# taz.de -- Photovoltaik an der Grenze der Wirtschaftlichkeit: Solar gewinnt! | |
> Alle Verhinderungsversuche sind grandios gescheitert: Die Solarbranche | |
> ist dynamisch und der Siegeszug des Solarstroms ist in Deutschland nicht | |
> mehr zu stoppen. | |
Bild: Die Gegner des Solarzeitalters sind grandios gescheitert. Photovoltaik le… | |
Und wieder ein neuer Rekordwert: Photovoltaikanlagen mit zusammen 4.370 | |
Megawatt wurden im ersten Halbjahr 2012 in Deutschland ans Netz gebracht – | |
mehr als je zuvor im Vergleichszeitraum. Und so könnte das Jahr 2012 auch | |
in der Summe den bisherigen Spitzenwert von neuinstallierten 7.500 Megawatt | |
(2011) übertreffen. Offenkundig konnten also selbst massive Kürzungen der | |
Einspeisevergütungen den Markt nicht bremsen. | |
Man kann es nicht mehr anders sagen: Die Gegner des Solarzeitalters sind | |
grandios gescheitert. Allen voran Wirtschaftsminister Rösler, der den Zubau | |
an Solarstromanlagen auf 1.000 Megawatt pro Jahr begrenzen wollte. Oder | |
andere Politiker, die einen jährlichen „Korridor zwischen 2.500 und 3.500 | |
Megawatt“ anpeilen. Nachdem dieser Korridor auch 2012 wieder eindrucksvoll | |
gesprengt wird, ist es an der Zeit anzuerkennen, dass die Photovoltaik sich | |
nicht mehr kleinkriegen lässt. Sie wird vielmehr in Kürze auf eigenen | |
Beinen stehen – da kann die Politik sich noch so sehr auf den Kopf stellen. | |
Jawohl, die Botschaft ist so schlicht, und doch wird sie oft verkannt: | |
Photovoltaik operiert heute hart der Grenze der Wirtschaftlichkeit. Und je | |
mehr die Politik versucht diese Technik zu bremsen, umso schneller und | |
furioser wird sie am Ende die Schwelle der Rentabilität überschreiten. Geht | |
die Politik zu rabiat vor, wird zwar am Ende die deutsche Solarbranche auf | |
der Strecke bleiben, doch der Siegeszug des Solarstroms an sich ist in | |
Deutschland nicht mehr zu stoppen. | |
Die Gegner der Solarkraft haben die deutliche Sprache der Ökonomie nie | |
verstehen wollen. Mit bizarren Kalkulationen haben sie von jeher versucht, | |
die Photovoltaik unwirtschaftlicher zu rechnen, als sie de facto ist. Gerne | |
genommen: der Strompreis im Großhandel als Referenz. Der nämlich liegt bei | |
nur rund 5 Cent je Kilowattstunde; daran bemessen ist Solarstrom auch heute | |
mit Preisen von rund 16 Cent aus Neuanlagen tatsächlich noch teurer. Doch | |
der Vergleich ist ein Phantom, völlig irrelevant. | |
## Hochgradig wirtschaftlich | |
Der Hausbesitzer nämlich rechnet völlig anders: Nutzt er Strom vom Dach, | |
spart er rund 24 Cent für jede nicht aus dem Netz bezogene Kilowattstunde. | |
Somit ist der selbst genutzte Solarstrom längst hochgradig wirtschaftlich. | |
Nun kann ein Privathaushalt zwar nie den gesamten Strom vom Dach nutzen | |
(außer mit Speichern, aber die kosten wieder Geld). Doch auch der | |
überschüssige Strom ist noch mehr wert als die 5 Cent an der Börse. Zum | |
Beispiel als Wärmequelle: Wer mit dem restlichen Solarstrom sein | |
Brauchwasser erwärmt und so Heizöl spart, kann sich einen Wert von aktuell | |
9 Cent je Kilowattstunde gegenrechnen. | |
Alles Weitere ist pure Arithmetik. Verbraucht ein Haushalt ein Drittel | |
seines Solarstroms anstelle von Netzstrom und verheizt die verbleibenden | |
zwei Drittel anstelle von Öl, ergibt sich ein gemittelter Gegenwert des | |
Solarstroms von etwa 14 Cent je Kilowattstunde. Gelingt es gar mit der | |
Hälfte des Solarstroms Netzstrom zu ersetzen, bringt jede Kilowattstunde | |
vom Dach 16 bis 17 Cent ein. Damit ist die Photovoltaik auch ohne | |
Subvention und Einspeisevergütung eine wirtschaftliche Alternative. Und | |
jede weitere Steigerung der Öl- und Gaspreise macht sie noch attraktiver. | |
Damit ist die Frage, über die Politik heute noch entscheiden kann, längst | |
nicht mehr die, ob der Photovoltaikausbau rasant weitergeht – dieses Thema | |
ist durch. Entscheiden kann die Politik nur noch, wie sinnvoll sich das | |
Energiesystem als ganzes entwickeln wird. Denn die individuellen | |
Investitionsentscheidungen sind nicht per se für das Gesamtsystem optimal. | |
So kann das Verheizen von Solarstrom per Tauchsieder zwar aus | |
wirtschaftlicher Sicht eine attraktive Alternative sein, aber kaum aus | |
Sicht der Thermodynamik, wonach Strom grundsätzlich zu wertvoll ist, um ihn | |
in schlichte Wärme umzusetzen. | |
## Die Weiterentwicklung im Blick | |
Die relevante Frage, der sich die Politik stellen muss, ist daher allein | |
diese: Wie entwickeln wir unsere Stromversorgung sinnvoll weiter? | |
Stattdessen wird die Debatte gelähmt durch Politiker und Lobbyisten der | |
etablierten Energiewirtschaft, die Photovoltaik noch immer als unrentable | |
Energiequelle diskutieren und diskreditieren – während Solarforschung und | |
Solarhandwerk längst einen sich selbst tragenden Solarmarkt im Blick haben. | |
Wer mit Solarinstallateuren und Solarforschern spricht, spürt diese | |
Dynamik. Man trifft auf Menschen, die nicht mehr länger um | |
Einspeisevergütungen kämpfen wollen. Auf Menschen, die an Konzepten | |
arbeiten, um den Eigenverbrauch möglichst hoch zu bringen. Auf Menschen, | |
die plötzlich auch das Wort Energieautarkie im Munde führen. | |
Und deswegen blicken natürlich alle auf das Thema Stromspeicher, hoffend, | |
dass die technische Entwicklung der Speicher voranschreitet und die Preise | |
weiter sinken. Alle Solarfirmen arbeiten derzeit an solchen Systemen, weil | |
damit der eleganteste Absprung in die Wirtschaftlichkeit möglich wäre. | |
Auch hier ist die Rechnung banal: Heute ist Strom vom Dach etwa 8 Cent | |
billiger als Strom aus der Steckdose. Speicher sind also wirtschaftlich, | |
wenn sie inklusive Batterieverschleiß die Kilowattstunde für 8 Cent | |
zwischenspeichern können. Schon bald wird die Differenz bei 15 Cent liegen, | |
denn Solarstrom wird immer billiger, Netzstrom aber teurer. Damit ist es | |
nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Stromspeicher im Keller lohnen. | |
Und dann wird es spannend. Man wird erleben, wie sich erste Häuser von der | |
allgemeinen Stromversorgung weitgehend abklemmen – und die Photovoltaik | |
gewissermaßen wieder dort ankommt, wo sie einst begann. In den achtziger | |
Jahren bauten Solarpioniere sogenannte Inselanlagen mit Batterie, weil die | |
Stromversorger sich weigerten, den Strom abzunehmen. In Zukunft werden | |
Bürger ihren Solarstrom speichern, weil sie ihn zu lausigen | |
Einspeisekonditionen nicht mehr hergeben wollen. Und das Ganze wird | |
wirtschaftlich sein, egal welchen Korridor die Konservativen sich dann | |
wieder ausdenken. | |
10 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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