende der Schill-Partei ja als der | |
ganz große Verlierer erschienen: Seiner Formation "Bürger in Wut" (BIW) | |
fehlte in Bremerhaven exakt eine Stimme zur Fünfprozenthürde in diesem | |
Wahlbereich. | |
Vorm Staatsgerichtshof aber hatte der Bundespolizist dann obsiegt und bei | |
einer Wiederholungswahl in einem Stimmbezirk im Sommer 08 das fehlende | |
Votum erobert. Also durfte er den Rest der Legislatur als | |
Einzelabgeordneter in der Bürgerschaft sitzen. Diesmal wars deutlich: Mit | |
3,8 Prozent zischten die Wutbürger im Land an der FDP vorbei, und in | |
Bremerhaven erhielten sie 7,1 Prozent, heißt es. Reicht also wieder für ein | |
Mandat. Aber wieder nur für eines. | |
Erhofft hatte Timke sich mehr: Vor allem die boulevardesken | |
Regionalschaufenster von RTL und Sat.1 inszenierten ihn als Kämpfer gegen | |
"kriminelle ausländische Clans", und ließen ihn dafür, das Kräuselhaar | |
eklatant gegelt, das Sakko über die Schulter, als Ordnungskraft durch eine | |
"Stadt in Angst" schlendern. So und ähnlich hießen nämlich die Beiträge. | |
Manche liefen sogar bundesweit. Sie kreisten um die Familie M., die mehrere | |
tausend Mitglieder und Einträge ins Vorstrafenregister haben soll. Im April | |
visierte Timke landesweit "sechs Prozent plus x" an. Damit wird nicht mehr | |
gerechnet. | |
Sitzt Timke also wieder allein im Parlament. Bislang hat er dort ein | |
Extra-Autokennzeichen für Bremerhaven gefordert und Wissensfragen gestellt. | |
Vielleicht werden die künftig mit mehr Nachsicht beantwortet, weil er sich | |
ums Land verdient gemacht hat - als das kleinere Übel. | |
Denn BIW dürften zum Misserfolg der NPD beigetragen haben. Dass in Bremen | |
"rechte Parteien" oft "bemerkenswerte Wahlerfolge erzielen konnten", hat | |
der Politologe Lothar Probst jüngst in einem Handbuch über "Politische | |
Institutionen, Wahlen und Parteien" des Zweistädtestaats dokumentiert. Sie | |
reichen von der Deutschen Partei, die in den 1950ern stets zweistellig war, | |
über die NPD-Fraktion der späten 1960er bis zur DVU. Für die zog Siegfried | |
Tittmann 1999, 2003 und 2007 ins Parlament ein - auf dem | |
Bremerhaven-Ticket. Das nutzt nun Timke. | |
Vor allem die NPD wollte in seinem Revier wildern. Kürzlich entdeckte deren | |
Wahlkampfteam den ersten Bremer CDU-Kandidaten mit türkischem Namen als | |
Ziel für Hetze. Doch über den in Hattingen geborenen Oghuzan Yazici kotzten | |
sich BIW-Fans schon seit Januar aus: Auf BIW-nahen Blogs schmähten sie den | |
Juristen, nachdem die taz ihn interviewt hatte. Mehrere nutzten die Attacke | |
zum Wahlaufruf für Timke. Der weiß, dass jede Stimme zählt. Und schwieg. | |
Obwohl sich BIW laut Programm "mit Entschiedenheit gegen Rassismus" wenden | |
wollen. Nun bleibt zwar jedes Übel ein Übel auch trotz Lippenbekenntnissen. | |
Und doch bleiben die ein markanter Unterschied zu Timkes offen | |
rechtsradikaler Konkurrenz. | |
23 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vor der Wahl in Bremen: Niemals ist das Land rechts | |
Noch nie hat in Bremen eine AfD-Fraktion eine Legislatur überdauert. Auch | |
wenn sich das nicht ändert, gibt es nicht unbedingt Grund zum Jubilieren. |