# taz.de -- Auf einen Mojito und eine Schlägerei | |
> Rückblick Im Lindencorso war immer etwas los. Vier taz-AutorInnen | |
> erinnern sich an diesen Ort | |
## Der erste schwarze GI | |
Ich war nicht oft im Lindencorso. Das entsprach damals nicht meinem Budget | |
als Studentin und schon gar nicht meinen ausgewählten Ausgehplätzen. Nicht | |
dunkel genug, zu viel Torte, Kellner in weißen Hemden und schwarzen Westen. | |
Aber wenn ich dorthin ging, dann nur, um Mojito zu trinken. Den gab es | |
nicht immer und nur in wenigen Bars in Ostberlin der Achtziger. Im Palast | |
der Republik zum Beispiel und eben im Lindencorso. Der Mojito kostete ein | |
Vermögen, aber dafür bekam ich das Gefühl der Welt hinter diesem Drink. An | |
einem frühen Sommerabend bekam dieses Gefühl zusätzlich ein Gesicht: das | |
eines schwarzen GI. Er saß in Uniform und mit seiner Familie – weiße Frau, | |
drei kleine Kinder – am Nebentisch. Die Kinder krabbelten über die Stühle | |
und unter den Tisch, die Eltern bestellten Eis und Kaffee. Sie sprachen nur | |
Englisch, die Kellnerin nur Deutsch. Ich saß daneben, hörte zu und | |
reagierte nicht. Ich war zu fasziniert vom amerikanischen Akzent des Paars, | |
den Kindern, die machen durften, was sie wollten, und der Frau, die den | |
Buggy für das kleinste Kind hin- und herrückte. Es dauerte lange, bis die | |
Kellnerin der amerikanischen GI-Familie irgendetwas auf den Tisch stellte. | |
Ich habe vergessen, was es war. Es muss nicht das gewesen sein, was sie | |
glaubten, bestellt zu haben. Sie standen auf und gingen.That’s it! Simone | |
Schmollack | |
## Auf dem Weg nach Kuba | |
Im damaligen Hotel unter den Linden hab ich in der Nacht vom 6. auf den | |
7.März 1984 auf Kosten der „Cubana de Aviacion“ übernachtet, weil der | |
Flieger nach Havanna defekt war. Zum Essen gab es Kalbsmilch. Das Wecken | |
morgens war wie ein Appell beim Barras. Es gab – für Westberliner damals | |
ungewöhnlich – ein über Nacht geltendes Einreisevisum für die Hauptstadt | |
und 15 Mark zum Verprassen. Es war ein Faschingsdienstag. Im Hotel war | |
absolut nix los. Ich bin dann nachts nach Prenzlauer Berg und zufällig in | |
ein offenbar privat betriebenes Lokal. Es hieß bodega an der Ecke | |
Marienburger Straße/Prenzlauer Allee. Lauter Langhaarige in Jeans und | |
Lederjacke, Rockmusik und Freiheitsdrang. Ein unvergessener Eindruck auf | |
dem Weg nach Kuba. Andreas Bull | |
## Klatschen der Metallröhren | |
Das war ein wunderbarer Laden. Ich war oft dort, einmal mit Freunden von | |
der Ständigen Vertretung. Erst wollte man uns keinen Tisch geben, als wir | |
unsere Namen sagten, als aber die Ständige Vertretung erwähnt wurde, ging | |
alles reibungslos. Man gab uns einen Tisch an der Wand, an der eine | |
merkwürdige Lampe hing – mit zwei daran hängenden Kristallröhren, die am | |
Ende Metallstopfen hatten. „Aha“, meinte unser Freund, „Mikrofone.“ So | |
ließen wir die Kristallröhren während der ganzen Zeit | |
gegeneinanderschlagen, um die Aufnahme zu versauen. Das war auch ganz gut | |
so, denn in meiner Naivität erzählte ich den beiden, dass mich gerade auf | |
der Straße eine nette junge Frau angesprochen und gebeten hatte, 50 Ost- | |
gegen 50 Westmark zu tauschen – ich könnte ja das Restgeld bei der Ausreise | |
zurücktauschen, behauptete sie. Meine Freunde von der Ständigen Vertretung | |
sahen mich an, als hätte ich den Verstand verloren, und schlugen die | |
Kristallröhren noch fester zusammen. Ralf SotscheCk | |
## Eine gebrochene Nase | |
Hallo, da ist jemand! Ich hatte mein Fahrrad gerade noch rechtzeitig zum | |
Stehen gebracht. Um ein Haar wäre ich unter den Rädern eines rechts | |
abbiegenden Daihatsu Colt gelandet. Idiot! Ich schlage mit der Hand auf das | |
Autodach, und noch bevor ich ein eindeutiges Zeichen mit meinen Fingern | |
bilden kann, steigt ein Mann um die 60 aus und fragt: Was hältst du davon, | |
wenn ich dir eine Kugel durchs Gehirn blase?“ Ich antworte: „Dann kommen | |
Sie wahrscheinlich ins Gefängnis.“ Die Antwort macht den Mann wütend. | |
Sekunden später liege ich blutend mit gebrochenem Nasenbein auf der Straße. | |
Ein junger Mann drückt mir einen Zettel mit seiner Nummer in die Hand. Ein | |
Zeuge. Aus dem Café vor dem Ort des Geschehens starren mich ein paar Leute | |
an. Keiner tröstet mich. Die polnische Handynummer auf dem Zettel habe ich | |
nie gewählt. Der ältere Herr mit den schnellen Fäusten ist immer noch | |
unterwegs – irgendwo da draußen. | |
Andreas Rüttenauer | |
5 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
Andreas Bull | |
Ralf Sotscheck | |
Andreas Rüttenauer | |
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