# taz.de -- Kinotipps für Berlin: Die wahren Monster | |
> Eine Filmreihe würdigt den kürzlich verstorbenen Regisseur David Lynch, | |
> das Filmkunst 66 zeigt mit „Oktober“ die Inszenierung einer großen | |
> Revolution. | |
Bild: The Elephant Man (Der Elefantenmensch), USA, UK, 1980, Regie: David Lynch | |
Vor einigen Tagen verstarb der amerikanische Regisseur David Lynch im Alter | |
von 78 Jahren, ein Anlass für das Kino Babylon Mitte, ihm zu Ehren eine | |
kleine Retrospektive von neun Filmen (23.1-29.1.) zu zeigen. Lynchs | |
komplexe (und teils sehr unterschiedliche) Filme hier in ein paar Zeilen | |
hinreichend zu würdigen, ist eher aussichtslos, deshalb nur dies: Wie kaum | |
einem anderen Regisseur seiner Generation gelang es Lynch, experimentelle | |
Erzählformen, exzentrische Figuren und schwarzen Humor in kommerzielles | |
Kino einzubinden und damit große Publikumserfolge zu verzeichnen. | |
Lynchs erster größerer Mainstreamfilm war 1980 der vom legendären | |
britischen Kameramann Freddie Francis in kontrastreichem Schwarzweiß | |
fotografierte „Der Elefantenmensch“, der auf der Basis von wahren | |
Begebenheiten die Geschichte eines von einer seltenen Krankheit völlig | |
deformierten Mannes (John Hurt) erzählt. | |
John Merrick wird im viktorianischen England als Attraktion einer | |
„Freak-Show“ missbraucht und aus diesem Leben erst durch einen Arzt | |
(Anthony Hopkins) befreit, der ihn als das ansieht, was er ist: ein kranker | |
Mensch. Dass Merrick schließlich zur fragwürdigen Attraktion der Londoner | |
Society wird, wirft aber letztlich eine Frage auf, die auch der ein | |
ähnliches Thema bearbeitende „Horror“-Klassiker „Freaks“ bereits stell… | |
Wer sind eigentlich die wahren Monster unserer Gesellschaft? (24.1., 29,1,, | |
17.30 Uhr, 26.1., 15.30 Uhr, [1][Babylon Mitte]) | |
Zum zehnjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution im Jahr 1927 wünschten sich | |
die siegreichen russischen Bolschewisten einen entsprechenden Jubiläumsfilm | |
und beauftragten den seinerzeit mit seinem Werk „Panzerkreuzer Potemkin“ in | |
aller Welt gefeierten Sergej Eisenstein mit der Ausführung. | |
Für „Oktober“ wurden keine Kosten und Mühen gescheut, denn bekanntlich | |
liebten kommunistische Parteiführer nichts so sehr wie gewaltige Aufmärsche | |
revolutionärer werktätiger Massen. Damit es im Kino besser aussah, schrieb | |
man die tatsächliche Geschichte auch noch ein wenig um: In der zentralen | |
Sequenz erstürmen die Massen das Winterpalais, wo die Minister der | |
Provisorischen Regierung tagen, durch das Hauptportal – tatsächlich war die | |
ganze Aktion viel weniger spektakulär verlaufen. | |
Zum Jubiläum fertig wurde der Film übrigens nicht, denn der überarbeitete | |
Eisenstein wurde krank und musste auf Geheiß von Stalin auch erst noch | |
Szenen mit dem in Ungnade gefallenen Trotzki herausschneiden. | |
Dass der 1928 uraufgeführte Film den sowjetischen Kulturfunktionären | |
schließlich nicht gefiel, hing aber vor allem damit zusammen, dass | |
Eisenstein nicht einfach nur ein (geschöntes) Bilderbuch der Ereignisse | |
geschaffen hatte, sondern sich mithilfe der Montage eines Symbolismus | |
befleißigte, der die zaristische Herrschaft und die Provisorische Regierung | |
unter Ministerpräsident Kerenski in eine gedankliche Kontinuität stellte. | |
Das galt seinerzeit als Formalismus. Am Ende aber prägte „Oktober“ weltweit | |
das Bild der sowjetischen Revolution, weil es von den realen Ereignissen | |
des Jahres 1917 keine entsprechenden Bilddokumente gibt (26.1., 20.30 Uhr, | |
[2][Filmkunst 66]). | |
Kaum war die Mauer in Berlin 1989 gefallen, hofften die Immobilienhaie in | |
der Hauptstadt to be bereits auf den ganz großen Boom. Der fand aber erst | |
einmal gar nicht statt. Was stattdessen boomte, waren die Freiräume für | |
kreative Menschen, die in Galerien, Konzerthallen und Clubs wenig | |
kommerziellen Tätigkeiten nachgehen konnten, ohne dabei selbst unter | |
ökonomischen Druck zu geraten. | |
Das Leben war immer noch preiswert. In seinem Film „Berlinized – Sexy an | |
Eis“ (2012) blickt Regisseur Lucian Busse auf diese Zeiten zurück und | |
dokumentiert auch, wie sich all dies ein paar Jahre später wandelte und das | |
große Geld doch zum Zuge kam. Nach der Filmvorführung im Lichtblick Kino | |
ist Lucian Busse zur Diskussion anwesend, ebenso wie die Komponistin und | |
Musikerin Beth Coleman (25.1., 20.15 Uhr, [3][Lichtblick Kino]). | |
23 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/david-lynch/5770-david-lynch-th… | |
[2] https://www.filmkunst66.de/film/oktober-1928 | |
[3] https://lichtblick-kino.org/berlinized/ | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kolumne Frisch gesichtet | |
Filmgeschichte | |
taz Plan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kinotipps für Berlin: Politisch und wertvoll | |
Das Zeughauskino zeigt im Rahmen der Reihe „Ganz schön aufgeklärt“ Filme | |
über Arbeiterinnen, Bürgerinnen und Königinnen des 18. Jahrhunderts. |