# taz.de -- Atom-Demo in Hamburg: Geballter Widerstand | |
> Mehr als 50.000 Menschen aus Norddeutschland demonstrieren in Hamburg für | |
> die Stilllegung aller AKWs. Spektrum der Protestler reicht von Politikern | |
> über Gewerkschafter bis zu Bürgern aller Altersklassen. | |
Bild: Hamburg, überfüllt. Aber nicht mit Touristen, sondern mit AKW-Gegnern. | |
Um 14.15 Uhr ist es am Samstag auf dem Hamburger Rathausmarkt ganz ruhig, | |
obwohl sich mehr als 50.000 Atomkraftgegnern versammelt haben. Hamburgs | |
Bischof Jürgen Bollmann hat auf der Bühne des Anti-Atombündnisses zu einer | |
Mahnminute für die Opfer der nuklearen Katastrophe im japanischen Fukushima | |
aufgerufen. | |
Nur einige Geräusche aus den Kommerzmeilen Europapassage und | |
Mönckebergstraße stören die Stille. Doch dann beendet ein Kirchengeläut aus | |
der Umgebung die Innenschau. | |
"Das Schweigen in der Not für die Japaner steht nicht im Widerspruch zum | |
lautstarken Protest gegen die Atomenergie", sagt Bollmann nach der | |
Gedenkminute. In Japan sei für die Menschen in den vergangenen zwei Woche | |
"die Katastrophe zum Alltag" geworden, der "Horror" habe die | |
"Unversehrtheit an Körper und Seele" zerstört. " | |
Die Menschen müssen mit ihrem Grauen klarkommen", sagt Bollmann, genau wie | |
die Menschen vor 25 Jahren in der Umgebung des havarierten Atommeilers | |
Tschernobyl in der Ukraine. "Das, was in Japan passiert ist, darf nicht | |
auch hier passieren", mahnt Bollmann. | |
Neben der Anti-Atom-Bewegung haben sich auch die Gewerkschaften in den | |
Protest eingereiht. "Wir müssen so schnell wie möglich aus der | |
Atomkrafttechnologie aussteigen", fordert der niedersächsische IG | |
Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine. "Wir sagen laut und | |
unmissverständlich", bekräftigt der Gewerkschafter, "dass die Atomkraft | |
eine veraltete und rückwärts gewandte Technologie ist." | |
Vor 20 Jahre habe man sich über die Windkraftenergie "lächerlich" gemacht, | |
heute seien regenerative Energien aus Wind und Sonne eine eigene Branche, | |
erklärt Meine und fordert zum Schulterschluss auf. Denn noch immer | |
herrschten in Windkraftbranche und Solarindustrie "tariflose Zonen", sodass | |
die Menschen unter prekären Bedingungen arbeiten müssten. "Deshalb bitte | |
ich als Gewerkschafter um die Unterstützung der Anti-Atomkraft-Bewegung", | |
sagte Meine. | |
Jochen Stay von der Kampagne "ausgestrahlt" kündigt an, dass weitere | |
Proteste folgen werden. Wenn die Bundesregierung nach dem dreimonatigen | |
Moratorium und den Landtagswahlen nicht den Ausstieg aus der Atomenergie | |
verkünde, werde es Straßenblockaden an den Atommeilern geben. Sie würden | |
bereits von der Kampagne X-1000mal-Quer vorbereitet. "Widerstand kostet | |
nicht nur viel Kraft, er gibt auch Kraft", sagt Stay. | |
Zuvor ist der bunte Demonstrationszug aller Generationen und Schichten, | |
angeführt von einem Trecker mit Anhänger aus Gorleben, wo das umstrittene | |
atomare Zwischenlager ist, durch die Hamburger City gezogen. Auch | |
systemkritische Autonome waren dabei. "Kein Frieden mit den Verhältnissen - | |
Herrschende Verhältnisse abschalten", lautet ihre Losung. | |
Bis zuletzt hatte die Hamburger Polizei laut Veranstalter versucht, den | |
Atomprotest zu behindern und den rechtzeitigen Aufbau der Bühne auf dem | |
Rathausmarkt zu verhindern. | |
"Wir freuen uns aber, dass wir die Bürgerschaftspräsidentin Dorothee | |
Stapelfeld sowie den Bezirksamtsleiter Markus Schreiber davon überzeugen | |
konnten, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch auf dem | |
Rathausmarkt garantiert ist", sagt Demonstrations-Anmelder Bela Rogalla. | |
Sie hatten den frühen Bühnenaufbau genehmigt. | |
27 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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