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# taz.de -- „Bottom Girls“: Manipulierte Täterinnen
> „Bottom Girl“ werden Frauen wie Ghislaine Maxwell genannt, die Täter von
> Missbrauch unterstützen. Für Prominente rekrutieren und manipulieren sie.
Bild: Früher profitierte Ghislaine Maxwell von ihrer Rolle als Epsteins Kompli…
Ghislaine Maxwell, Georgiana Naghel, Luana Radu und Alena Makeeva – vier
Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch eine Sache haben sie
gemein: Sie sind in Fälle von Machtmissbrauch verstrickt.
Während [1][Ghislaine Maxwell], die Unterstützerin von Jeffrey Eppstein,
von einem US-Gericht bereits zu 20 Jahren Haft wegen Menschenhandels mit
Minderjährigen zu Missbrauchszwecken verurteilt wurde, steht das Urteil
gegen die Models Georgiana Naghel und Luana Radu, die [2][den Brüdern
Andrew und Tristan Tate] dabei geholfen haben sollen, andere Frauen zu
Sexarbeit zu zwingen, noch aus.
Das Verfahren gegen die selbsternannte Casting-Direktorin Alena Makeeva,
die junge Frauen für die After-Show-Partys des Rammstein-Sängers Till
Lindemann rekrutiert haben soll, wurde [3][wie auch das gegen Lindemann
selbst], im vergangenen August eingestellt.
Alle Beispiele spiegeln ein System wieder, in dem auffälligerweise immer
eine Frau eine Schlüsselrolle innerhalb der Organisation des Missbrauchs
eingenommen haben soll. Als enge Vertraute, als Vermittlerin, Organisatorin
und Rekrutin. Im US-Amerikanischen gibt es für diese Position einen
gebräuchlichen Begriff: den des Bottom Girl oder der „Bottom Bitch“. Er
steht in engem Zusammenhang mit der sogenannten Loverboy-Masche, bei der
Männer meist jungen Frauen Liebe vorgaukeln, um sie schließlich durch
psychischen oder physischen Druck zur Sexarbeit zu zwingen.
## Falsche Versprechen
Als Bottom Girl werden in diesem Zusammenhang – in erster Linie, wenn auch
nicht ausschließlich – Frauen bezeichnet, die für ihren Pimp weitere
potenzielle Sexarbeiterinnen rekrutieren. Und das nicht selten mittels
manipulativer Taktiken. Sie bauen Freundschaften auf, versprechen die
Betroffenen in eine Welt einzuführen, die ihnen sonst verschlossen bleiben
würde: mit privaten After-Show-Partys, luxuriösen Urlaubstrips oder
Kontakten zu Stars.
Diese Aspekte sollen laut der Aussage von Betroffenen auch in den Fällen
von Epstein, Lindemann und den Tate-Brüdern eine Rolle gespielt haben. Auch
wenn nicht immer eine Liebesbeziehung zwischen den Männern, denen die Taten
vorgeworfen werden, und ihren möglichen Helferinnen bestand, gibt es
deutliche Überschneidungen zwischen der Darstellung mutmaßlicher
Betroffener und dem Bottom-Girl-Prinzip.
So berichteten mehrere Frauen, unter anderem die deutsche YouTuberin Kayla
Shynx, davon, dass Alena Makeeva sie vor Rammstein-Konzerten zuerst in die
Row Zero und dann zu privaten After-Show-Partys eingeladen haben soll. In
einigen Fällen soll es dort zu Sex mit Till Lindemann gekommen sein.
Ghislaine Maxwell soll Mädchen aus allen Teilen der Welt zu den
Eppstein-Anwesen geflogen haben. Und Georgiana Naghel und Luana Radu wird
vorgeworfen, zwar nicht die Rekrutierung, später aber die Organisation der
erzwungenen Sexarbeit für die Tate-Brüder übernommen zu haben. Unter
anderem soll Naghel dabei geholfen haben, den betroffenen Frauen durch
gestagte Videounterhaltungen ihr Misstrauen zu nehmen und die SexCam-Arbeit
Betroffener auf der Plattform OnlyFans überwacht zu haben.
## Männer an der Spitze
Laut Shannon von Scheele vom Präventionsprogramm Liebe ohne Zwang, das sich
für Aufklärung über die Loverboy-Masche einsetzt, ist Überwachung eine der
üblichen Aufgabe der Bottom Girls innerhalb eines Loverboy-Systems: „Es
kommt häufig vor, dass sie die anderen Frauen nicht nur überwachen, sondern
dann auch bei Fehltritten an den Loverboy verraten. Sie sind sozusagen sein
wachsames Auge.“
Die Bottom Girls übernehmen die konkrete Arbeit on the ground, während die
Männer an der Spitze vom System profitieren. Auch wenn es zunächst einmal
so scheinen mag, dass auch die Vermittlerinnen durch ihre Position einige
Vorteile haben – Macht, Geld oder Fame – ist der Platz der Auserwählten in
vielen Fällen ein zerbrechliches Privileg.
Wie Von Scheele erklärt, kann der jeweilige Täter in letzter Instanz ganz
geschickt die Verantwortung auf die Bottom Girls abwälzen: „Wenn es später
zu einem Prozess kommen sollte, kann er die Schuld auf sie schieben und
sagen, sie sei dafür verantwortlich. Und auch die anderen Betroffenen
können sagen: Nein, sie war die treibende Kraft – nicht er.“
## Blitzableiter für die Täter
Bottom Girls befinden sich in einer Position, in der Schuld und Unschuld
nicht immer leicht zu trennen sind, gerade deshalb bieten sie sich als eine
Art Blitzableiter an, wenn Taten bekannt werden. Auch sie sind Teil eines
hierarchischen Systems, in das man nur allzu leicht hineingeraten kann.
Auch sie stehen nicht selten unter der Manipulation der Täter an der
Spitze.
Dagegen wirken kann in erster Linie Prävention in Form von Aufklärung. Von
Scheele erklärt, dass es wichtig sei, in Präventionsprogrammen verschiedene
Aspekte zu behandeln: „Zum Beispiel auch die Reflexion darüber, was eine
gesunde sexuelle Beziehung ist und wie man sich eigentlich eine
Liebesbeziehung vorstellt. Es ist wichtig sich zu fragen: Wo sind meine
persönlichen Grenzen? Was sind No-Gos?“
Wichtig ist außerdem die Kenntnis darüber, dass es kein Zufall ist, dass
bei Machtmissbrauch häufig eine Frau als Helferin genannt wird: Es hat
Prinzip. Die Kenntnis darüber könnte auch in der öffentlichen Aufarbeitung
bekannter Fälle von Machtmissbrauch helfen. Nicht unbedingt um die
Schuldfrage zu klären – das müssen Gerichte entscheiden, und im Fall von
Maxwell und Makeeva taten sie es ja bereits – sondern vielmehr, um
zukünftig junge Frauen zu schützen. Systeme von Machtmissbrauch entsprechen
selten dem Klischee. Nicht immer ist es ein Mann, der junge Frauen
anspricht. Und nicht immer agieren die Täter allein.
23 May 2024
## LINKS
[1] /US-Gericht-veroeffentlicht-Dokumente/!5983586
[2] /Frauenfeindlicher-Influencer-Andrew-Tate/!5942078
[3] /Ermittlungen-gegen-Lindemann-eingestellt/!5954836
## AUTOREN
Lea Sauer
## TAGS
Jeffrey Epstein
Rammstein
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Schwerpunkt #metoo
Antifeminismus
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