# taz.de -- Bündnis fordert Pflegevollversicherung: Gegen die Eigenbeteiligung | |
> Pflegebedürftige zahlen für stationäre Pflege immer mehr | |
> Eigenbeteiligung. Viele können das nicht leisten. Ein breites Bündnis | |
> fordert eine Reform. | |
Berlin taz | Wer im Alter oder wegen Krankheit auf stationäre Pflege | |
angewiesen ist, braucht Geld: Im ersten Jahr Aufenthalt in einem | |
Pflegeheim, müssen Pflegebedürftige im Schnitt monatlich 2.700 Euro | |
Eigenbeteiligung aufbringen. Und die Zuzahlung steigt – im letzten Jahr | |
bundesweit um durchschnittlich 348 Euro monatlich. Ein Bündnis von Sozial-, | |
Wohlfahrts- und Pflegeverbänden sowie Gewerkschaften fordert deswegen eine | |
Pflegevollversicherung ohne Eigenbeteiligung. | |
Eine vom [1][Bündnis beauftragte Forsa-Umfrage zeigt], dass jede*r Fünfte | |
die Eigenbeteiligung unterschätzt und nur 14 Prozent der Befragten davon | |
ausgeht, die Summe bezahlen zu können. Eine deutliche Mehrheit von 81 | |
Prozent ist für die Pflegevollversicherung. Bei der Vorstellung der Umfrage | |
am Donnerstag, sagte Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen | |
Gesamtverbands, eine große Pflegereform sei dringend notwendig: „Wenn jetzt | |
nichts passiert, dann stehen wir vor dem Systemkollaps“. | |
Vor allem die [2][FDP würde eine solidarische Reform jedoch verhindern], | |
setze stattdessen auf private Absicherung. Finanzminister Christian Lindner | |
(FDP) blockiere die Umsetzung einer Abmachung aus dem Koalitionsvertrag zur | |
Entlastung der Pflegeversicherung. Der Bundestag hatte im Juni bereits eine | |
Pflegereform beschlossen. Diese gehe aber nicht weit genug und sei mit zu | |
wenig Geld ausgestattet, so Schneider. | |
Die steigende Eigenbeteiligung können immer mehr Heimbewohner*innen | |
nicht stemmen, inzwischen empfängt gut ein Drittel [3][Sozialhilfe]. | |
Manfred Stegger, Vorstand vom Pflegeschutzbund und Bündnispartner, | |
forderte, Menschen sollten darauf vertrauen können, dass eine solidarische | |
Pflegeversicherung das Pflegerisiko auch abdecke: „Sozialhilfe ist kein | |
würdiger Ersatz für Ansprüche aus eigenen Beitragszahlungen.“ | |
## Bündnis hält Vollversicherung für finanzierbar | |
Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand sagte, Beschäftigte und | |
Pflegebedürftige würden gegeneinander ausgespielt, etwa wenn jede | |
Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder Steigerung von Löhnen für | |
Pflegekräfte sich automatisch in höheren Kosten für die Pflegebedürftigen | |
niederschlage. Diese Logik gelte es zu durchbrechen, deswegen unterstütze | |
die Gewerkschaft die Forderung nach einer Pflegevollversicherung. | |
Die Bündnispartner*innen geben an, die Vollversicherung sei | |
finanzierbar, wenn die Trennung von privater und gesetzlicher | |
Pflegeversicherung aufgehoben werde. Außerdem fordern sie, dass die | |
[4][Beitragsbemessungsgrenze angehoben] wird. Diese liegt derzeit bei einem | |
monatlichen Einkommen von knapp 5.000 Euro brutto. Für die Berechnung der | |
Beiträge sollten laut Bündnis auch Kapitalerträge miteinbezogen werden. Das | |
Bündnis geht davon aus, dass für die Vollversicherung mit diesen Maßnahmen | |
eine durchschnittliche monatliche Beitragserhöhung von 5 Euro für | |
Beitragszahler*innen übrig bliebe. | |
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva-Maria Welskop-Deffaa, | |
kritisierte die Forderungen des Bündnisses. Sie warnte vor Überfrachtung | |
der Pflegeversicherung. Diese brauche zwar mehr Mittel, sei aber kein | |
„Erbenschutzprogramm“. Wer alt und krank sei, dürfe sein Vermögen | |
aufzehren, gute Pflege gebe es nicht zum Nulltarif. | |
Ates Gürpınar, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, begrüßte | |
dagegen die Forderung der Bündnispartner: „Die Pflegekosten sind | |
mittlerweile für einen Großteil der Bevölkerung unbezahlbar. Pflege macht | |
arm. Das darf so nicht bleiben.“ | |
25 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dgb.de/presse/++co++1cfd30a8-4258-11ee-be39-001a4a160123 | |
[2] /Die-Pflegereform-bringt-es-nicht/!vn5950632 | |
[3] /Armutsrisiko-und-Pflegeheim/!5946767 | |
[4] /Gutachten-zu-Plaenen-der-Linkspartei/!5785015 | |
## AUTOREN | |
Luisa Faust | |
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