Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- BMX als Olympia-Disziplin: Spaß und Spiele
> Die Jugend der Welt trifft sich bei den Spielen. Hofft das IOC. Und nimmt
> deshalb Trendsportarten auf ins Programm. Das neueste Kindchen der
> Olympia-Familie: BMX
Bild: Ab Mittwoch fliegen BMX-Räder durch Pekings trübe Luft.
Auf der großen Rampe piept die Startuhr herunter. Roger Rinderknecht stürzt
sich hinab, Ellbogen raus, schon auf den ersten Metern kommt er mit seinen
Gegnern in Berührung. Doch er setzt sich durch und biegt als Erster in die
Kurve ein. Und die Flugshow beginnt: Es sind jene Bilder, mit denen die
Fernsehstationen die Einschaltquote während Olympia bei Jugendlichen wieder
heben wollen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC), das nach eigenem
Selbstverständnis alle vier Jahre ein Treffen der Jugend der Welt
organisiert, steht unter Modernisierungsdruck.
Nach dem Training sitzt Roger Rinderknecht in seiner Kabine, er trampelt
auf einem Standrad weiter, um auf Temperatur zu bleiben. Der Schweizer
trinkt ein isotonisches Getränk und verschlingt einen Müsliriegel.
Rinderknecht, 27, aus Winterthur ist einer von 48 Teilnehmern des
BMX-Wettbewerbes, der in Peking ab Mittwochmorgen seine olympische Premiere
feiern wird. Er hat seine Laufbahn begonnen wie viele seiner Kollegen. Sein
Vater hatte Karriere im Motocross gemacht, aber das war ihm später zu
gefährlich, zumindest für seinen Sohn. So setzte er Roger mit sechs auf
eines dieser berühmten 20-Zoll-Räder, die seit den Achtzigerjahren immer
beliebter wurden.
Auf der BMX-Anlage Laoshan, im Westen der chinesischen Hauptstadt gelegen,
vierzig Taximinuten vom Nationalstadion entfernt, erinnert nicht viel an
die olympische Rekordhatz. Die Berge sind nah und die Straßen in der
Umgebung sind weniger befahren. Inmitten dieses Idylls erhebt sich ein
grauer Kasten, an dessen Oberfläche zwei Dutzend Hügel und eine riesige
Startrampe errichtet worden sind. Aus den Lautsprechern dringen nicht die
eingängigen Orchesterpassagen, die bei jeder Siegerehrung gespielt werden,
sondern Rock- und Elektromusik. Die Kontrolleure nehmen es nicht so eng,
Journalisten und Fotografen spazieren munter über das Gelände. "Wir wollen
den Spielen etwas Frisches geben", sagt Roger Rinderknecht. Einen großen
Unterschied zu Leichtathleten oder Schwimmern sieht er nicht: "Auch wir
trainieren viel, achten auf Ernährung, Ausrüstung und Schlaf."
Seitdem die Olympischen Spiele der Neuzeit existieren, müssen sich die
Veranstalter für ihr Programm rechtfertigen. Welche Sportarten sind modern?
Welche sind nicht mehr zeitgemäß? Und welche verkörpern wirklich den Geist
der jeweiligen Epoche? So ist fast in Vergessenheit geraten, dass auch
Sackhüpfen, Seilklettern oder Tauziehen schon olympisch waren, achtzig
Jahre und mehr sind seitdem vergangen. 15 der 28 Sportarten sind länger als
100 Jahren im Programm. In Peking geben Baseball und Softball ihren
Abschied. Werden BMX-Rennen dafür einen Wandel markieren?
Mit dem Begriff Funsport können auf der Anlage Laoshan nicht alle Fahrer
etwas anfangen. Johan Lindström hat dafür eine Erklärung, der Schwede ist
im Weltradsportverband UCI für die BMX-Fahrer zuständig. "Schauen Sie sich
um", sagt er. "Hier geht es nicht nur um Spaß, sondern auch um Leistung und
Identifikation." Er würde eher von einem Trendsport sprechen. Doch wohin
führt dieser Trend? "Aus einer Sportart wird ein Lebensstil", glaubt
Lindström. BMX-Fahrer pflegen ihre Vorlieben in Musik, Kleidung,
Kommunikation und Gemeinschaftssinn.
Auch die Unabhängigkeit ist ihnen wichtig. Ähnlich war es bei den
Snowboardern, die bei den Winterspielen 1998 in Nagano ihr Debüt gaben. Und
vielleicht könnten in einigen Jahren auch Sportler auf dem Skateboard, dem
Wakeboard oder auf Wasserskiern durch die Olympischen Spiele brausen. Als
Kandidaten gelten auch die artistischen BMX-Kollegen im Freestyle.
Voraussetzung, die das IOC vorgibt: Sie müssen in einem Weltverband
organisiert sein.
Als Sammy Cools auf Vorurteile angesprochen wird, muss sie selbst lachen.
Sie trägt eine kurze Hose, Flipflops und eine Sonnenbrille im Haar,
entspannt sitzt sie auf ihrem Sattel und lässt die Arme herunterbaumeln.
"Es sieht vieles nach Spaß aus", sagt sie. "Aber es ist nicht alles nur
Spaß." Sammy Cools stammt aus der Nähe von Calgary, Kanada. Mit
Funsportarten in die Zukunft? Cools, 22, blickt ungläubig: "So einfach ist
die Sache nicht." Als sie drei Jahre alt war, haben ihre Eltern sie zum
ersten Mal auf ein Minirad gesetzt, seither ist sie davon nicht mehr
losgekommen. In der Pubertät begann sie, Wettkämpfe zu fahren, sie raste,
sprang, flog über die welligen Kurse, meistens kam sie sogar als Erste ins
Ziel. Der Unterschied zu den etablierten olympischen Sportarten? "Ich mache
alles freiwillig und ich genieße."
Sammy Cools trommelt auf ihren Lenker. Sie hat zuletzt viel über
chinesische Athleten gelesen, über ihre Kasernierung, ihr hartes Training,
ihre Pflicht zu siegen. Bei ihr war das anders. Ihre Eltern kauften ihr
gutes Material, sie fuhren sie zu Rennen, einmal bis nach Kalifornien. Oft
konnte sie die Schule nicht besuchen, dann hat sie sich nach dem Training
an die Bücher gesetzt. "Ich möchte Gold", sagt sie. "Aber die Welt würde
nicht untergehen, wenn ich es nicht schaffe." Sie wurde eine gute Fahrerin,
weil sie Spaß hatte, und sie hatte Spaß, weil sie eine gute Fahrerin war.
"Das bedeutet nicht, dass ich es nicht ernst nehme."
Cools ist wie Rinderknecht und die meisten Fahrerinnen und Fahrer seit
einigen Jahren Profi, auch dank Olympia. Sie hat es schwer, Sponsoren zu
finden, genauso wie Ringer, Bogenschützen oder Gewichtheber, aber
beschweren will sie sich nicht. "Wir müssen Ideen haben, aber auch Erfolg",
erzählt sie Cools. Sie und ihre Kollegen können viel von diesem
Sommerspielen lernen, aber die Spiele können auch einiges von ihnen lernen.
18 Aug 2008
## AUTOREN
Ronny Blaschke
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Deutscher Fußballbund (DFB)
Slopestyle
## ARTIKEL ZUM THEMA
Skaten bei Olympia: Fett mit Brett
Yuto Horigome möchte eine olympische Medaille im neuen
Skateboard-Wettbewerb gewinnen. Die nötige Gelassenheit dafür hat der
Japaner schon mal.
Zoff um Strandfußball: Halligalli im Sand
Es fallen jede Menge Tore: Mit einiger Verspätung entdeckt der DFB die
Funsportart Beachsoccer – und verprellt damit einen alteingesessenen
Verband.
Slopestyler Mayr über sein Olympia-Aus: „Das ist eine kleine Katastrophe“
Der Freeski-Fahrer Benedikt Mayr über seine Last-Minute-Ausladung für
Sotschi, den Rückstand der Deutschen und den Reiz der Bundeswehr.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.