# taz.de -- Ehrenamtliche kritisieren Pastoren: Diskriminierung im Beratungszen… | |
> Ehrenamtliche Mitarbeiter*innen eines evangelischen Hamburger | |
> Beratungszentrums klagen über Diskriminierung und Umgang. Der Hauptpastor | |
> widerspricht. | |
Bild: Muss nun die Wogen glätten: Hauptpastor Jens-Martin Kruse, hier bei eine… | |
HAMBURG taz | Ehrenamtliche des Hamburger Beratungs- und Seelsorgezentrums | |
in der Mönckebergstraße sind traurig und wütend: 36 von ihnen haben einen | |
offenen Brief an den Kirchengemeinderat der Gemeinde St. Petri, der das | |
Zentrum unterstellt ist, geschrieben: Darin klagen sie über | |
Altersdiskriminierung, Ausgrenzung von Ratsuchenden und die Auflösung von | |
Mitbestimmungsgremien. Doch die Kirche ist sich keiner Schuld bewusst – und | |
bestreitet jeden Vorwurf. | |
Das Beratungs- und Seelsorgezentrum (BSZ) der Hauptkirche St. Petri ist vor | |
über 50 Jahren gegründet worden. Es sei dazu da, damit „über das Leben | |
gesprochen“ wird, schreibt das BSZ auf seiner [1][Internetseite]. Und | |
weiter: Ratsuchende können sich beraten lassen, „unabhängig davon, wer Sie | |
sind, woher Sie kommen und woran Sie glauben.“ Die 36 Ehrenamtlichen | |
zweifeln dies nun lautstark an – und fühlen sich auch selber vom | |
Kirchenvorstand abgewiesen. | |
So beklagen sie die [2][Altersdiskriminierung] durch die Kirche: Mit 78 | |
Jahren dürfen die Ehrenamtlichen nun nicht mehr im BSZ beraten. Gisela | |
Breyer-Zeller war 20 Jahre als Ehrenamtliche in der offenen Beratung dabei. | |
Sie hat die Altersgrenze überschritten, und ist nun nicht mehr in der | |
offenen Beratung tätig. „Ich hatte immer das Gefühl, wir Ehrenamtlichen | |
sind das Beratungszentrum“, sagt Breyer-Zeller. „In 20 Jahren habe ich es | |
nicht erlebt, dass jemand nicht mehr in der Lage war, zu beraten und es | |
nicht selbst gemerkt und von selbst aufgehört hat“, sagt sie. | |
## Altersgrenze für Berater*innen bei 78 Jahren | |
Laut Jens-Martin Kruse, Hauptpastor der Kirche, wurde die Altersgrenze von | |
ursprünglich 75 – die im Beratungskontext üblich sei – sogar auf 78 | |
angehoben. „Ich kann gut verstehen, dass für betroffene Menschen eine | |
Altersgrenze schmerzlich ist“, sagt Kruse. Dennoch: Wer ehrenamtlich im BSZ | |
mit einer Ausbildung beginne, wisse von dieser Grenze. | |
Dem widersprechen die Unterzeichner*innen. Zuvor soll es keine praktizierte | |
Altersgrenze gegeben haben – vielmehr wurde in Supervisionen mit dem alten | |
Pastor die Eignung für die offene Beratung überprüft. Außerdem seien in | |
einer Schicht immer mehrere Personen gleichzeitig tätig gewesen – es hätte | |
sich bemerkbar gemacht, wenn jemand die Gespräche nicht mehr hätte leisten | |
können. So berichten es Breyer-Zeller und Christa Reinstorff, die den Brief | |
ebenfalls unterschrieben hat. | |
Ohnehin hadern die Ehrenamtlichen mit dem [3][neuen Leiter des BSZ, Pastor | |
Krischan Heinemann]. Er soll Treiber vieler dieser Entwicklungen sein, | |
hinzu auch Mitbestimmungsgremien der Ehrenamtlichen aufgelöst haben. Von | |
einem „autoritären Führungsstil“ ist die Rede. Heinemann äußert sich ni… | |
gegenüber der taz. Hauptpastor Kruse wiederum sagt dazu: „Das Mitwirken und | |
Einbringen von Ehrenamtlichen macht die Arbeit im BSZ aus – dies ist auch | |
weiterhin so.“ | |
Auch über den Umgang mit Menschen, die wiederkehrend die offene Beratung | |
aufsuchen, gibt es Streit. So habe es unterschiedliche Ansichten zwischen | |
den Ehrenamtlichen und ihrem Leiter über Behandlungsmethoden bei den | |
sogenannten Dauerklient*innen gegeben. | |
Aus Sicht der Ehrenamtlichen hatte das dramatische Folgen: „Psychotischen | |
und suizidalen Menschen wird nicht mehr angstfrei und wertschätzend | |
begegnet“, sagt Reinstorff. Dem widerspricht Kruse: „Wer zum BSZ kommt, ist | |
immer willkommen und begegnet jemandem, der ihm gern zuhört“. Allerdings | |
könne sich zeigen, dass möglicherweise an einem anderen Ort mehr Beratung | |
und Unterstützung zu erhalten sei. | |
Grundsätzlich hat Breyer-Zeller Verständnis dafür, nicht allen Menschen in | |
der offenen Beratung helfen zu können, oft hätte sie in der Beratung schon | |
Menschen an Psychotherapeut*innen verwiesen. „Natürlich bringt so ein | |
Gespräch in dem Moment Entlastung, aber es ist klar, dass wir manchen | |
Menschen mit der offenen Beratung nicht nachhaltig helfen können.“ | |
Doch dort hört gegenwärtig das Verständnis zwischen Ehrenamtlichen und der | |
Kirchengemeinde auf: Zumindest hat nach Aussage von Reinstorff bereits ein | |
großer Teil der Ehrenamtlichen sein Engagement im Zentrum beendet, mehr als | |
die Hälfte der zuvor 120 ehrenamtlichen Berater*innen hätten das BSZ | |
schon verlassen. Laut Kruse hingegen kann das BSZ mit gut 90 Ehrenamtlichen | |
alle Angebote weiter fortführen, sodass die Öffnungszeiten unverändert | |
blieben. | |
12 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bsz-hamburg.de/ | |
[2] /Studie-zu-Ageism-in-Deutschland/!5902928 | |
[3] /Pastor-ueber-die-Aktualitaet-der-Seelsorge/!5686124 | |
## AUTOREN | |
Nina Spannuth | |
## TAGS | |
Hamburg | |
Ehrenamtliche Arbeit | |
Evangelische Kirche | |
Diskriminierung | |
Seelsorge | |
Hafencity-Universität | |
Ferda Ataman | |
Evangelische Kirche | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Altersgrenze für Lehrende: Behörde pfeift Hamburger Uni zurück | |
Ein Professor durfte nicht an der Hafencity-Universität lehren, weil er | |
über 75 ist. Die Wissenschaftsbehörde erklärt die Regelung für | |
rechtswidrig. | |
Studie zu Ageism in Deutschland: Altersdiskriminierung ist Alltag | |
Alte Menschen werden in Deutschland regelmäßig benachteiligt, zeigt eine | |
neue Studie. Aber auch Jüngere sind von Ageism betroffen. | |
Pastor über die Aktualität der Seelsorge: „Viele Debatten erlebt“ | |
Krischan Heinemann, neuer Leiter des Beratungs- und Seelsorgezentrums an | |
St. Petri in Hamburg, hat mitten in der Coronakrise den Job gewechselt. |