# taz.de -- ARD-Doku über Schäuble und Kohl: Ende einer Dienstfahrt | |
> Man redet nicht mehr miteinander: In ihrer "Duelle"-Reihe widmet sich die | |
> ARD am Montag (21 Uhr) dem Verhältnis von Helmut Kohl und Wolfgang | |
> Schäuble. | |
Bild: Nervöse Intelligenz und raumgreifende Selbstgefälligkeit: Schäuble und… | |
Am 18. Januar 2000 besucht Wolfgang Schäuble zum letzten Mal Helmut Kohl. | |
Schäuble ist damals CDU-Vorsitzender. Die Partei steht unter Feuer, weil | |
Kohl illegal Millionenspenden kassiert hat und sich weigert, wenigstens die | |
Namen der Spender zu nennen. Am Morgen dieses 18. Januar versucht Schäuble | |
ein letztes Mal, Kohl zu überreden, die Namen doch noch preiszugeben. | |
Vergeblich. "Wir werden unsere Beziehung für immer beenden", sagt Schäuble. | |
Es ist nach 30 Jahren das Ende einer Freundschaft. Kohl sagt später, er | |
habe nie einen solchen Hass gespürt. Diese Geschichte handelt von Aufstieg | |
und Fall, Treue und Verrat, Konkurrenz und Unversöhnlichkeit. Dieser | |
Konflikt hatte, sagt der Grüne Hans-Christian Ströbele, "etwas von einem | |
shakespeareschen Drama." | |
Die Autoren Jean-Christoph Caron und Stephan Lamby erzählen es recht brav | |
und chronologisch: 1973 wird Kohl, damals ein entschlossener | |
Parteireformer, CDU-Chef. Schon hier gehört Schäuble, ein junger, | |
ehrgeiziger Jurist, zu seiner Seilschaft. Man sieht Archivaufnahmen aus | |
dieser Zeit: Schäuble im Bundestag, ein junger Mann mit hellen Haaren, | |
einer nervösen Intelligenz und etwas Asketischem um die Mundwinkel. Kohl | |
wirkt schon damals, wie man ihn kennt: behäbig, raumgreifend, | |
selbstgefällig. Als Kohl 1982 Kanzler wird, wird Schäuble Chef des | |
Kanzleramts. | |
Um Schäubles Aufstieg zu symbolisieren, zeigt der Film, wie er eine Treppe | |
hinaufgeht. Es ist diese Art von geistloser Metaphorisierung, die einem das | |
TV-Politfeature verleiden kann. Schäuble ist Kohls treuer Vasall, der | |
hilft, Heiner Geißlers Putschversuch 1989 niederzuschlagen, und der in der | |
Flick-Spendenaffäre Zeugen nahelegt, sich lieber nicht so genau zu | |
erinnern. Er liefert, was Kohl will: 150-prozentige Loyalität. "Die Nummer | |
eins muss unbeschädigt bleiben", sagt Schäuble. | |
Das Drama beginnt, als Schäuble die Dienerrolle zu eng wird. In den 90er | |
Jahren wird er zum ewigen Kronprinzen, den Kohl mit einer nicht geringen | |
Lust hinhält. Mal kündigt der Kanzler an, 1998 nicht mehr als Kandidat | |
anzutreten, dann überlegt er sich es wieder anders. Schäuble sagt heute: | |
"Ich wusste immer, das er nicht von alleine geht." Beim Spendenskandal 2000 | |
zieht Kohl ihn mit in den Abgrund. Schäuble ist bis heute | |
verständlicherweise unversöhnlich: "Ich will nichts mehr mit ihm zu tun | |
haben", sagt er. | |
Das Geschehen ist solide recherchiert, die Bilder sind meist aus dem | |
Archiv. In den neugeführten Interviews kommen fast alle vor: Jürgen | |
Rüttgers und Brigitte Baumeister, Rita Süssmuth und Heiner Geißler. Aber | |
Neues kommt nicht zutage, auch kein prägnanter Satz. Diesen Mangel an | |
Verdichtung versucht der Kommentar durch Überdramatisierungen zu | |
überspielen. "Ein Duell ohne Gnade", tönt es finster im Off. Gnadenlos ist | |
hier vor allem die Neigung zum sprachlichen Klischee. | |
Manchmal greift zu dunkel dräuendem Geigenklängen eine Hand zu einem | |
Telefonhörer. Offenbar sollen mittels solcher Nachinszenierung die | |
Intrigen, die gesponnen werden, sichtbar gemacht werden. Man bemüht sich um | |
einen Hauch von Politthriller-Feeling, will Politik in die Bilderwelt der | |
Fiktion übersetzen, Spannung erzeugen. Schlimm ist in diesem Fall nicht der | |
Versuch, sondern dessen klägliches Scheitern. | |
Am interessantesten ist dieser Film, wenn er mal Atem holt und die | |
nervtötende Dynamisierung der Archivbilder und das Überlappen der | |
Interviewtöne mit neuen Bildern beiseitelässt. In den 90ern gibt es einen | |
Fototermin mit den Konkurrenten, es soll Einigkeit demonstriert werden. | |
Schäuble kommt im Pullunder, Kohl holt schnell noch seine Strickjacke, um | |
genauso gelassen und häuslich zu wirken. Die Gesichter der beiden auf dem | |
Schwarzweißbild erzählen mehr als der Off-Kommentar. | |
ARD-Chefredakteur Thomas Baumann hat diesen Film bei der Pressevorführung | |
als "idealtypisches Informationsfernsehen" gelobt. Das lässt nichts Gutes | |
hoffen. Übersetzt heißt es wohl: Die ARD ist nicht nur so routiniert und | |
ideenlos wie dieser Film. Sie will es auch sein. | |
24 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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