| # taz.de -- dvdesk: Sorgen und Hilfe bei Sorgen | |
| Bild: „Die Schreibmaschine und andere Scherereien“ (F 2024, Regie: Nicolas … | |
| Menschen bedürfen der Sorge und ebenso ihre Geräte. Besonderer Sorge | |
| bedürfen die Menschen, mit denen sich der französische Dokumentarfilmer | |
| Nicolas Philibert in einer jetzt zum Abschluss gekommenen Trilogie befasst. | |
| [1][„Sur l’Adamant“ war der erste Beitrag, mit ihm gewann er den Goldenen | |
| Bären 2023.] Er spielte auf dem am Ufer der Seine vertäuten Boot „Adamant�… | |
| das psychisch fragilen Menschen tagsüber eine Heimstatt, einen Freiraum | |
| und, wo es nötig ist, auch Betreuung bietet. [2][Es folgte „Averroès & Rosa | |
| Parks“, der Film war dann 2024 auf der Berlinale zu sehen], benannt nach | |
| zwei Abteilungen einer psychiatrischen Anstalt in Paris, die zum selben | |
| Betreiber gehört wie das Boot. Sehr viel stärker ging es Philibert in | |
| diesem zweiten Teil um die Nöte der Patienten und die Nöte der Psychiatrie. | |
| Teil drei, „Die Schreibmaschine und andere Scherereien“, der in Deutschland | |
| nicht mehr ins Kino kam, ist deutlich lockerer und kürzer geraten, mit gut | |
| 70 Minuten gerade halb so lang wie der zweite. Man begegnet dabei Menschen, | |
| die man zuvor schon kennengelernt hat – nun aber in ihrer privaten Wohnung | |
| oder jedenfalls da, wo sie leben. Allein genug und knapp bei Kasse sind sie | |
| auch da. Wenn ein technisches Gerät, das sie nutzen, kaputtgeht, kommt | |
| schnell das ganze Gefüge ihres oft streng geordneten Lebens aus dem Takt. | |
| In solchen Fällen schauen deshalb zwei freundliche Adamant-Mitarbeiter, | |
| Walid und Jérôme, zu Hause vorbei. Virtuosen der psychiatrischen Seelsorge, | |
| zur Reparatur der Technik als Amateure begabt. In der ersten Episode helfen | |
| sie einem älteren Herrn und seiner Schreibmaschine, die streikt. Er braucht | |
| sie, um seine Lyrik zu tippen. Auf dem Boden stapeln sich Ordner, rund | |
| 8.000 Gedichte sind gesammelt darin. Mindestens eines am Tag will er | |
| schreiben, das ist sein Deal mit sich selbst. Meistens werden es mehr. Er | |
| schreibt sie mit der Hand, tippt sie dann ab. Es liest sie wohl keiner. Und | |
| jetzt ist die Schreibmaschine kaputt. | |
| Muriel, eine ältere Frau, die über ihre Einsamkeit klagt, hört sehr gerne | |
| Musik. Janis Joplin liebt sie besonders. Nun verkündet der Player immerzu | |
| „disc erreur“. Walid und Jérôme kucken hier, schrauben da, was dann hilft, | |
| ist das Putzen der CDs, der Staub hat sie für die Linse unlesbar gemacht. | |
| Beim Musiker und Comic-Künstler Frédéric, das ist die Schluss-Vignette, | |
| geht es eher darum, ins Chaos der Wohnung ein wenig Ordnung zu bringen. Der | |
| Weg zum Bett immerhin ist gebahnt. Er zeigt Grafiken mit [3][Jim Morrison, | |
| der ihn sehr inspiriert.] Von draußen der Lärm einer Schule, es sind die | |
| letzten Töne des Films. | |
| Nicolas Philibert, der Filmemacher, ist in den Szenen präsent, | |
| adressierbar, stellt auch mal eine Frage, aber hält sich zurück. Das ist | |
| immer schon die Art, in der er filmt. Anders als etwa Frederic Wiseman, der | |
| als Beobachter immer Analytiker ist, sucht Philibert oft vor allem die Nähe | |
| zu dem, was er zeigt. Das war schon bei seinem berühmtesten Film so, der | |
| Lehrer-Beobachtung „Sein und Haben“ (2002). Sein Blick ist warm, nicht | |
| kalt, vielleicht geht der Humanismus manchmal ein bisschen mit ihm durch. | |
| Andererseits: Er hält der oft schlimmen Wirklichkeit seine Filme entgegen. | |
| Nicht, dass alles ideal wäre in den Zuständen der Psychiatrie, die er | |
| vorführt. Aber er sucht sich Orte, an denen Sachen eher zufriedenstellend | |
| laufen als schlecht. Er zeigt in allen Filmen der Trilogie Menschen, die | |
| sich um ihre fragilen, traurigen, verängstigten, schwierigen Nächsten meist | |
| hingebungsvoll sorgen. Nichts auf dieser Welt ist perfekt, aber manches ist | |
| immerhin gut. Ekkehard Knörer | |
| 3 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
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