# taz.de -- Mixed Feelings bei Opposition und Sozialverbänden | |
> Den Grünen fehlt es an Generationengerechtigkeit, die Linke spricht von | |
> „Ignoranz und Hoffnungslosigkeit“. Gewerkschaften sehen dagegen durchaus | |
> auch Positives | |
Bild: Ines Schwerdtner, die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, u… | |
Aus Berlin Pascal Beucker und Tobias Schulze | |
Am Koalitionsvertrag, den die Parteichefs von Union und SPD – Friedrich | |
Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil, Saskia Esken – am Mittwoch in Berlin | |
vorgestellt haben, lassen Grüne und Linke kaum ein gutes Haar. Die Kritik | |
von Gewerkschaften und Sozialverbänden fällt moderater aus. | |
Den Grünen fehlt es im Koalitionsvertrag an Generationengerechtigkeit. | |
Union und SPD hätten dringende Entscheidungen über die sozialen | |
Sicherungssysteme in die Zukunft vertagt. Außerdem drohten Rückschritte | |
beim Klimaschutz, kritisierten die Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann | |
und Katharina Dröge am Donnerstag am Rande einer Fraktionsklausur. Konkret | |
monierten sie auch, dass das Deutschlandticket ab 2029 teurer werden soll. | |
Andere dringende Fragen, etwa zur Zukunft der Renten- und | |
Krankenversicherung sowie zur Pflegefinanzierung, wollten die künftigen | |
Koalitionspartner in Arbeitskreise und Kommissionen und damit auf das Jahr | |
2027 vertagen, so ihr Vorwurf. „Auffallend ist, dass ausgerechnet die | |
Mütterrente beschlossen ist“, sagte Haßelmann. Das Signal an die junge | |
Generation dagegen sei: „Wartet ab, wir wissen noch nicht, wie wir ein | |
tragfähiges zukünftiges Rentensystem gestalten.“ | |
Noch schärfere Kritik kam aus der Linkspartei. „Komplett mutlos, | |
fantasielos und ohne sozialen Kompass präsentiert sich hier diese | |
Koalition der Ignoranz und der Hoffnungslosigkeit“, lautete das Urteil von | |
Linken-Chefin Ines Schwerdtner. „Wir werden dem Kurs der autoritären Härte | |
und auch der sozialen Kälte definitiv entgegentreten“, kündigte sie an. | |
Von den Gewerkschaften und den Sozialverbänden gibt es dagegen moderatere | |
Töne. Die schwarz-rote Vereinbarung enthalte „kluge und vernünftige Pläne, | |
um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu sichern“, lobte | |
DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Von einer „Einigung mit Licht und Schatten“ | |
sprach Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. | |
Was die Gewerkschaften freut: Das bereits von der Ampel vereinbarte, aber | |
von der FDP hintertriebene Bundestariftreuegesetz soll auf den Weg gebracht | |
werden. Damit soll verhindert werden, dass Firmen, die mittels Lohndumping | |
ihre Preise senken können, gegenüber Unternehmen, die tarifliche Löhne und | |
Gehälter zahlen, im Vorteil sind. | |
Keine Zustimmung finden dagegen die Pläne, „die Möglichkeit einer | |
wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit“ zu schaffen. Die | |
Gewerkschaften fürchten, der bislang gesetzlich verankerte Acht-Stunden-Tag | |
könne so ausgehebelt werden. Sie warne vor „Beliebigkeit und Aktionismus“, | |
sagt Fahimi. Noch deutlicher formuliert es Verdi-Chef Frank Werneke: „Das | |
Arbeitszeitgesetz schützt Menschen, die ohnehin unter prekären Bedingungen | |
arbeiten müssen – deshalb darf es nicht ausgehöhlt werden.“ Die geplanten | |
Änderungen seien „nicht akzeptabel“. | |
Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband stößt auf, dass das | |
„Bürgergeld“ zu einer „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“ | |
umgewandelt werden soll. „Die Rückabwicklung des Bürgergelds, die | |
Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs und die Verschärfung der | |
Sanktionen gehen zu Lasten besonders benachteiligter Menschen“, kritisierte | |
Rock. Ähnlich äußerte sich Michael Groß, der Präsident der | |
Arbeiterwohlfahrt: „Wir kritisieren die Abschaffung wesentlicher | |
Bestandteile des Bürgergelds und die Rückkehr zu den Hartz-Gesetzen.“ Auch | |
Verdi-Chef Werneke lehnte ab, dass es für die Bundesagentur für Arbeit | |
wieder einen Vermittlungsvorrang geben soll. „Das erhöht den Druck auf | |
Arbeitslose, jegliche Arbeit anzunehmen, wirkt sich negativ auf die Löhne | |
aus und unterläuft die Bemühungen, über mehr Ausbildung und Qualifikation | |
Einkommen zu stabilisieren und Arbeitsplätze langfristig aufzuwerten“, | |
sagte er. | |
Linken-Chefin Schwerdtner warf der neuen Koalition „Sozialdemagogie“ | |
vor. „Es ist verantwortungslos, jetzt wieder Totalsanktionen einzuführen zu | |
wollen, obwohl das Bundesverfassungsgericht eindeutig entschieden hat, dass | |
Menschen nicht unter das Existenzminimum fallen dürfen“, empörte sie sich | |
gegenüber der taz. | |
Die Rentenpläne der Koalition fanden mehr Zuspruch. „Sehr positiv“ sei die | |
Absicht, das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031 abzusichern und die | |
Mütterrente zu erweitern, so Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands | |
VdK. Dies seien „wichtige Schritte zur Verhinderung von Altersarmut“. | |
Hauptgeschäftsführer der Paritätischen Gesamtverbands Rock spricht von | |
„wichtigen, aber nicht ausreichenden Maßnahmen, um den Anstieg von | |
Altersarmut zu bremsen“. Der Lobbyverband Deutsches Aktieninstitut begrüßte | |
indes, dass die neue Koalition Anfang 2026 eine „Frühstart-Rente“ einführ… | |
will. Das sei „ein origineller Schritt zur Nutzung der Ertragsstärke von | |
Aktien in der privaten Altersvorsorge“, sagte die Geschäftsführende | |
Vorständin, Henriette Peucker. Für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr | |
sollen vom Staat pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes | |
und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot eingezahlt | |
werden. Die Erträge sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei sein. | |
Ausgezahlt würde es mit Erreichen der Regelaltersgrenze. | |
VdK-Präsidentin Bentele kritisierte, dass die Ausgleichsabgabe für | |
Schwerbehinderte künftig wieder in Werkstätten und stationäre Einrichtungen | |
fließen soll. Das sei „eindeutig ein Rückschritt“. Das Geld solle vielmehr | |
direkt für die Inklusion in den ersten Arbeitsmarkt verwendet werden. Es | |
fehle zudem „eine klare Verpflichtung, Barrieren in allen Lebensbereichen | |
abzubauen und die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu stärken“, | |
monierte Linksfraktionschef Sören Pellmann. | |
11 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Tobias Schulze | |
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