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# taz.de -- Entführte Israelis in Gaza: „Das Leben ist wie ein Horrorfilm“
> Die IDF-Soldatin Karina Ariev wurde an einer Militärbasis verschleppt. In
> ihrem letzten Anruf sagte sie: „Gebt nicht auf“. Ihr Verbleib ist
> ungewiss.
Bild: Kein Lebenszeichen von IDF-Soldatin Karina Ariev
Noch immer wird eine unbekannte Zahl an Menschen aus Israel vermisst. Sie
sind in der Gewalt von Terroristen der Hamas, die sie nach Gaza entführt
haben. Schätzungen belaufen sich bislang auf über hundert Betroffene. Die
taz hat mit zahlreichen Familienangehörigen und Freunden der Vermissten
gesprochen. In den nächsten Tagen werden [1][diese Gespräche]
veröffentlicht.
Karina Ariev wurde vergangenen Samstagmorgen von palästinensischen
Terroristen der islamistischen Hamas an der Militärbasis Nahal Oz an der
Grenze zu Gaza verschleppt. Ariev hatte kurz zuvor eine Schicht am
Grenzposten absolviert. Junge Soldatinnen, die die Schicht nach Ariev
hatten, wurden von der Hamas ermordet. Die Terroristen haben den Kontakt
zur anderen Militärbasis gekappt, damit sie nicht nach Verstärkung rufen
konnten. Ariev hat vergangenes Jahr die Schule beendet und ist seit dem 23.
Oktober 2022 bei der IDF. Wie alle jungen Menschen in Israel musste auch
sie ihren Militärdienst für zwei Jahre antreten. Die taz sprach mit Sasha
Ariev, Karinas Schwester, über ihren letzten Anruf vor der Verschleppung.
„Um 6:30 Uhr am vergangenen Samstag wachte ich auf, weil meine Schwester
Karina mich anrief. Ich übernachtete bei meinem Freund und war gerade nicht
zu Hause. Als ich ranging, war sie panisch, hysterisch und weinte. Im
Hintergrund hörte ich andere Mädchen weinen und schreien. Sie bat mich,
unsere Eltern anzurufen und vorsichtig zu sein. Ich fuhr zu meinen Eltern,
ohne mich zu sehr zu sorgen, weil der Süden Israels in regelmäßigen
Abständen bombardiert wird.
Gegen 7 Uhr schrieb sie mir: ‚Wenn ich nicht überlebe, pass bitte auf
unsere Eltern auf. Versprich mir, dass ihr weiterleben werdet und den Kopf
nicht hängen lasst. Gebt nicht auf.‘ Danach riefen meine Eltern und ich sie
an. Als wir sie ans Telefon bekamen, sagte sie uns, dass sie uns liebt.
Dann hörten wir Stimmen, die auf Arabisch schrien. Wir versuchten Karina zu
beruhigen, ihr zu sagen, dass sie bald gerettet werden würde, dass sie
bewaffnet ist. Aber es waren einfach zu viele Terroristen, Hunderte von
ihnen hatten die Grenze überquert und die Militärbasis erobert. Um 7:40 Uhr
schrieb sie in unsere Familienchatgruppe: ‚Terroristen. Sie sind hier‘.
Danach brach der Kontakt ab, wir kamen nicht mehr zu ihr durch.
Die darauffolgenden Stunden durchsuchten wir Telegram, um irgendwelche
Hinweise auf ihren Verbleib zu finden. In einem arabischen Kanal stießen
wir auf ein Video, das sie mit blutendem, malträtiertem Gesicht in einem
Jeep der Hamas zeigt. Neben ihr saßen zwei andere, sehr junge Mädchen, die
ich nicht kenne. Sofort fuhren meine Eltern zur Polizei, um irgendetwas
über dieses Video und den Verbleib meiner Schwester herauszufinden. Es
klingt komisch, aber wir haben Glück. Immerhin gibt es ein Video, das sie
lebendig zeigt. So viele Familien wissen gar nichts über den Verbleib ihrer
verschleppten Angehörigen, wir haben immerhin einen Anhaltspunkt, das ist
besser als nichts. Eine gute Freundin meiner Schwester namens Aviv wurde
vor Ort getötet, eine weitere, Danielle, ist ohne jede Spur verschwunden.
Hinweis: Das hier eingebettete Video enthält verstörende Szenen von Gewalt.
40 Stunden, nachdem wir das Video von Karina gesehen haben, meldete sich
die IDF bei uns und bestätigte, dass Karina höchstwahrscheinlich als Geisel
genommen wurde. Seitdem haben wir nichts mehr gehört. Ich kann kaum
beschreiben, wie sich das anfühlt. Das Leben ist gerade wie ein Horrorfilm,
der sich immer wieder von vorne abspielt. Wir halten es kaum aus, nur für
Karina bleiben meine Eltern und ich stark. Von Seiten der Regierung wird
nicht genug unternommen, um die Geiseln freizubekommen. Es gibt keine
Verhandlungen, keinen geplanten Gefangenenaustausch – stattdessen
bombardieren sie einfach weiter Gaza.
Auch von der Weltöffentlichkeit wünschen wir uns mehr Druck. Jede Regierung
hätte die Macht, etwas zu unternehmen, auch Deutschland. Einige Leute gehen
bei uns deswegen auf die Straße, sie wollen die Politik dazu bewegen, sich
mehr für die Geiseln einzusetzen. Wir gehen nicht demonstrieren, weil wir
in dieser schwierigen Stunde Einigkeit in unserem Land wahren wollen. Aber
wenn es nach mir ginge, sollten sie humanitäre Organisationen, Soldaten
oder das Rote Kreuz, irgendjemanden nach Gaza schicken, um sie
freizubekommen. Zuerst kommen Menschenleben, danach alles Weitere.
Meine Schwester Karina und ich leben beide noch zu Hause bei unseren Eltern
in Jerusalem. Zu Hause sprechen wir Hebräisch und Russisch, unsere Eltern
kamen selbst als Jugendliche aus der Sowjetunion nach Israel. Sie ist
eigentlich noch ein kleines Mädchen, herzlich und naiv. Ihre Familie und
Freunde stehen für sie an erster Stelle.“
Protokoll: Anastasia Tikhomirova
13 Oct 2023
## LINKS
[1] /Entfuehrte-Israelis-in-Gaza/!5966225
## AUTOREN
Anastasia Tikhomirova
## TAGS
Israel
Gaza
Hamas
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Hamas
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