# taz.de -- Debatte in Pariser Nationalversammlung: Mit parlamentarischen Manö… | |
> Die linke Fraktion La France insoumise wollte das Rentenalter angehen und | |
> das Vergewaltigungsgesetz reformieren. Regierungsparteien verhinderten | |
> dies. | |
Bild: In der Nationalversammlung: La France Insoumise (LFI) und Nouveau Front P… | |
Paris taz | Jede Fraktion in der Nationalversammlung hat jeweils ein Mal | |
pro Session einen Tag, um den Abgeordneten ihre Wunschthemen vorzulegen. Am | |
Donnerstag war die oppositionelle Linkspartei [1][La France insoumise] | |
(LFI) an der Reihe. Sie hatte dafür vor allem zwei Anträge gestellt, die | |
beide eine ernsthafte Aussicht hatten, von einer Mehrheit angenommen zu | |
werden: einen zum Rentenalter, einen zur Reform des Strafrechts in Sachen | |
Vergewaltigung. | |
Zum Votum kam es jedoch nicht, weil es den Abgeordneten der | |
Regierungsparteien (Macronisten und Konservative) gelang, mit unzähligen | |
rein formellen Anträgen die Debatte bis Mitternacht hinauszuzögern. Das war | |
ihr Recht, empörte aber die linke Opposition, die von „Obstruktion“ sprach. | |
Der erste Gesetzesantrag hatte zum Ziel, die [2][umstrittene Rentenreform] | |
rückgängig zu machen und das 2023 auf 64 Jahre erhöhte gesetzliche | |
Ruhestandsalter wieder – wie vor der Reform – auf 62 zu anzusetzen. Eine | |
großen Mehrheit der Franzosen und Französinnen hatte dies in | |
Meinungsumfragen gewünscht. Neben den linken Fraktionen wollte angeblich | |
auch das rechtsextreme Rassemblement National von [3][Marine Le Pen] diesem | |
Antrag zustimmen. Zusammen hätten die Stimmen der Opposition von links und | |
rechts eine Mehrheit gegen die Regierung ergeben. | |
## Die heilige Kuh „Rentenreform“ | |
Die Rentenreform aber stellt für Staatspräsident Emmanuel Macron und seine | |
Regierung mit Premierminister Michel Barnier als wichtigster Erfolg der | |
zweiten Amtszeit eine heilige Kuh dar. | |
Die Geschäftsordnung der Nationalversammlung lieferte den Angeordneten der | |
Mitte-Rechts-Regierungskoalition die legalen Instrumente, um die Debatte in | |
ein endloses Palaver über Prozedur, Formulierungen und unbedeutende | |
Änderungen zu verwandeln. Das Ergebnis stand damit fest: Bis zum Ablauf der | |
Frist um Mitternacht konnte über die grundsätzliche Frage nicht mehr | |
abgestimmt werden. | |
In der Nähe der Nationalversammlung protestierten ein paar Sympathisanten | |
der Linken gegen diese „Demokratieverhinderung“ durch die Regierung. Im | |
Ratssaal kam es um ein Haar zu einer handfesten Auseinandersetzung, als ein | |
Abgeordneter der Regierungspartei MoDem sich wütend auf einen LFI-Kollegen | |
stürzen wollte. | |
Opfer dieser parlamentarischen Manöver wurde auch der zweite LFI-Antrag auf | |
eine Reform des Strafrechts zu sexueller Gewalt und Vergewaltigung. Eine | |
explizite Zustimmung zu Sex müsse vorliegen, im Sinne von „Nur Ja heißt | |
Ja“. | |
## Strafrechtsreform bleibt auf Tagesordnung | |
Diese Forderung, gegen die in Frankreich auch ein Teil der feministischen | |
Organisationen Bedenken geäußert haben, bekam im Kontext des | |
Vergewaltigungsprozesses Pélicot in Avignon eine zusätzliche Aktualität. | |
Es geht um die Vergewaltigung von Gisèle [4][Pélicot], die von ihrem | |
Ehemann, Dominique Pélicot, betäubt und durch rund 100 auf dem Internet | |
angeworbene Männer vergewaltigt worden war. Bei den Verhandlungen vor | |
Gericht hatte die Verteidigung anfänglich versucht, dem Opfer, Gisèle | |
Pélicot, zu unterstellen, sie habe dem in einer gewissen Weise zugestimmt. | |
Gerade diese Antrag konnte vor der Debatte in der Versammlung auf eine | |
breite Billigung hoffen. Doch das Thema der erforderlichen Zustimmung zu | |
Sex bleibt auf der Tagesordnung des französischen Parlaments. Denn ein | |
damit beschäftigter Ausschuss hat sich dafür ausgesprochen, dies im Gesetz | |
zu verankern. Staatspräsident Emmanuel Macron hatte am vergangenen 8. März | |
gewünscht, dass die Bedingung einer Zustimmung im Gesetz stehen müsse. | |
29 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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