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# taz.de -- 20 Jahre Bergpartei: Aus dem Bauch des Bergs
> Die „realdadaistische“ Bergpartei feierte am Wochenende ihren 20.
> Geburtstag. Aber die Zeit für Spaßparteien scheint langsam zu Ende gehen.
Bild: Bergpartei-Mitgründer Jan Theiler versteigert alte Plakate
Berlin taz | Ein buntes Gemisch aus „Künstlern, Musikern, Ex-Hausbesetzern,
Protest-Ravern, Hartz-IV-Job-Hoppern, Entschleunigungsaktivisten und
gemobbten Fundis“ – so lautet die Selbstbeschreibung der Berliner
„Bergpartei“. Am Samstag lud sie ein, ihren 20. Geburtstag zu begehen.
Bis zum Abend versammeln sich rund 100 Menschen auf den Holzstegen und
-inseln der Floating University am Tempelhofer Feld, genießen bei Suppe und
Getränk den Blick auf das algige Regenwasserbassin oder gestalten schon mal
Plakate für die Berlinwahl 2026. „Alle, die dabei sind, haben einen
ziemlichen Knall, und sie wissen das auch“, sagt Spitzenkandidatin Esther
Borkam und lacht.
Parteigründer und -generalsekretär Jan Theiler erinnert an die Anfänge:
„Gegründet haben wir die Bergpartei im ehemaligen Palast der Republik.“
Dort, wo heute das Humboldt-Forum steht, tagte früher das DDR-Parlament.
Bevor 2006 der Abriss begann, bauten Künstler*innen inmitten des
Palastes einen riesigen, begehbaren Berg aus Gerüsten und Plastikfolie.
[1][In dessen Bauch fand am 21. Juli 2005 die Gründungsversammlung statt] –
er ist gewissermaßen die Mutter der Bergpartei.
„Wir fühlten uns damals von keiner Partei repräsentiert“, sagt Theiler.
Deshalb habe er mit rund 20 Verbündeten selbst eine gegründet. Ihre
Gemeinsamkeit sei die Leidenschaft für „gute Slogans und Plakate“. Die
Gründung im Palast der Republik habe dabei keinerlei symbolische Bedeutung
gehabt, behauptet er: „Der Raum war gerade frei.“
Ganz im Sinne der „realdadaistischen“ Bergpartei: Dada ist eine
künstlerische Bewegung, die sich gegen konventionelle Kunstformen und
gefestigte Ideale ausspricht. Sie werden durch zufallsgesteuerte,
willkürliche Aktionen ersetzt. „Ich bin ein großer Fan von Dada“, sagt
Theiler. Doch seine eigene Kunst sei dafür mit ihren politischen
Botschaften eigentlich zu konkret. „Deshalb nennen wir uns
realdadaistisch.“
## Alles selbst gemalt
Die kreativen, selbst gemalten Plakate nach Jan Theiler – das Markenzeichen
der Bergpartei – hängen am Samstag überall in der Floating University.
Sogar mitten im Regenwasserbecken stehen große Schilder. Sie alle sollen am
Abend versteigert werden. Denn natürlich erhält die Bergpartei, deren
Mitgliederzahl sich 2021 auf 169 Menschen belief, keine staatliche
Parteienfinanzierung.
Nachdem sie [2][nach der Gründung mehrfach nicht zur Wahl zugelassen]
wurde, fusionierte sie 2011 in Berlin mit der öko-anarchistischen
Kleinstpartei „Überpartei“, um ihre Chance auf Wahlzulassung dank
ausreichender Unterschriften zu erhöhen. Das funktionierte: 2021 erreichte
die Bergpartei 0,1 Prozent der Stimmen. Und im kommenden Jahr schickt sie
die Theaterpädagogin und Erzieherin Esther Borkam ins Rennen.
„Diese Wahl muss zeigen: Die Berliner*innen wollen etwas anderes!“,
sagt Borkam. Die Bergpartei wolle nicht zuletzt Nichtwähler*innen
motivieren, mit ihrer Stimme ein Zeichen gegen rechts zu setzen. Besonders
wichtig ist Borkam die Einbeziehung derer, „die nicht gehört werden“. Dazu
zählt sie vor allem Kinder und Ältere. „Der gesellschaftliche Zusammenhalt
steht für mich an erster Stelle.“
Zwar hat die Bergpartei überhaupt keine Ambitionen, ins Parlament
einzuziehen, doch sie will mit ihren Aktionen „mentale Veränderung“
bewirken. Besonders wichtig ist den Aktiven der Wahlkampf mit selbst
gestalteten Plakaten. Doch auch durch den Besuch von Demonstrationen und
die Unterstützung von Bündnissen für Klimaschutz und soziale
Wohnungspolitik mache die Bergpartei einen Unterschied, findet die
Spitzenkandidatin.
Im bunten Stuhlkreis auf einer der Holzinseln finden auch am
Bergpartei-Geburtstag Diskussionsrunden statt. Egal ob es um Mieten,
Kunstkürzungen oder Feminismus ging, eines fällt auf: Die zufällig
zusammengekommenen Besucher mögen sich uneins sein, aber sie hörten
einander zu. Bergparteiliche Basisdemokratie in Aktion.
„Wir lehnen Macht und Hierarchie generell ab“, erklärt die
Bundesvorsitzende Yanachasca Laso Solari. Jeder bringe ein, was ihm oder
ihr wichtig sei. Doch kann die Partei mit Denkanstoß-Plakaten und einer
freundlichen Gesprächskultur den Krisen dieser Zeit trotzen?
Der russische Krieg gegen die Ukraine und die Kriege im Nahen Osten
beeinflussen selbst die „Berliner Bubble“, desgleichen der Rechtsruck. Das
beschäftigt auch Jan Theiler. „Die Friedenstaube wurde uns geklaut, genau
wie das Wort ‚alternativ‘ und die Farbe blau“, sagt er. Für
Friedensaktivisten seien die Zeiten schwer. Und die Bergpartei stelle sich
ganz klar gegen „Putin-Versteher“.
## Zeitenwende im Berg
Trotzdem steht in ihrem noch nicht aktualisierten Wahlprogramm weiterhin
die Forderung nach dem Austritt aus der Nato. „Das war vor der sogenannten
Zeitenwende“, sagt Theiler. „Heute fände das bei uns keine Mehrheit mehr.�…
Spitzenkandidatin Borkam würde darüber gern noch einmal diskutieren: Sie
selbst sei gegen Gewalt, Waffen und Aufrüstung. So ändern sich die Zeiten.
„Als wir uns gegründet haben, gab es keine AfD, noch nicht mal die
Piraten“, sagt Jan Theiler. Angesichts der vielen Krisen neige sich die
Epoche, in der man Politik mit Kunst und Spaß bereichern konnte, ihrem Ende
zu. Manchmal habe er das Gefühl, die Bergpartei sei ein wenig aus der Zeit
gefallen. „Vielleicht wird Berlin 2026 unsere letzte Wahl.“
Vielleicht aber auch nicht. Denn wo Freude und Lebendigkeit sind, seien
auch Stärke und Solidarität, findet Bundesvorsitzende Laso Solari. Und die
Freude lassen sich die Bergpartei-Fans am Samstag definitiv nicht nehmen.
Ausgelassen tanzen sie in den Abend und halten ihre ersteigerten Plakate
hoch in die Berliner Luft.
20 Jul 2025
## LINKS
[1] /Die-Bergpartei-ist-kein-Gipfelstuermer/!562362/
[2] /Bergpartei-in-Berlin/!5448957
## AUTOREN
Klarissa Krause
## TAGS
Kleinparteien
Dadaismus
Parteienfinanzierung
Auf verlorenem Posten
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