# taz.de -- Abtreibung in Lateinamerika: Vorreiter Uruguay | |
> Abtreibung sollte in Uruguay in den ersten zwölf Wochen legalisiert | |
> werden. Dann legte der Präsident sein Veto ein. In Lateinamerika sterben | |
> jährlich tausende Frauen bei illegalen Abbrüchen. | |
Bild: Demonstrantin für Abtreibung in Uruguay: "Nein zum Veto. Mit Ja stimmen." | |
Uruguays Staatspräsident Tabaré Vázquez ist aus der Sozialistischen Partei | |
ausgetreten. Er zog damit die Konsequenz aus der harschen Kritik seiner | |
Partei an seinem Präsidentenveto gegen eine Neureglung des | |
Abtreibungsrechts. Seine Genossen hatten ihm in dieser Frage die | |
Gefolgschaft verweigert und angekündigt, ein nach Vázquez kommende | |
Regierung bei der Lockerung des Abtreibungsrechts zu unterstützen. Jetzt | |
gab Vázquez nach 25 Jahren Mitgliedschaft sein Parteibuch zurück. | |
Der Präsident hatte Mitte November das neue Abtreibungsgesetz mit seinem | |
Veto gestoppt, nachdem es bereits alle parlamentarischen Hürden genommen | |
hatte. Bei einer Anwendung der Neuregelung wäre das Land Vorreiter in | |
Lateinamerika. Nach dem neuen Gesetz kann die Frau in den ersten zwölf | |
Wochen die Schwangerschaft abbrechen. Dabei trifft die Frau die | |
Entscheidung und legt dem behandelnden Arzt die Gründe dar. Das Gesetz | |
benennt die ökonomischen, sozialen oder familiären Bedingungen, unter denen | |
ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist. Nach der 12. Woche bleibt er | |
strafbar, mit zwei Ausnahmen: wenn eine Gefahr für das Leben der Mutter | |
oder des Fötus besteht. | |
Das neue Gesetz soll die bestehende Regelung aus dem Jahr 1938 ablösen. | |
Danach ist ein legaler Schwangerschaftsabbruch nur bei akuter Gefahr für | |
das Leben der Mutter und nach einer Vergewaltigung möglich. | |
Frauenorganisationen schätzen jedoch, dass jährlich rund 35.000 illegale | |
Abtreibungen vorgenommen werden. Die oft unfachgemäßen Eingriffe unter | |
unhygienischen Bedingungen können große Komplikationen zur Folge haben. | |
So oder so ähnlich sind die Verhältnisse in den meisten Ländern | |
Lateinamerikas. Fast immer ist ein Schwangerschaftsabbruch nur legal, wenn | |
das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet ist – in El Salvador und | |
Nicaragua nicht einmal das. Die Gesetzeslage in Costa Rica, Guatemala, | |
Haiti, Paraguay, Peru und Venezuela sieht keine weiteren Ausnahmen vor, | |
auch nicht bei Vergewaltigung. In Peru, Venezuela, Honduras und Chile ist | |
zumindest die "Pille danach" legalisiert. Die Weltgesundheitsorganisation | |
WHO schätzt die Zahl unerlaubter Schwangerschaftsabbrüche in Lateinamerika | |
auf jährlich 3,7 Millionen. Für 4.000 bis 6.000 Frauen endet der | |
klandestine Eingriff tödlich. | |
In Argentinien etwa wird Abtreibung seit 1921 strafrechtlich verfolgt. Bei | |
einem Schwangerschaftsabbruch droht eine Haftstrafe bis zu vier Jahren. | |
Ausnahmen sieht das Gesetz vor, wenn eine gesundheitliche Gefahr für die | |
Schwangere besteht oder eine geistig verwirrte Frau vergewaltigt wurde. | |
Nach Schätzungen werden jährlich bis zu 500.000 illegale | |
Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Komplikationen nach verbotenen | |
Abtreibungen sind mit knapp 30 Prozent die häufigste Todesursache bei | |
Schwangeren. Vor drei Jahren startete eine Kampagne für das Recht auf | |
legale, medizinische vorgenommene und kostenfreie Abtreibung. Im Mai 2007 | |
wurde dem Kongress ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt. Passiert | |
ist seither wenig. | |
Auch in Brasilien die Möglichkeit der legalen Abtreibung nur gegeben, wenn | |
das Leben der Mutter in Gefahr ist oder wenn die Schwangerschaft Folge | |
einer Vergewaltigung war. Ansonsten gilt die Abtreibung als Vergehen, das | |
mit bis zu 4 Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Nach allgemeinen | |
Schätzungen kommt es jährlich zu 1,5 Millionen illegalen | |
Schwangerschaftsabbrüchen. Ein Gesetzesentwurf zur Legalisierung wurde im | |
Juli 2008 von einer Kommission des Abgeordnetenhauses abgeschmettert. | |
Umfragen zufolge sollen zudem rund zwei Drittel der Bevölkerung gegen eine | |
weitergehende Legalisierung sein. | |
Die Debatte in Uruguay wird in ganz Lateinamerika aufmerksam verfolgt. Zwar | |
kam die notwendige Drei-Fünftel-Mehrheit im Kongress nicht zustande, mit | |
der das Präsidentenveto hätte überstimmt werden können, aber das Thema wird | |
im Kampf um die Präsidentschaftswahl im Oktober 2009 eine wichtige Rolle | |
spielen. | |
5 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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