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# taz.de -- Heldenverehrung im Sport: Ein Strohfeuer, hoffentlich
> Warum das Oliver-Bierhoff-Branding „Die Mannschaft“ gut – und die
> Heroisierung von Nationalspielern schlecht ist.
Bild: Schönen Dunk! Basketball-Weltmeister Dennis Schröder lässt sich in Fra…
[1][Als Frankreich 1998 Fußballweltmeister wurde], war das nicht nur der
Triumph einer Mannschaft, sondern auch der Triumph einer neuen Zeit über
die alte. Das neue Frankreich war nun black, blanc, beur – schwarz, weiß,
maghrebinisch. Der Multikulturalismus hatte gesiegt, und im Élysée wurde
erwogen, für Zinédine Zidane den Posten eines Weltbotschafters zu schaffen,
um dieses neue Frankreich überall auf dem Globus zu repräsentieren.
Zwölf Jahre später war von dieser Euphorie nicht mehr das Geringste übrig.
Als in Südafrika die Spieler gegen Coach und Verband streikten, war ihre
Verdammung einhellig: die „kleinen Chefs“, wie L’Équipe sie nannte, galt…
als verwöhnte Bande, die sich in aller Selbstgefälligkeit aus ihrer
Verantwortung stahl. Und all das nur, weil sie sich nicht unter eine
gemeinsame Idee hatten unterordnen können. Ihre soziale Herkunft – die
sogenannten Rädelsführer wuchsen alle in Banlieues auf – und ihr Glaube
wurden gegen sie instrumentalisiert und zu einer vergifteten Debatte über
Integration verrührt.
Jeder große Titel soll für mehr stehen als die Leistung der Mannschaft;
soll eine Metapher sein für das Land, die Gesellschaft, für die er errungen
wurde. Davon bleiben auch Sportarten wie der Basketball nicht verschont.
Die sozialen Medien quellen über mit Lobeshymnen auf Dennis Schröder, der
nicht weiß ist und kein Christ und nicht die Nationalhymne mitsingt vor den
Spielen. Seht, ihr rechten Narren, schreien diese Posts, so schön ist ein
weltoffenes Deutschland!
## Instabile Triumphe
Das Problem dieser Verehrung ist, erstens, eine gewisse Übergriffigkeit.
Nicht jede*r herausragende Sportler*in möchte oder kann als
Projektionsfläche für eine bessere Welt zur Verfügung stehen. Zidane zum
Beispiel wollte das nie. Dennis Schröder ist zwar etwas medienaffiner, hat
aber auch immer wieder gesagt, dass es nur um Basketball ginge und nichts
sonst. Die Sportler gegen ihren erklärten Willen zu instrumentalisieren,
und sei es noch so wohlmeinend, überfrachtet sie mit Erwartungen.
Zweitens sind sportliche Triumphe instabil: Eine Sensation wie der Gewinn
der Weltmeisterschaft ist kaum wiederholbar. Den Kampf gegen das Scheitern
hat noch jede Mannschaft auf Dauer verloren. Triumphe erzählen weniger vom
Gelingen als von der Vergänglichkeit und dem mutigen, aber beinah sinnlosen
Kampf dagegen. Der nächste Absturz wird kommen, und dann lassen sich diese
ganzen Beweise für ein offenes und tolerantes Deutschland ohne Weiteres
umdrehen – was eher zur Realität im Land passt.
Drittens denkt [2][der Multikulturalismus im Sport] in nationalen Grenzen.
Das ist das eigentliche Übel: dass sich ein breites Publikum nur darum
schert, was auf dem Spielfeld passiert, weil irgendetwas deutsch ist. Er
bringt genau das hervor, was er zu überwinden meint. Eine gute Alternative
hatte sich im Fußball etabliert: Da hatte Oliver Bierhoff mit seiner
seelenlosen Marketingkonstruktion „Die Mannschaft“ den Grundstein gelegt
für ein breites Desinteresse in der Bevölkerung, dem dann auch sportlich
minder erfolgreiche Jahre folgten.
Dadurch ist es sehr gut gelungen, den Trubel rund um die Heim-EM im
nächsten Jahr zu bremsen. Leider ist der DFB von dieser erfolgreichen
Strategie jetzt abgewichen. Aber mit etwas Glück bleibt der Sieg gegen
Frankreich ein Strohfeuerchen; hoffen wir es.
13 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=tmjFa9LB7Pg
[2] https://www.deutschlandfunk.de/der-sport-auf-der-suche-nach-dem-wir-8-natio…
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Kolumne Helden der Bewegung
Dennis Schröder
Zinedine Zidane
Basketball
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IG
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