# taz.de -- Olympische Lost Places in Berlin: Vom Becken zur Sandmulde | |
> Olympia in Berlin hat sich weggeduckt. Wie ein verfallenes Schwimmbad im | |
> Berliner Volkspark Friedrichshain einmal fast zur Olympiastätte geworden | |
> wäre. | |
Bild: Rackern für die Republik: Arbeiter bauen im Jahre 1951 das Friesenstadio… | |
Es lohnt sich immer, einen Ausflug ins Zentrale Verzeichnis Antiquarischer | |
Bücher, ZVAB, zu unternehmen. Neulich zog ich eine Broschüre aus den Weiten | |
des Archivs: die Bewerbung der Stadt Berlin beim Nationalen Olympischen | |
Komitee für die Olympischen Sommerspiele. Berlin wollte ja den Olymp | |
besteigen und im Jahr 2000 unter anderem die „Freundschaft zwischen den | |
Völkern fördern“, wie der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) | |
schreiben ließ. | |
Die Broschüre wurde im Februar 1991 veröffentlicht. Das Interessante daran | |
sind nicht die blumigen Worte und die Werbung in eigener Sache, sondern | |
Planungsvorhaben, die heute fast in Vergessenheit geraten sind. Sie hätten | |
das Stadtbild von Berlin nachhaltig verändert, vor allem im Osten der | |
Hauptstadt. | |
In Beton gegossene Relikte olympischen Anspruchsdenkens sind vor allem die | |
Radsport- und Schwimmhalle, also das Velodrom sowie die Schwimm- und | |
Sprunghalle im Europasportpark, die sich auf dem Gelände der alten | |
Werner-Seelenbinder-Sporthalle befinden, die wiederum auf den Resten eines | |
Schlachthofs erstand. Diese beiden Sportstätten verstecken sich gleichsam, | |
der Sport findet im Keller statt, und auf der, nun ja, parkähnlichen | |
Oberfläche herrscht mittlerweile eine Lost-Place-Atmo. Olympia in Berlin | |
hat sich weggeduckt, [1][und obwohl es wieder Versuche gibt aufzustehen], | |
bleibt doch dieses Vorhaben aus den 90er Jahren in trauriger Erinnerung. | |
[2][Die olympische Schwimmhalle] hätte eigentlich im Volkspark | |
Friedrichshain stehen sollen, einer ganz hübschen Grünfläche im Berliner | |
Bezirk Prenzlauer Berg. Da türmen sich nicht nur mittlerweile üppig | |
bewachsene Schutthügel, im Nordteil des Parks stand auch lange Zeit ein | |
Schwimmbad, das Friesenstadion. Wo in der wärmeren Jahreszeit | |
Beachvolleyballer ihre Netze aufspannen, wo Rollschuhfahrer und | |
Hundebesitzer ihre Runden drehen, da wurde zu DDR-Zeiten – auch mit | |
Leistungsanspruch – geschwommen. | |
## Ranklotzen für die Weltfestspiele | |
1951 entstand das Karl-Friedrich-Friesen-Stadion. Später hieß es schlicht | |
Friesenstadion – benannt nach einem Zeitgenossen von Turnvater Jahn. | |
Freiheitskämpfer Friesen stellte sich einst gegen Napoleon. Ihm ging es um | |
die „sittliche Erneuerung“ des Volkes; zu diesem Behufe wurde an der | |
Berliner Unterbaumbrücke eine der ersten deutschen Schwimmanstalten | |
gegründet. | |
Das Schwimmstadion im Park Friedrichshain entstand nun als Freibad | |
anlässlich [3][der dritten Weltfestspiele der Jugend]. In nur 156 Tagen | |
bauten die Ostberliner in „freiwilligen“ Schichten das Bad. Hier schwamm | |
1958 Karin Beyer über 100 Meter Brust den ersten Schwimmweltrekord der DDR, | |
nationale Meisterschaften wurden ausgetragen. | |
In den 80er Jahren verfiel das Stadion zusehends. Im Jahre 1994 entdeckte | |
diese Zeitung am alten Ort der Olympiaplanung „eine trocken-blaue | |
Ruinenwelt voll rostiger Stangen, eingestürzter Tribünengänge, gesperrter | |
Emporen, abgeplatzter Kacheln und rissiger Becken“. Dabei war doch Großes | |
vorgesehen: Ein Sportkomplex mit Plätzen für 10.000 Zuschauer. | |
Die olympischen Wettbewerbe im Schwimmen, Wasserspringen und | |
Synchronschwimmen sowie die Finalspiele im Wasserball hätten im Park | |
Friedrichshain stattfinden sollen. „Geplant ist eine architektonisch | |
beispielhafte Anlage“, hieß es vom Bewerber, „die in der Nachnutzung den | |
Leistungssportlern und auch der Berliner Bevölkerung als attraktives | |
Freizeit- und Erholungsbad zur Verfügung stehen wird.“ Doch auch die | |
Luftschlösser, die auf dem Gelände des Jahn-Sportparks geplant waren und in | |
denen Boxer, Judoka und Baseballer hätten schwitzen sollen, blieben | |
zweidimensionale, ephemere Entwürfe auf Papier. | |
„Berlin dankt der Welt“, so hieß das Motto damals. Und tatsächlich: Berlin | |
dankt der Welt, dass sie ein Einsehen hatte. | |
21 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/11/berlin-senat-absichtserklaerun… | |
[2] https://www.iberty.net/2019/08/friesenstadion-friedrichshain-rekord-schwimm… | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Weltfestspiele_der_Jugend_und_Studenten | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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