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# taz.de -- Gemütslage vor der Fußball-EM: Gesundbeten für Fortgeschrittene
> 100 Tage vor der Fußball-EM ist die Stimmung eher mies. Das hält die
> Organisatoren nicht davon ab, von einem Sommermärchen 2.0 zu träumen.
Bild: „Bei der WM 2006 habe ich selbst erfahren, wie sehr ein Turnier im eige…
In wenigen Wochen wird die Umgebung anders aussehen. Etwas bunter. Wenn
erst einmal der Frühling den Frankfurter Stadtwald erreicht, die Tage
länger und wärmer werden, dann liegt die Orga-Zentrale für die Fußball-EM
2024 im zweigeschossigen Anbau der früheren DFB-Zentrale in der
Otto-Fleck-Schneise mitten in einer grünen Wohlfühloase. So ähnlich soll es
mit der von hier gesteuerten Endrunde (14. Juni bis 14. Juli) werden. Aber
100 Tage vorm Startschuss will der graue Schleier, der über dem Turnier
liegt, nicht weichen.
Begeisterung und Vorfreude auf das Sportereignis sind kaum vorhanden. Die
Macher der EM sehen das freilich anders. Markus Stenger, Geschäftsführer
der Euro 2024 GmbH, sagte erst kürzlich auf dem Sportbusinesskongress
Spobis in Hamburg: „Das Ausland hat wahnsinnig viel Lust. Da verspüren wir
eine wahnsinnige Vorfreude – teilweise stärker als im Inland.“
Doch auch Stengers Sorgenfalten sind größer geworden. Neben der Mobilität
sei die Sicherheit „mit Blick auf die geopolitische Weltlage eine
herausfordernde Geschichte“, sagte er. „Es ist noch nichts verrutscht, aber
wir haben noch jede Menge zu tun. Alles steht und fällt mit der
Sicherheit.“ Wie also soll das vielzitierte Sommermärchen 2.0 eigentlich
zustande kommen?
Die Antwort muss zuerst lauten, dass es vor der WM 2006 zum vergleichbaren
Zeitpunkt ja kaum besser war. Die Stiftung Warentest versetzte das Land
damals zu Jahresbeginn in hellen Aufruhr, weil die von viel Steuergeld
gebauten neuen Arenen angeblich „teilweise beträchtliche Sicherheitslücken�…
aufwiesen. Man nörgelte halt schon damals gerne: über zu viele Karten für
VIPs und Sponsoren; über angebliche Datenlecks bei den WM-Tickets und
natürlich über eine Nationalmannschaft, die sich mit einem 1:4 gegen
Italien in Florenz eine Klatsche abholte.
## Abhängigkeit von der Uefa
Das alles war kein Thema mehr, als [1][mit dem Eröffnungsspiel am 9. Juni
2006 in München] der Verteidiger Philipp Lahm trotz eines kaputten Arms den
Ball gegen Costa Rica in den Winkel jagte. Ab diesem Tag schien in ganz
Deutschland die Sonne. Und die Welt war wirklich zu Gast bei Freunden.
[2][Heute ist der WM-Kunstschütze der EM-Turnierdirektor.] „Bei der WM 2006
habe ich selbst erfahren, wie sehr ein Turnier im eigenen Land die Menschen
begeistern kann. Deutschland hat sich als gastfreundliches Land und guter
Organisator präsentiert“, beteuert Lahm. Er sei sich sicher, „dass auch die
Euro 2024 ein Ereignis werden kann, das die Menschen in Deutschland und
Europa begeistert und zusammenbringt“.
Nur alles ist eben nicht vergleichbar, und das geht bei der Orga-Truppe
schon mal los, die 2024 als Joint Venture zwischen DFB und Uefa angelegt
ist. 2006 hielt das deutsche OK die Strippen in der Hand. „Wir konnten uns
sechs Partner als nationale Sponsoren suchen“, erinnert DFB-Präsident Bernd
Neuendorf.
Genau wie Lahm versucht sich der Verbandschef als Gesundbeter. Ihm gefällt
es nicht, wenn „die Stimmung in den Keller geredet wird“. Er wehre sich
zwar dagegen, dass der „Fußball als Allheilmittel“ tauge, aber
„Abwechslung, Zuversicht, Freude und Stolz“ solle das Turnier schon
stiften. Es hätte nicht 150.000 Bewerbungen aus aller Welt auf die 16.000
Volunteer-Plätze gegeben, führte der frühere SPD-Politiker aus, wenn „sich
nicht so viele Menschen mit dem Turnier in Verbindung setzen wollen“.
Gleichwohl merke er, wie die „multikrisenhafte Situation auf die Stimmung
drückt“. Die gesellschaftspolitische Kontroverse, da viele Menschen
hierzulande bei wichtigen Zukunftsfragen wie Energieversorgung, Klimaschutz
oder Zuwanderung nicht zusammenfinden können, setzt sich auf die
angespannte Weltlage mit Ukrainekrieg und Nahostkonflikt drauf. Davon soll
der Fußball ablenken, sogar Klebstoff liefern.
Die EM-Organisatoren bedauern, dass die Bundesregierung auf der Bremse
steht. „Man hätte mehr aus dem Turnier machen können“, kritisierte Stenger
erneut. Die Säule Transport wackelt, weil Flug- und Bahnverkehr – nicht nur
streikbedingt – gefühlt so unzuverlässig wie nie zuvor sind. Auch die
Großbaustellen auf vielen Autobahnen sind natürlich nicht rechtzeitig
beseitigt. Ausrichterstädte könnten einen Ansturm erleben, der die
Kapazitäten von Fanzonen und Innenstädten sprengt.
Adidas-Chef Björn Gulden erwartet nicht weniger als „ein Volksfest wie
2006, vielleicht sogar besser“. Der Konzernboss, auf dessen Gelände in
Herzogenaurach die deutsche Nationalmannschaft während des Turniers
logiert, erinnert an die „bombastische Stimmung“ [3][jüngst bei der
Handball-WM]. Warum soll das nicht auch die Fußball-EM prägen? Auf den
Halbfinaleinzug der DFB-Auswahl will der Norweger übrigens „eine Flasche
Wein“ wetten.
6 Mar 2024
## LINKS
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[3] /Deutsche-Enttaeuschung-bei-Handball-EM/!5984277
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Deutscher Fußballbund (DFB)
Uefa
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