Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EM-Debakel der Niederlande: Völlig durcheinander
> Spätestens mit dem 0:4 gegen England verabschieden sich die Niederlande
> aus dem Favoritinnenkreis. Ein neuer Trainer soll den Neuaufbau
> einleiten.
Bild: Kein seltenes Bild: der Ball im Tor der Niederländerinnen
Zürich taz | Andries Jonker kann man als einen nüchternen Mann beschreiben.
Wenn es aber nicht mehr anders geht, kann er eine erstaunliche Fantasie
entwickeln: „Heute haben wir eine Tracht Prügel bekommen, aber dasselbe
kann Frankreich auch passieren.“
Es braucht schon große Vorstellungskraft, um den [1][bislang so
beeindruckenden Französinnen] solch einen hilflosen Auftritt zuzutrauen.
Der niederländische Trainer musste nach dem 0:4 [2][gegen England] die
provokative Frage eines Landsmanns beantworten, ob sein Team eben diesen
nächsten Gegner mit drei, vier oder mehr Toren Abstand schlagen könne. Nur
so scheint die vorzeitige Heimreise von dieser EM nächsten Sonntag
abgewendet werden zu können.
Geradezu trotzig und unbeeindruckt von der derben Niederlage hielt der
62-jährige Coach an seiner Überzeugung fest, die Niederlande,
Europameisterinnen von 2017, würde abgesehen von Spanien weiter auf
Augenhöhe mit den zehn, elf Topteams dahinter stehen. Lange Zeit war diese
Ansicht durchaus haltbar, aber spätestens nach den Eindrücken vom
Letzigrund in Zürich am Mittwochabend muss man zu dem Schluss kommen: Das
Ablaufdatum der These ist überschritten.
## Fehlende Widerstandskraft
Die bewährten Kräfte von einst, wie Jackie Groenen (30), Danielle van de
Donk (33) oder Sherida Spitse (35) sind über ihrem Leistungszenit, die
Nachrückerinnen können das nicht auf erforderliche Weise konstant genug
auffangen. Gegen England konnte man den fehlenden physische Widerstand
zuweilen schon als eine vorzeitige Kapitulation interpretieren. In der
besonders schwachen ersten Halbzeit gewannen die Niederländerinnen
lediglich 38 Prozent ihrer Zweikämpfe.
Von der für die Niederländerinnen so identitätstiftenden Abteilung Attacke
war ebenfalls wenig Gewinnbringendes zu vermelden. Lediglich ein Schuss kam
im ganzen Spiel aufs gegnerische Tor. Durch das Pressing der Engländerinnen
ließen sich die Offensivfreundinnen in den ungewohnten Rückwärtsgang
zwingen. Dass Torhüterin Daphne van Domselaar am Ende die meisten
Ballkontakte unter ihren Kolleginnen hatte, erzählt schon viel über diese
Partie. „Wir haben nicht als Team gespielt. Wir waren völlig
durcheinander“, beklagte die 25-Jährige.
Ganz neu sind diese Probleme nun wirklich nicht. Darauf machte Andries
Jonker unfreiwilligerweise selbst aufmerksam, als auf der Pressekonferenz
ein Fragesteller von der höchsten Niederlage für die Niederlande sprach.
„Sicher?“, hakte Jonker nach, „ich erinnere mich an [3][ein 0:4 gegen
Deutschland].“ Ende Mai war das erst. Der Reporter präzisierte unterdessen,
dass die aktuelle Schlappe gegen England die höchste Niederlage bei einem
Turnier gewesen sei.
Das kümmere ihn nicht wirklich, bekannte Jonker. Der Mann lässt sich
sowieso nicht schnell aus der Ruhe bringen. In Zürich hatte man bisweilen
den Eindruck, dass dies auch ein Problem sein könnte. Während der ganzen
Spielzeit stand der Coach meist mit den Händen in den Taschen seines
dunklen Jacketts an der Seitenlinie. Die Zeit der Verletzungspausen ließ er
verstreichen, ohne seine Spielerinnen mit Hilfestellungen und Anweisungen
zu unterstützen. Jeder Trainer hat so seinen Stil. Energiespendend ist der
von Jonker bestimmt nicht.
Eine gewisse Distanz zwischen Trainer und Team war in Zürich nicht zu
übersehen. Die in der 66. Minute eingewechselte Spielmacherin van de Donk
erklärte dem TV-Sender NOS, sie hätte eigentlich auch von Anfang an spielen
können. Das müsse ein Missverständnis sein, sagte später Andries Jonker.
Mit den Ärzten und ihr sei man im Gespräch zu dem Ergebnis gekommen, sie
könne nur 20 bis 25 Minuten spielen.
Dass die Zeit für einen Neuanfang gekommen ist, zu dieser Ansicht gelangte
der niederländische Verband bereits im Januar und verlängerte den Vertrag
mit Jonker nicht. Arjan Veurink wird sein Nachfolger. Die alte Zeit dann
doch bis zur Europameisterschaft mit Jonker auslaufen zu lassen, das war
gewiss keine gute Idee. Wie sollen die Spielerinnen einem Trainer
vertrauen, dem der Verband nicht mehr vertraut.
10 Jul 2025
## LINKS
[1] /Favoriten-Duell-bei-der-Fussball-EM-/!6095736
[2] /England-vor-naechstem-Gruppenspiel/!6096001
[3] /Frauenfussball/!6088269
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Fußball-EM der Frauen 2025
Frauenfußball
Niederlande
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
Frauenfußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
England vor nächstem Gruppenspiel: Ordentlich unter Druck
Die Titelverteidigerinnen aus England könnten gegen die Niederlande
ausscheiden. Das Team spielte zuletzt oft schlecht, um dann wieder zu
überzeugen.
Rekordschützin aus den Niederlanden: 100 Tore für Vivianne Miedema
Die niederländische Nationalspielerin schießt im Spiel gegen Wales ihr 100.
Länderspieltor. Ein weiterer Rekord der Stürmerin von vielen.
Frauenfußball: Fehlt nur noch ein neuer EM-Titel
Mit 4:0 gewinnt das DFB-Team gegen die Niederlande und qualifiziert sich
für die Final Four. Am Dienstag geht es gegen Österreich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.