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# taz.de -- Video der Woche: Filmrolle spielt die Hauptfilmrolle
> Kunst braucht Zeit. Der holländische Künstler Johan Rijpman beschleunigt
> sie und schafft es so, Banales in Beeindruckendes zu verwandeln.
Bild: Klebestreifen mit Eigenleben: Ausschnitt aus dem Video.
BERLIN taz | Die Hand eines jungen Mannes pappt einen handelsüblichen
Klebestreifen an die Decke. Die dazugehörige Rolle reißt er nicht ab,
sondern lässt sie an dem Streifen baumeln. Unruhig wippt sie in einer
Zeitrafferaufnahme hin und her, bis sie zur Ruhe kommt.
An dieser Stelle beginnt das eigentliche Schauspiel: Die Rolle zieht mit
ihrem Eigengewicht den Klebestreifen langsam von der Decke ab und wird auf
ihrem Weg Richtung Boden von der Kamera verfolgt. Dabei ist das typische
Knarzen zu hören, das jeder kennt, der schon mal ein Poster von der Wand
abgezogen hat.
Die Handlung selbst ist an Banalität kaum zu übertreffen, aber durch die
Kombination aus Licht, Geräusch und Zeitverzerrung gewinnt sie an
ästhetischer Tiefe. Auf die erste Kleberolle folgt eine zweite und schon
hängt die Decke voll mit einem komplexen Muster aus Rollen, die sich in
einer Kettenreaktion gegenseitig beeinflussen, während sie Richtung Boden
wandern.
Einem Kaleidoskop ähnlich entstehen dabei immer neue Formen und Varianten.
Einmal kommen die Rollen dem Betrachter entgegen, ein andermal wandern sie
scheinbar schwerelos in die Höhe, verharren in ihrer Position, drehen sich
und wandern dann erst weiter bis sie unweigerlich zu Boden fallen.
## Jede Rolle hat eigene Geschwindigkeit
Die Hand des jungen Mannes gehört Johan Rijpman. Einem Künstler, Jahrgang
1984, der viel Zeit in den zweieinhalbminütigen Clip investiert hat. "Eines
Nachts habe ich Zeichnungen mit Klebestreifen in mein Notizbuch geklebt.
Das mache ich öfter mal und danach pappe ich die Rolle immer an den Rand
meines Schreibtisches", erklärt der Holländer.
"Ich habe mich schlafen gelegt und als ich am nächsten Tag aufgewacht bin,
ist mir aufgefallen, dass sich die Kleberolle von selbst fast bis auf den
Boden hin ausgerollt hatte. Ich arbeite schon lange mit Klebeband, aber ich
hatte nie bemerkt, dass es, während ich esse oder schlafe, ein geheimes
Eigenleben entwickelt."
Von dieser Entdeckung fasziniert, begann Rijpman mit den Tesarollen zu
experimentieren und merkte schnell, dass jede Rolle, obwohl auf den ersten
Blick nicht voneinander zu unterscheiden, ihre ganz eigene Geschwindigkeit
beim Abrollen hatte.
"Daher habe ich mich gefragt, welche Kompositionen mit einer großen Zahl
dieser Kleberollen erzeugt werden könnten. Die einzige Möglichkeit das
herauszufinden, bestand darin, es auszuprobieren. Also ging ich in den
Laden und kaufte ungefähr 600 Rollen Klebestreifen."
## Stundenlang in Wind und Regen
In den darauf folgenden sechs Monaten hat Rijpman immer neue Kombinationen
ausprobiert, wobei eine einzelne schon mal zwölf Stunden Zeit in Anspruch
nehmen konnte.
Besonders für die letzte Aufnahme, in der die Rollen auf einer rotierenden
Scheibe sitzen, hat er großen Aufwand betrieben: "Die Scheibe habe ich alle
dreißig Sekunden um etwa 0,4 Grad von Hand gedreht. Das heißt, ich stand
stundenlang in Wind und Regen, habe das Klebeband "wachsen" und die Sonne
auf und untergehen sehen", antwortet Rijpman einer Userin auf die Frage,
wie er den Effekt zustande bekommen habe.
Der Aufwand hat sich aber gelohnt. Seit zwei Wochen ist Tape Generations
online und wurde alleine bei vimeo schon rund eine halbe Millionen Mal
geklickt. Johan Rijpman freut sich über die Aufmerksamkeit: "Ich hätte aber
nie erwartet, dass so viele Leute meine Begeisterung für die simple
Entdeckung teilen, dass sich Kleberollen langsam bewegen, während man
schläft."
23 Sep 2011
## AUTOREN
Sebastian Fischer
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