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# taz.de -- Haushaltsrede in Großbritannien: Labour-Regierung setzt auf mehr S…
> Die britische Finanzministerin Rachel Reeves verkündet höhere Ausgaben –
> und höhere Steuern. Das soll Kritik von links den Wind aus den Segeln
> nehmen.
Bild: Der kleine rote Koffer ist gepackt: Rachel Reeves, britische Finanzminist…
„Keine Austerität, keine leichtsinnige Kreditaufnahme“ sei ihr Grundsatz,
sagte die britische Labour-Finanzministerin Rachel Reeves am
Mittwochnachmittag, „sondern geringere Schulden, geringere Wartezeiten,
geringere Lebenshaltungskosten“. [1][Reeves’ Haushaltsrede] im britischen
Unterhaus wurde von vielen als letzte Überlebenschance für [2][die
kriselnde Regierung von Premierminister Keir Starmer] angesehen.
Entsprechend selbstbewusst war ihr Auftritt, garniert mit persönlichen
Angriffen. Sie sorge für das größte Wirtschaftswachstum binnen einer
Generation, mit Investitionen in Verkehr, Energie, Wohnungsbau, Sicherheit
sowie in die Bildung, so Reeves. „Mit alledem können wir ein faireres,
stärkeres und sichereres Großbritannien aufbauen.“
Spektakulärste Maßnahme ist die Aufhebung der geltenden Begrenzung des
Kindergelds auf zwei Kinder pro Familie – die größte Sozialhilfeänderung
innerhalb einer Legislaturperiode überhaupt, wie Reeves behauptete. Sie
sparte sich diese Ankündigung für das Ende ihrer Rede auf, und die gesamte
Labour-Fraktion jubelte laut.
Als Labour im Juli 2024 an die Macht kam, waren sieben linke
Hinterbänkler:innen aus der Fraktion ausgeschlossen worden, weil sie
diese Maßnahme gefordert hatten. Jetzt ist es Regierungspolitik – und bis
auf Zarah Sultana, die mit Alt-Labour-Chef Jeremy Corbyn [3][eine neue
sozialistische Partei aufbauen] will, sitzen alle Abweichler wieder auf den
Labour-Bänken im Unterhaus.
Die Ausweitung des Kindergelds wird laut Reeves 450.000 britische Kinder
aus der Armut heben. Zusätzlich kommen 2,7 Millionen Brit:innen in den
Genuss einer kräftigen Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Für Menschen
über 21 steigt er ab April 2026 von 12,21 auf 12,71 Pfund pro Stunde, für
jüngere von 10 auf 10,81 Pfund. Steigen werden auch alle Sozialhilfen um
die Inflationsrate, die derzeit bei 3,6 Prozent liegt, und die staatliche
Grundrente sogar um 4,8 Prozent.
## „Technischer“ Bruch von Wahlversprechen
Die Labour-Regierung wird weiter in die Wiederverstaatlichung des
Bahnwesens und in ihr Versprechen von 1,5 Millionen neuen Wohnungen
investieren und die Verteidigungsausgaben auf 2,6 Prozent des BIP bis April
2027 steigern. Verkündet wurden auch höhere Zuwendungen an die
Regionalregierungen in Nordirland, Wales und Schottland.
Um das von all diesen Mehrausgaben gerissene Finanzloch von 30 Milliarden
Pfund zu schließen, bricht Reeves technisch das zentrale
[4][Labour-Wahlversprechen], die Steuern für „arbeitende Menschen“ nicht zu
erhöhen, also weder Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer noch
Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer:innen. Der Steuerfreibetrag
für die Einkommenssteuer sowie die Beträge, ab denen die Steuersätze
steigen, bleiben drei Jahre länger eingefroren als bisher geplant, nämlich
bis 2031. Mehr und mehr Menschen werden also den Spitzensteuersatz von 40
beziehungsweise 45 Prozent zahlen müssen, da die Löhne steigen.
Mit vielen anderen Maßnahmen werden vor allem Bessergestellte zur Kasse
gebeten. So müssen Besitzer:innen von Immobilien im Wert von mehr als 2
Millionen Pfund, was in Teilen von London keine Seltenheit ist, in Zukunft
eine Sondersteuer zahlen, die sich bei Immobilien über 5 Millionen Pfund
noch erhöht. Steuerfreibeträge auf private Altersvorsorge werden abgesenkt.
Insgesamt beinhaltet Reeves’ Haushalt Steuererhöhungen von 26 Milliarden
Pfund im nächsten Jahr, sagen Wirtschaftsexperten. Laut der amtlichen
unabhängigen Haushaltsprüfstelle Office of Budget Responsibility (OBR)
werden bereits 2027 vier Millionen Menschen mehr in der höchsten
Steuerklasse liegen als heute, die Maßnahme könnt laut OBR bis Ende der
laufenden Legislaturperiode fast 48 Milliarden Pfund einbringen.
In einem bemerkenswerten Vorgang war [5][die über 200 Seiten lange
OBR-Haushaltseinschätzung] eine halbe Stunde vor Reeves’ Auftritt geleakt
worden. Das Amt nahm das Dokument erst einmal wieder von seiner Webseite,
aber mehrere Medien hatten es da schon veröffentlicht. Bevor Reeves
sprechen durfte, gab es eine Rüge der stellvertretenden Unterhaussprecherin
Nus Ghani, die auch kritisierte, wie viele Maßnahmen die Regierung selbst
schon vorab gestreut hatte.
[6][Das OBR-Gutachten] ist für die Regierung nicht vorteilhaft. Es senkt
die Wachstumsprognose für die britische Wirtschaft für den Durchschnitt der
kommenden Jahre von 1,8 auf 1,5 Prozent und rechnet vor, dass die
Steuerquote in Großbritannien bis 2030 ein Rekordniveau von 38,3 Prozent
erreichen wird. Gleichzeitig steigt die Gesamtschuld des Staates auf 96
Prozent des BIP. Reeves selbst sagt, die Schuldenquote werde sinken.
Insgesamt bleibt Labour einer eher linken Politik treu. Die
Steuererhöhungen sorgen für eine besorgte Kommentierung quer durch die
politischen Lager. Zu den höheren Mindestlöhnen sagt selbst die linke
Denkfabrik Resolution Foundation, dass es den Druck auf jüngere Menschen
erhöhen könnte, da Arbeitgeber:innen als Konsequenz weniger Leute
einstellen würden.
Doch die demonstrative Linkswende ist für die Regierung wichtig, um nach
den Turbulenzen der vergangenen Monate die eigene Fraktion zusammenzuhalten
und Angriffe von links durchzustehen. Keir Starmer und viele
Labour-Abgeordnete zeigten zufriedene Gesichter am Ende von Reeves’ Rede.
Die konservative Oppositionsführerin Kemi Badenoch warf in ihrer Replik
Reeves Inkompetenz vor: „Hätte sie Würde, würde sie zurücktreten.“
26 Nov 2025
## LINKS
[1] https://www.parliament.uk/business/news/2025/nov-2025/budget-statement-wedn…
[2] /Grossbritanniens-Regierung/!6094748
[3] /Parteigruendung-beginnt-mit-Streit/!6095748
[4] /Wahl-in-Grossbritannien/!6017712
[5] https://obr.uk/efo/economic-and-fiscal-outlook-november-2025/
[6] https://obr.uk/efo/economic-and-fiscal-outlook-november-2025/
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Großbritannien
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