| # taz.de -- Australien bei der Heim-WM: Die Wade der Matildas | |
| > Gastgeber Australien hofft vor dem Spiel gegen Olympiasieger Kanada auf | |
| > den ersten Einsatz von Sam Kerr. Die Stürmerin soll das WM-Aus | |
| > verhindern. | |
| Bild: Wade gut, alles gut: Stürmerin Sam Kerr will unbedingt gegen Kanada spie… | |
| Goulburn taz | Am Grill des Bowling-Clubs in der australischen Kleinstadt | |
| Goulburn ist man sich im Klaren: Am Montag (12 Uhr, ZDF) geht es um die | |
| Wurst. „Wenn wir die Kanadierinnen nicht schlagen, ist es vorbei“, sagt | |
| Teena, eine etwa 50-jährige Frau mit rosa gefärbtem Haar. Gemeinsam mit | |
| vier Freundinnen läutet sie wie jeden Freitag den Feierabend ein. „Wenn Sam | |
| Kerr wieder nicht spielen kann, haben wir keine Chance“, prophezeit sie, | |
| bevor sie einen Aperol an die Lippen setzt. | |
| Auf dem Großbildschirm läuft eine Aufzeichnung des Spiels der | |
| Australierinnen gegen Nigeria. Das Zusehen scheint Teena fast physische | |
| Schmerzen zu bereiten. 2:3 haben die „Matildas“ verloren – ein absoluter | |
| Schock für die Nationalmannschaft. „Peinlich, einfach nur peinlich“, | |
| murmelt die Frau, wendet sich ab und zündet eine Zigarette an. | |
| Die Fußballweltmeisterschaft hat in Australien eine neue Klasse von | |
| Sportbegeisterten geschaffen, in einem Land, in dem traditionell das | |
| männerdominierte Rugby herrscht und Cricket: Frauen. Klar, sportbegeisterte | |
| Frauen gab es schon immer, auch in Rugby- und Cricketstadien. Aber nur | |
| allzu oft stehen oder sitzen sie dort im Schatten ihrer Männer. | |
| Auch Teena. Sie sei zwar mit ihrem Ex-Partner zu Rugby-Partien gegangen, | |
| aber eben nur, weil der das wollte. Sich ein Spiel am Fernsehen | |
| anzuschauen, auf diese Idee wäre sie nie gekommen. Bis jetzt. Ob die | |
| Matildas gegen Irland gespielt haben oder gegen Nigeria – sie hat | |
| zugeschaut. Gemeinsam mit ihren Freundinnen – und einer Flasche Aperol. | |
| ## Normale Girls | |
| Was Frauen wie Teena an den Matildas so fasziniert, ist die scheinbare | |
| Einfachheit der „Girls“, wie sie und die Mehrheit der Kommentatorinnen die | |
| Matildas nennt. „In Interviews hören sie sich ganz normal an. Und nicht | |
| einmal geschminkt sind sie“, beobachtet die Verkäuferin. | |
| Im sportbesessenen Australien ist es nicht selten so, dass Niederlagen in | |
| den Medien entweder gar nicht erwähnt werden oder bestenfalls in einem | |
| Nebensatz. Wenn, dann geht es darum, was dafür verantwortlich sein könnte. | |
| Auch Teena ist da nicht anders. „Mit Sam im Team wäre das nicht passiert“, | |
| meint sie. | |
| [1][Sam Kerr. Die Stürmerin ist der absolute Star der Matildas.] Doch | |
| bisher musste die 29-Jährige von der Seitenlinie zusehen. Eine Zerrung der | |
| linken Wade während des Trainings hatte ihr das Mitspielen verunmöglicht. | |
| Kerrs scheinbar alles entscheidender Wadenmuskel wurde kurzzeitig zum | |
| nationalen Diskussionsthema, nachdem ihre Teamkollegin Kyra Cooney-Cross | |
| während einer Pressekonferenz beiläufig bemerkt hatte, es sei bedauerlich, | |
| dass Sam ihn „so kurz vor den Spielen gerissen“ habe. Gerissen? Die | |
| Verantwortlichen korrigierten sofort, mit leichter Panik in der Stimme. Es | |
| handle sich nur um eine Zerrung, nicht um einen Riss. | |
| Am Samstag ließ Kerr die Nation aufatmen. Sie fühle sich vor dem alles | |
| entscheidenden Spiel gegen Kanada „gut“, meinte sie. „Ich werde definitiv | |
| zur Verfügung stehen.“ Matilda-Trainer Tony Gustavsson hörte sich etwas | |
| weniger überzeugend an. Die Chelsea-Stürmerin werde „alles tun“, um zu | |
| spielen, aber zugegebenermaßen sei der Zeitrahmen „eng“. | |
| ## Trainer in der Kritik | |
| Gustavsson selbst steht nach dem Nigeria-Debakel in der Kritik – gerade bei | |
| Frauen wie Teena. Er sei verantwortlich für die schockierende Niederlage, | |
| weil er die Talente im kerrlosen Team nicht richtig eingesetzt habe, so der | |
| Vorwurf. Der Trainer selbst dagegen zeigte sich in den Medien zufrieden mit | |
| der Leistung gegen ein „starkes Nigeria“. | |
| „Wir haben 28 Schüsse abgegeben, zwei Tore erzielt und unser Angriffsspiel | |
| im Vergleich zum Irland-Spiel deutlich verbessert“, meinte er [2][mit Blick | |
| auf den 1:0-Sieg gegen die Iren], der durch einen Elfmeter zustande | |
| gekommen war. „Ich bin enttäuscht über das Ergebnis, aber ich kann die | |
| Leistung nicht durch das Ergebnis schmälern lassen.“ | |
| Gustavsson sieht es nun als seine wichtigste Aufgabe, die Spielerinnen | |
| aufzurichten. „Die körperliche Erholung ist eine Sache, aber die mentale | |
| Erholung ist eine andere“, sagte er. „Aber eines weiß ich über diese | |
| Mannschaft – und das hat man in den letzten zehn Minuten dieses Spiels | |
| gesehen: die Einstellung, niemals aufzugeben.“ Das kann Teena nur | |
| unterschreiben. „Aussie-Girls sind zäh“, sagt sie. „Es wäre ein Fehler,… | |
| zu unterschätzen.“ | |
| 31 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Urs Wälterlin | |
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