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# taz.de -- Beamter wegen Nötigung vor Gericht: In der Kneipe bedrängt
> In Stuttgart ist ein oberster Polizist des Landes wegen Nötigung
> angeklagt. Er soll eine Untergebene zu sexuellen Handlungen gedrängt
> haben.
Bild: Polizeimützen in einer Garderobe in Stuttgart
Stuttgart taz | Der Ton ist bemerkenswert schrill zum Prozessauftakt gegen
Andreas R., den obersten Polizeibeamten von Baden-Württemberg. Wo Juristen
sonst vorsichtig von der Unwahrheit reden, bezichtigt die Verteidigerin von
Andreas R. die Nebenklägerin ganz direkt, „gelogen“ zu haben.
[1][Es geht um viel in diesem Prozess] – für beide Seiten. Andreas R. war
maßgebliches Mitglied der Beurteilungskommission, die über Personalfragen
in der Polizei entscheidet. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, eine
Beamtin, über deren Karriere er mitentscheidet, zu sexuellen Handlungen
genötigt zu haben.
Es geht um den Ruf des höchsten Polizeibeamten, der bis zu den Vorwürfen
eine Blitzkarriere im baden-württembergischen Innenministerium von Thomas
Strobl (CDU) hingelegt hatte. Und es geht um die Glaubwürdigkeit der jungen
Polizeibeamtin Katharina B., die weiterhin im Polizeidienst eingesetzt ist
und mit ihrer Anzeige gegen den obersten Vorgesetzten ebenfalls ihre
Karriere riskiert haben dürfte.
Der Innenminister des Landes musste bereits einen Strafbefehl akzeptieren,
weil er, warum auch immer, [2][ein Anwaltschreiben aus den Gerichtsakten an
einen Journalisten weitergegeben hatte]. Derzeit tagt im Landtag zudem ein
Untersuchungsauschuss, der sich Auffälligkeiten bei der Personalführung im
Innenministerium und die Verantwortung des Innenministers dabei untersucht.
## Zu sexuellen Handlungen gedrängt
Davon gibt es einige. Der Anklage zufolge soll Andreas R. mit Katharina B.
am 12. November 2021 bei einer Flasche Sekt ein „Personalgespräch“ gehabt
haben, an dem auch andere Beamte teilnahmen, darunter die
Polizeipräsidentin Stephanie Hinz. Dabei soll er der 34-jährigen Beamtin
ein Mentorenverhältnis in Aussicht gestellt haben.
Später gingen beide zusammen mit anderen Beamten in eine Kneipe. Gegen
Mitternacht habe er die Beamtin dann davon überzeugt, sie ohne die anderen
in seine Stammkneipe zu begleiten. Dort soll er sie zu intimen Handlungen
gedrängt haben.
In den frühen Morgenstunden soll er sie dann beim Urinieren vor der Kneipe
zu sexuellen Handlungen genötigt haben. Laut Anklageschrift soll er von ihr
verlangt haben, seinen Penis beim Urinieren zu berühren. Einige Tage später
soll er ihr dann in einem Videotelefonat unter Hinweis auf seine Stellung
eindeutige Angebote gemacht haben. Von diesem Videocall liegt der
Staatsanwaltschaft ein Mitschnitt vor.
Noch mehr intime Details sollen zum Schutz der Nebenklägerin und des
Angeklagten vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Deshalb schließt der
Vorsitzende die Öffentlichkeit beim Eröffnungsstatement von R.'s
Verteidigerin Ricarda Lang und der Aussage von Katharina B. aus.
## Intime Details verbreitet
Den Auschluss der Öffentlichkeit „könne man eh vergessen“ echauffiert sich
Lang. Schließlich habe die Presse schon das Meiste aus den eigentlich
vertraulichen Akten berichtet und damit dem Ruf ihres Mandanten geschadet.
Dabei hatte R.s Verteidigerin selbst dafür gesorgt, dass intime Details aus
dem Leben der Nebenklägerin an die Öffentlichkeit gelangen: Vor
Prozessbeginn hatte sie ihre Erklärung an die anwesende Presse verteilt,
und darin Ruf und Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin versucht zu
erschüttern.
Am Ende des ersten Prozesstages wird ein etwa dreistündiges Video einer
Überwachungskamera auch der Öffentlichkeit gezeigt werden. Nach
Interpretation der Verteidigung soll es zeigen, dass Katharina B. in der
Öffentlichkeit der gut besuchten Kneipe „zahlreiche intime Handlungen
eigeninitiativ“ ausgeübt habe.
Sicher ist schon jetzt: Dieser Prozess wird dem Image der
baden-württembergischen Polizei, um das sich Andreas R. vor seiner
Suspendierung mit besonderem Engagement gekümmert hatte, nicht dienen.
21 Apr 2023
## LINKS
[1] /Noetigungs-Vorwuerfe-gegen-Andreas-Renner/!5892649
[2] /MeToo-Fall-in-Baden-Wuerttemberg/!5853046
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Sexualisierte Gewalt
Polizei
Baden-Württemberg
Thomas Strobl
Machtmissbrauch
Polizei
Sexualisierte Gewalt
Schwerpunkt #metoo
Polizei
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