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# taz.de -- Zum Tod von Franz Beckenbauer: Vergängliche kaiserliche Herrschaft
> Beckenbauer, der Fußballkaiser, war ein wichtiges Symbol der Bonner
> Demokratie. Nach seinem Tod am Sonntag verbleiben auch
> Korruptionsvorwürfe.
Bild: Eintrag ins Kondolenzbuch: Bayerns Ministerpräsident Söder und Vertrete…
Ein Kaiser beherrscht bekanntlich einen Staat, mit vielen Untertanen und
einem Territorium. Ein Kaiser benimmt sich wie jeder König auch, aber
darüber hinaus hält er sich für etwas Gottgleiches, das Reich und Glauben
beschützt. So weit die Herrschaftsphilosophie, die von Cäsar über Willem
Zwo und China bis zum Tenno reichte. Aber was machte den [1][Franz
Beckenbauer] zum Politikum?
Er repräsentierte seit seinen ersten internationalen Auftritten 1966 die
westdeutsche Nachkriegsrepublik, und ab 1990 schickte er sich an, in der
ganzen Welt als Gesicht des neuen Deutschlands zu gelten. „You come from
Germany?“, fragten Menschen ihre Gäste aus Deutschland und gaben zur
Antwort, alles Wichtige über dieses Land zu wissen: „We know Beckenbauer.“
Wen dieser politische Botschafter vergessen machen sollte, wurde durch eine
ebenfalls oft zu hörende Redewendung deutlich: „… bekannter als Adolf
Hitler“.
Seine Eleganz, seine Lockerheit, seine zumindest ab Mitte der 1970er Jahre
aufblitzende Weltoffenheit, gepaart mit der wohlwollenden Aufnahme all over
the world – all das zeigte, dass dieser [2][Franz Anton Beckenbauer],
geboren am 11. September 1945 in München-Giesing, wirklich zum wichtigsten
Repräsentanten der Bonner Demokratie aufgestiegen war. Bedeutender als Inge
Meysel, Willy Brandt, Nicole und Heinrich Böll zusammen.
## Er war Gesicht, Hüfte, Fuß Deutschlands
Nur dass er das „Gesicht Deutschlands“ gewesen sei, das greift bei einem
Berufssportler deutlich zu kurz. „Gesicht“ kann eine Schauspielerin oder
ein Politiker sein, „Stimme“ eine Sängerin oder ein Schriftsteller, aber
der Beckenbauer war mehr: Fuß und Bein, Hüfte, Locke und Oberkörper, Kopf
und eben auch noch Gesicht dieser Republik, die mit ihm doch beweisen
wollte, etwas ganz anderes zu sein als das politische Gebilde, das 1945
kapituliert war.
Aber der Kaiser ist kein Jesus- oder Storchenkind. Als Repräsentant des
Neuen kann er nur fungieren, wenn er das Alte in sich aufnimmt. So wenig
wie er Westdeutschlands Kaiser hätte werden können, wenn er schon beim
[3][„Wunder von Bern“] 1954 dabei gewesen wäre, so wenig durfte er diese
Wehrmachtsgeneration vor den Kopf stoßen. Hinter Rebellen à la [4][Paul
Breitner] hielt der Franz sich brav zurück.
Stattdessen wurden von ihm Äußerungen kolportiert, er halte Willy Brandt
für ein „nationales Unglück“, die er wenig glaubwürdig dementierte. Aber
vor allem sorgte sein Hofstaat, der unübersehbar von der CSU und Franz
Josef Strauß orchestriert wurde, dafür, dass der Kaiser über den Parteien
und über dem Volk stand.
Die Kaiserwerdung Beckenbauers hat erstaunlich gut funktioniert: Wer ihn
erblickte, ob auf dem Fußballplatz oder bei einer Abendgala, sah ein neues,
anderes Deutschland. Eines, das nicht nach Arbeit aussah, das Lächeln
konnte, erfolgreich war, ohne dafür allzu sehr angefeindet zu werden. Weil
der Kaiser dieses – ganz offensichtlich: sehr geschönte – Bild des Landes
so prima repräsentierte, wurden ihm prompt weitere Aufgaben übertragen, um
dieses Image weiter zu transportieren.
Als die [5][Nationalelf 1984] kriselte, wurde Beckenbauer geholt, und der
erfüllte seine Mission so gut, dass die Nationalmannschaft 1990 als
Weltmeister in die deutsche Einheit eintrat. Und als die Granden des
größeren Deutschland eine Fußball-WM ausrichten wollten, um der Welt zu
zeigen, wie ach so normal alles ist, gab es nur einen, der dies mit
strahlendem Lächeln in die Welt tragen konnte: der Kaiser.
Auch diese letzte Mission war erfolgreich, allerdings wurde durch die
aufgeflogene Korruption das gute Image Beckenbauers massiv beschädigt. Das
politische Kapital des Kaisers bestand darin, dass er nie als politischer
Akteur wahrgenommen wurde. Als dieser Trick überreizt wurde, begann die
Kaiserdämmerung.
12 Jan 2024
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## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Kolumne Über den Ball und die Welt
Franz Beckenbauer
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Franz Beckenbauer
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