# taz.de -- Streit um Rückkauf der Energienetze: Experten gegen Scholz-Senat | |
> Fachleute lassen vor der Bürgerschaft kein gutes Haar an Verträgen mit | |
> Eon und Vattenfall. Gewerkschaft sieht Mitarbeiter von Netzinitiative | |
> diffamiert. | |
Bild: Für den vollständigen Rückkauf der Energienetze: Vertreter der Initiat… | |
Wenn er für einen seiner Kunden einen solchen Vertrag aushandeln solle, | |
„würde ich als Berater aussteigen“, stellte der Ingenieur Wolfgang Zander | |
vom Aachener Büro für Energiewirtschaft klar. Er müsse ja auf seinen Ruf | |
achten. Auch die anderen vier Fachleute auf dem Expertenhearing der | |
Bürgerschaft über die Energieverträge des SPD-Senats mit den Konzernen | |
Vattenfall und Eon ließen kaum ein gutes Haar an den Vereinbarungen. „Was | |
für eine Watsche“, seufzte ein SPD-Abgeordneter entsetzt. | |
Hamburg will für 543,5 Millionen Euro je 25,1 Prozent an drei | |
Gesellschaften erwerben, welche die Netze für Strom, Gas und Fernwärme | |
betreiben sollen. Jeweils eine Dreiviertelmehrheit soll bei den beiden | |
Energieversorgern liegen. Damit will die Stadt „strategischen Einfluss“ auf | |
die Energiepolitik nehmen und die Energiewende vorantreiben, hatte | |
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bei der Vorstellung der Verträge im | |
November vorigen Jahres erklärt. Das Ansinnen eines Volksbegehrens, die | |
Netze zu 100 Prozent in kommunale Hand zurückzukaufen, hatte er als „nicht | |
bezahlbar“ abgelehnt. | |
Die Experten hingegen kritisierten am Donnerstagabend im Rathaus die zu | |
geringen Einflussrechte der Stadt auf die Gesellschaften. Zudem sei der | |
Kaufpreis wegen eines Rücktrittsrechts von Vattenfall und Eon eher eine | |
zinsgünstige städtische Anleihe für die Konzerne. Und die Überlassung des | |
Fernwärmenetzes an Vattenfall für immer würde „Generationen belasten“, so | |
der Berliner Energieberater Ben Schlemmermeier: „Ich würde das an Ihrer | |
Stelle nie so entscheiden“, riet er den Abgeordneten. | |
Selbst die beiden von der SPD nominierten Experten äußerten sich nur | |
reserviert. Die Regierungspartei hatte ohnehin Probleme gehabt, überhaupt | |
Fachleute zu finden, die ihre Position stützen könnten. So hatte der | |
Verband kommunaler Unternehmen, die Interessenvertretung von etwa 1.400 | |
deutschen Stadtwerken, eine SPD-Anfrage mit der Begründung abgelehnt, die | |
Verträge nicht befürworten zu können. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel | |
kündigte am Freitag an, die Anhörung „sorgfältig auszuwerten“ und eventu… | |
vor der Abstimmung im Parlament im April „nachzujustieren“. | |
Unterdessen werfen die Gewerkschaft Ver.di und der Betriebsrat von Eon der | |
Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ vor, die Belegschaft der | |
Energiekonzerne zu verunglimpfen. Auf einer Aktionspostkarte werden | |
Vattenfall und Eon als Spinnen dargestellt, die Hamburg aussaugen. Die | |
Mitarbeiter seien „entsetzt und empört“, so Betriebsratschef Thies Hansen, | |
„als blutsaugende Spinnen“ diffamiert zu werden. | |
23 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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