| # taz.de -- Schweizer Fußballerin gegen das System: Unbehagen mit den Zwängen… | |
| > Just während des Hypes um die EM beendet Noa Schärz von YB Bern mit 25 | |
| > Jahren ihre Karriere. Sie spricht von Bevormundung und anderen Probleme. | |
| Bild: Noa Schärz im Einsatz für Young Boys Bern in der vergangenen Saison geg… | |
| Ausverkaufte Stadien, Fußballfieber im ganzen Land – die EM in der Schweiz | |
| scheint ein voller Erfolg gewesen zu sein. „Die Schweiz hat ein gutes | |
| Turnier gemacht. Die ganzen Hater können jetzt nicht mehr so einfach ihre | |
| dummen Kommentare bringen“, sagt auch Noa Schärz. Sie ist 25 Jahre alt und | |
| ist diese Saison [1][mit den Frauen der Young Boys (YB)] Bern Schweizer | |
| Meisterin geworden. | |
| Gerade für die Profifußballerinnen, die das ganze Jahr über in der Schweiz | |
| kicken, sowie die jungen Spielerinnen, die vom Profileben träumen, war der | |
| Verlauf der EM im eigenen Land von großer Bedeutung. Nun ist diese vorbei, | |
| aber was bleibt? Wie viel hat der Frauenfußball während der EM mit der | |
| Realität in der Schweizer Frauen-Profiliga und dem regulären Spielbetrieb | |
| zu tun? | |
| Die Schweizer Zeitung [2][WOZ begleitete vor der EM die Profifußballerin | |
| Noa Schärz mehrere Wochen.] Laut ihr ist es vor allem eines, was den | |
| Qualitätsunterschied ausmacht: das Geld. | |
| Schärz kann nur von ihrem Lohn leben, weil sie auf einem autonomen | |
| Wagenplatz in Bern wohnt. Beziehungsweise: konnte. Denn nun, inmitten des | |
| ganzen Aufwinds im Frauenfußballs, hat die YB-Mittelfeldspielerin vor knapp | |
| zwei Wochen ihren Entschluss gefasst: Sie steigt vorerst aus dem | |
| Profifußball aus. Offiziell, weil sie das Gefühl habe, „im Spitzensport | |
| nicht mehr am richtigen Ort zu sein“. | |
| ## Probleme mit der Identifikation | |
| Sie könne sich nicht mehr zum Spitzenfußball committen, so ihr Statement. | |
| „Es gibt da noch ein paar strukturelle Sachen, mit denen ich mich nicht | |
| voll identifizieren kann“, sagt sie im Gespräch mit der taz. Auch der | |
| Umgang von YB mit Schärz’ Interviewreihe in der WOZ spielt bei dem Ganzen | |
| eine Rolle. | |
| Im März schießt Schärz noch für YB das entscheidende (und schöne) Tor aus | |
| dem Halbfeld zur Playoff-Quali. 1:0 gewinnt ihr Team gegen GC Zürich vor | |
| 10.647 Zuschauer:innen. Schon wieder ein Rekord. Und ein Zeichen, dass es | |
| sowohl bei YB als auch im Schweizer Frauenfußball generell vorangeht, oder? | |
| Im Gespräch wirkt Schärz unaufgeregt, wenn sie von sich erzählt, | |
| bescheiden. „Ich habe als Kind zuerst mit meinem Bruder zusammen Fußball | |
| gespielt, ich fand eh alles cool, was er gemacht hat“, sagt sie, | |
| aufgewachsen in Uster im Kanton Zürich. Es folgen Stationen in Zürich, St. | |
| Gallen, dann bei YB. „Es hat sich so ergeben, Fußballspielen hat sich | |
| leicht angefühlt“, erzählt sie. Bald muss sie keine Beiträge mehr zahlen, | |
| die Clubs bezahlen sie. Doch viel ist es nicht. Bei YB bekommt sie | |
| schließlich 2.500 Franken brutto. Und gehört damit wohl zu den | |
| bestbezahlten Spielerinnen der Liga. Als Köchin, ihrem Lehrberuf, würde sie | |
| mindestens doppelt so viel verdienen. | |
| Ihr Verein war wenig begeistert darüber, dass Schärz ihren Lohn öffentlich | |
| macht. „Innerhalb des Teams wusste man bisher nicht voneinander, was man | |
| verdient“, erzählt sie. „Das finde ich mega-uncool.“ Bei Vertragsabschlu… | |
| behaupte der Verein oft, der ausgemachte Lohn sei angemessen. „So | |
| funktioniert das, nicht nur bei YB. Weil wir ja auch nicht darüber reden.“ | |
| Einige Spielerinnen seien ihr dankbar gewesen, die Zahlen mal gehört zu | |
| haben. | |
| ## Bitte nicht politisch äußern! | |
| YB hingegen legte Schärz daraufhin in einem Gespräch nahe, dass sie sich | |
| entscheiden müsse, ob sie sich für ein weiteres Jahr voll committen kann. | |
| Heißt, sich an die Regeln anpassen und „eben nicht öffentlich, politisch zu | |
| äußern“. Das habe sie sehr wütend gemacht, auch wenn sie YB auch ein Stück | |
| weit verstehen kann. „Sie sind auch nur Teil dieses Systems.“ | |
| Schärz überlegt lange. Denn – während viele ihrer Mitspielerinnen sogar | |
| noch weniger verdienten, nebenher arbeiten müssten oder bei den Eltern | |
| lebten – reicht es Schärz zum Leben. „Auf dem Wagenplatz zahlen wir jeweils | |
| etwa 120 Franken im Monat, für Strom, Gas und so weiter“, erzählt sie. „I… | |
| kann mir jetzt nicht mehr vorstellen, wieder in einer Wohnung zu wohnen und | |
| jeden Monat viel zu viel Geld dafür zu bezahlen.“ Sie mag den Lebensstil, | |
| das gemeinsame Leben auf dem Platz. | |
| Wütend macht sie hingegen die ungleiche Verteilung der Gehälter in den | |
| Proficlubs. Dass ein Mann, der gleich viel trainiere wie sie, bei YB das | |
| Zehnfache verdiene, während von beiden natürlich trotzdem dieselbe | |
| Disziplin verlangt wird. Für sie ist es ein politischer Kampf, um | |
| Gleichberechtigung, um eine faire Entlohnung. „Alle Menschen, die viel Zeit | |
| und Energie in den Sport investieren, sollten auch gleich verdienen. In | |
| allen Sportarten übrigens“, sagt Schärz und fügt dann lachend hinzu. „Ich | |
| weiß, dass das eine idealistische Vorstellung ist.“ Über eine Art | |
| Umverteilung vielleicht. „Ich will, dass die Frauen mehr verdienen, aber | |
| auch nicht so wie im Männerfußball, da sind die Gehälter zum Teil absurd“, | |
| ergänzt sie. | |
| ## Positiv überrascht von der EM | |
| Auch Schärz hat über die letzten Jahre selbst gespürt, wie der | |
| Frauenfußball wächst. Langsam. Crowdfundings, für einen eigenen Kraftraum | |
| zum Beispiel, sind beim Frauenfußball noch an der Tagesordnung, auch in | |
| Vereinen, die zugleich Millionenbeträge für die Männerteams ausgeben. Das | |
| Training, erzählt Schärz, finde meistens abends statt, Priorität haben bei | |
| der Platzzuweisung die Männer. | |
| Aber: „Ich bin positiv überrascht, wie viele Leute über die EM reden, in | |
| der Bahn zum Beispiel. Ich habe das Gefühl, dass viele Fans dazu gekommen | |
| sind. Da ist so eine [3][Euphorie im ganzen Land]“, sagt Schärz. „Wenn der | |
| Frauenfußball gut vermarktet wird, geht das auch in Richtung gleiche Löhne | |
| und gleiche Bedingungen für alle. Gleichzeitig ist es auch eine unschöne | |
| Vorstellung, dass er so kommerzialisiert wird wie bei den Männern.“ Viele | |
| EM-Spiele hat sie nicht gesehen, aber nicht wegen ihrer ambivalenten | |
| Haltung zum Produkt Frauenfußball, sondern weil sie zwar selbst gerne | |
| spiele, aber Zuschauen eher langweilig finde. | |
| „Es ist eigentlich schon gerade die coolste Zeit, um Teil vom Frauenfußball | |
| zu sein“, sagt sie dann zum Ende fast schon bedauernd. | |
| Und was meint der Sportliche Leiter von YB zu diesem Karriereende? „Wir | |
| bedauern den Entscheid von Noa Schärz sehr, haben aber Verständnis. Sie hat | |
| uns offen über ihre Beweggründe informiert, so dass wir bald zum Schluss | |
| kamen, dem Wunsch der Vertragsauflösung nachzukommen.“ Der BSC Young Boys | |
| bedanke sich herzlich bei Noa Schärz und wünsche ihr alles Gute. | |
| 27 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Deutsche-Trainerinnen-im-Ausland/!6094858 | |
| [2] https://www.woz.ch/2525/durch-den-monat-mit-noa-schaerz-teil-3/wird-der-fra… | |
| [3] /EM-Euphorie-in-der-Schweiz/!6095889 | |
| ## AUTOREN | |
| Ruth Lang Fuentes | |
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