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# taz.de -- Die längste Pubertätskrise der Welt: Hauptsache Ampelzertrampel!
> Wenn sich halt alle mal zuhörten! Dann wäre die deutsche Einheit
> jedenfalls näher als jetzt. Und bei Friedensdemos gäbe es weniger
> Russlandflaggen.
Bild: Personifizierter Fachkräftemangel: Christian Lindner
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die Friedensbewegung wird als Kriegsbewegung
geframed.
Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Könnt ihr mal alle [1][ein bisschen runterkommen] bitte?
Laut Bundesinnenministerium ist die Gewalt gegen Obdachlose gestiegen. Was
tun gegen soziale Kälte?
Küppersbusch: Gewalt gegen Obdachlose ist unnötige Mühe, Obdachlosigkeit
ist schon Gewalt. In Deutschland läuft eine Stadt von der Größe Duisburgs,
Nürnbergs, Hannovers ohne Stadt rum. Das ist ein Marktinfarkt.
Bundeskanzler Scholz bezeichnete die deutsche Einheit als
Erfolgsgeschichte. Zu Recht?
Küppersbusch: „Längste Pubertätskrise der Welt“ wäre mal eine neue
Perspektive. Marktwirtschaft, D-Mark, Soli, blühende Landschaften,
zunehmend hilflose Entnazifizierung – was haben wir nicht alles für euch
getan. Allen diesen Wohltaten ist gemein, dass „der Westen“ „die da drüb…
erzieht, ihnen aufhilft, ihnen also voraus ist. Kanzler Scholz belässt es
dabei, dem Osten eine „besondere Verstimmung“ zu attestieren,
[2][Ortsvorsteherin Schwesig] wagt einen Schuss ins Blaue – man habe ja
auch viel eingebracht. Der eigentliche Twist aber ist, wenn die durchaus
nicht Erziehungsberechtigten sehen müssen, dass es alles nix mehr nutzt,
die Rolle zu Ende ist und „die da“ sich vorne sehen. Und das ewige Geknödel
der Alten nur noch nervt. Psychologisch klug wäre also etwa: „Wow, Respekt!
Wie habt ihr das hingekriegt, Ossis? Was können wir von euch lernen?“
Neugierig zu sein auf etwas, das man dringend garnicht wissen will – das
wird noch mal anstrengend.
„Eine Regierung muss sich immer die Frage stellen, ob sie den Anforderungen
der Zeit genügt.“ Was könnte Christian Lindner damit meinen?
Küppersbusch: Bemerkenswert, dass die Wahlniederlagen die Grünen-Spitze
zerlegen und der SPD eine Boris-statt-Olaf-Gerüchtelei aufzwingen. Der
anerkannt wichtigste Selbstzerstörer jedoch, Christian Lindner, sitzt
unangefochten auf der Lok gen Mauer. Neben Politikunfähigkeit und
inhaltlichem Zufallsgenerator also auch noch erschütternder
Fachkräftemangel an der Spitze der FDP. Eine liberale Partei mit
nordkoreanischer Innenarchitektur ist, höflich gesagt, ein interessantes
Paradoxon. Geht die FDP, könnte Scholz versuchen, die Union als
Juniorpartner zu gewinnen. Man lacht beim Schreiben. Oder eben Neuwahlen
und das Gleiche umgekehrt: Union mit verkleinerter SPD. Rechnerisch könnten
auch FDP und Grüne zugleich zur Union überlaufen, das wären dann gleich
zwei Selbstmorde. Allen Optionen gemein ist, dass es hinterher keine
relevante FDP mehr gibt. Wer sich das gewünscht hätte, wäre stolz, den
Einfall „Christian Lindner“ gehabt zu haben.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ist gegen eine Prämie für
Langzeitarbeitslose, die ein Jahr wieder gearbeitet haben. Peitsche statt
Zuckerbrot. Nur wo war in dem Prämien-Vorschlag das Zuckerbrot?
Küppersbusch: Im Furor des Ampelzertrampel hat Linnemann hier ein
leistungsgerechtes Eigentor geschossen: Durch die Blume bzw. Prämie sagt
die Regelung nämlich: Leute, die ein Jahr gearbeitet haben, könnten Lust
haben, statt schlechtem Job und miesem Lohn wieder Köpper zurück ins
Bürgergeld zu machen. Ein Linnemann in Normalform würde hier rumtröten:
„Da! Sie geben es zu! Das Bürgergeld ist zu hoch!“. Stattdessen fiebert er
sich zusammen, Langzeitarbeitslose sollten lieber arbeiten – und übersieht
dabei, dass es um Langzeitarbeitslose geht, die wieder arbeiten. Die also
sollen das „Zuckerbrot“ bekommen. In einem „Wachstumspaket“ aus eitel
Peitschen: Sanktionen, längere Arbeitswege, gemeinnützige Arbeitspflicht.
Man muss Verständnis haben: Das Ampelpaket riecht so nach CDU, dass
Linnemann nichts Vernünftiges zu nörgeln findet.
Am 3. Oktober sprach Sahra Wagenknecht auf der Friedensdemo in Berlin – vor
einem Meer aus Palästina- und Russland-Flaggen. Was sagt das über sie?
Küppersbusch: Was würde die Pressestelle des BSW eigentlich anders machen,
als die Frage so zu stellen? Da sprachen auch [3][Gauweiler,] Lötzsch,
Stegner, und alle unter der Vorgabe „das Zeigen von Nationalfahnen ist
unerwünscht“. Auch „Rassismus, Faschismus, Antisemitismus“ und
„Zusammenarbeit mit der AfD“ und anderen Rechtsextremen wurden schriftlich
vorher abgelehnt. Wie die Demo stattdessen angekündigt und nachberichtet
wurde, sagt über Wagenknecht nur, dass sie ohne die düstere Verliebtheit
vieler Medien auch nur eine unter vielen gewesen wäre.
Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Ahmet Arslan ist mit 30 beim achten Verein angekommen, jetzt
scheint’s zu passen: beide Siegtreffer gegen Victoria Köln. Nächstes Leben
direkt nach Essen.
Fragen: Chantalle El Helou
6 Oct 2024
## LINKS
[1] /Friedensdemo-in-Berlin/!6040618
[2] /Scholz-in-Schwerin/!6040680
[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/csu-peter-gauweiler-kassierte-of…
## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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