Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anschlag in Uganda: Das mörderische WM-Finale
> Während des Endspiels um die Fußball-WM sprengen sich in der Hauptstadt
> Ugandas drei Attentäter in die Luft. Mindestens 74 Menschen sterben.
Bild: Ein unbekannter Verletzter liegt nach den Anschlägen im Mulago Krankenha…
KAMPALA taz | Es war während der Halbzeit, um 22.25 Uhr Ortszeit. In der
ugandischen Hauptstadt Kampala hockten die Leute dicht gedrängt in
Restaurants, Bars und Gärten, um das WM-Endspiel Spanien gegen Holland zu
gucken. So auch der Amerikaner Kris Sledge. Mit fünf Freunden aus seiner
Heimat Pennsylvania saß der 18-Jährige in einem äthiopischen
Gartenrestaurant. Stuhl an Stuhl drängten sich fast hundert Menschen vor
die Leinwand. Er wollte sich an seinem vorletzten Abend vor seiner
Heimreise das Finale ansehen - dann explodierte die erste Bombe.
Sledge steht noch unter Schock, als er in der Notaufnahme des zentralen
Krankenhauses Mulago erzählt. Sein gelbes Uganda-Trikot ist
blutverschmiert, sein linkes Auge zugeschwollen: "Die Bombe explodierte
direkt vor mir", erzählt er. Das rechte Knie ist offen bis auf die Knochen,
die Haut am linken Bein verbrannt. Er liegt auf auf einem Rollbett, daneben
steht ein Infusionsständer, ein Arzt schiebt ihn in den Operationssaal.
In der Notaufnahme des Mulago-Krankenhauses herrscht Chaos. Für solch eine
Notsituation ist auch das größte Hospital Ugandas nicht vorbereitet. Wie
viele Verletzte eingeliefert werden, das kann niemand sagen. Die Zahl der
Toten ist bis zum frühen Morgen unklar. Krankenschwestern leisten erste
Hilfe, legen Druckverbände, verabreichen Schmerzmittel. Ein Mann liegt in
einer Blutlache im Flur - ein Arzt fühlt den Puls und gibt dann einem
Pfleger einen Wink, den Leichnam wegzuräumen.
Das äthiopische Restaurant, in dem Sledge verletzt wurde, liegt mitten in
Kampalas Kneipenviertel Kabalagala. Eine Stunde nach der Explosion hat die
Polizei den Tatort bereits abgesperrt. Polizeichef Kale Kayihura verriegelt
das Tor zur Hofeinfahrt des Restaurants "Ethiopian Village". Er guckt
entsetzt. 14 Leichen hat er gezählt. Sein Mobiltelefon klingelt. In einem
Rugby-Club im Stadtzentrum, in welchem Großleinwände aufgestellt waren,
sind weitere Sprengsätze hochgegangen. "Das sieht nach koordinierten
Anschlägen aus", nickt er und eilt zu seinem Wagen. Gibt es Vermutungen,
wer die Attacken verübt hat?, rufen ihm die Journalisten hinterher. Kurz
bevor er den nächsten Anruf beantwortet, zählt er auf: "Ja, es gibt
verdächtige Gruppen: ADF, al-Shabaab oder al-Qaida", dann braust er davon.
Auf dem Rasen des Rugby-Feldes im Stadtzentrum herrscht gespenstische
Stille. Militärs und Polizisten haben Schaulustige vertrieben. Es riecht
nach verbranntem Fleisch. Hier gingen um 23.15 - in den letzten
Spielminuten - zwei Sprengsätze fast gleichzeitig hoch. Fast tausend
Fußballfans hatten sich vor der Leinwand zusammengedrängt. Direkt zwischen
ihnen explodierte eine Bombe. Der andere Sprengsatz ging im Klubhaus neben
der Theke hoch.
Noch vor Morgengrauen kommt ein Transporter vorgefahren. Die Scheinwerfer
erhellen den Boden. Erst dann wird das ganze Drama der Nacht sichtbar:
Leichen, Körperteile, Kleidungsstücke und Handtaschen liegen zwischen den
Stühlen zerstreut. 49 Tote zählt der verantwortliche Kommissar, der nicht
zitiert werden möchte. Doch wahrscheinlich seien es noch mehr, nickt ein
Mann in Zivil neben ihm, vermutlich vom Geheimdienst. Er schnappt sich ein
Mobiltelefon. Zwischen den Plastikstühlen kniet er nieder und macht Bilder:
Ein abgetrennter Kopf und Gliedmaßen - von dem Torso ist nichts zu sehen.
"Das waren zwei Selbstmordattentäter", sagt er überzeugt, "der Kopf sieht
aus wie ein Somali".
Diese Vermutungen will Regierungssprecher Fred Opolot bei der
Pressekonferenz am Montag nicht bekräftigen. Er bestätigt lediglich: drei
Sprengsätze und 64 Tote. Die Zahl steigt später weiter auf 74 Getötete.
Am Morgen sind die sonst staugeplagten Straßen Kampalas wie leergefegt. Die
Präsidentengarde hat nur wenig zu tun, die Fahrbahnen für Präsident Yoweri
Museveni frei zu machen. Polizisten und Leibwächter sind nervös. Selbst der
amerikanische Botschaftswagen mit einem FBI-Agenten wird nicht
durchgelassen - dabei unterstützen die US-Behörden die ugandische Polizei
bei den Ermittlungen.
Aus dem Dachfenster seines Geländewagens heraus spricht Museveni
schließlich zu den schockierten Ugandern, die am Rand entlang der
Hauptstraße stehen. Betroffen bekundet er Beileid. Dann wirkt er
entschlossen: "Warum greifen die Attentäter einfache Leute an, die sich
amüsieren? Warum suchen sie nicht Soldaten, um zu kämpfen?" Dann warnt er:
"Wir werden nach ihnen suchen und sie finden." Die Umstehenden jubeln.
13 Jul 2010
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## ARTIKEL ZUM THEMA
Terrorangst in Uganda: Aufmarschgebiet der Geheimdienste
Nach Anschlägen auf WM-Endspielzuschauer ist Kampala in Alarmbereitschaft.
Über 60 schwer bewaffnete FBI-Agenten gehen Ugandas Behörden zur Hand.
Anschläge in Uganda: Somalische Miliz bekennt sich schuldig
Somalias Krieg erreicht Uganda. Mindestens 74 Menschen sterben dort bei
drei Anschlägen. Die Al-Shabaab-Miliz aus Somalia reklamiert die
Urheberschaft der Attentate für sich.
Kommentar Anschläge in Uganda: Deutschland steckt tief mit drin
Nach den Anschlägen somalischer Islamisten in Uganda ist jetzt zu
befürchten, dass die Rache ebenso blutig sein wird.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.