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# taz.de -- Spitzenspiel in der Fußball-Bundesliga: Dresseur der Alpha-Tiere
> Vor dem Spiel der Bayern gegen Dortmund richten sich alle Blicke auf
> Thomas Tuchel. Der neue Münchner Coach tut so, als mache ihm das gar
> nichts aus.
Bild: Weist dem FC Bayern den Weg: Thomas Tuchel in der ersten Trainingswoche
München taz | Neulich am Kantinentisch. Ein Frauen-Trio fachsimpelt über
den FC Bayern. Eine davon scheint Teil des inner circle zu sein, berichtet
zumindest von tiefen Einblicken ins Innerste des Rekordmeisters, und das
klingt dann so: „Der Choupo-Moting ist auch total nett, übertreibt’s aber
bei den Heimspielen ein bissl mit den Einladungen. Und der Coman! So ein
süßes Kinn hat der, echt cool.“
Auslöser des Exkurses war jedoch der Neue, und der kommt bei den jungen
Frauen gar nicht gut weg. „Tuchel? Der geht ja gar nicht“, schimpft die
Insiderin, „wie der schon immer schaut! Und ab jetzt gibt’s nur noch
Veganes, oder? Alter!“
Tja, auch die Welt der Fußballfans hält sich gern mit Äußerlichkeiten und
Banalitäten auf, auch im Hochglanzbetrieb Profifußball geht es nicht
weniger borniert zu als im richtigen Leben, warum auch? Eins steht in der
[1][Causa Trainerwechsel] aber schon mal fest: In Sachen Arbeitsbekleidung
am Spielfeldrand wird Thomas Tuchel weniger Diskussionsstoff bieten als
sein farbenfroher Vorgänger. Tuchel ist es mutmaßlich völlig wurscht, ob er
im blauen oder roten Trainingsanzug durch die Coaching-Zone hopst.
Hauptsache, seine Worte kommen an beim Team.
Genau das hatten die Bayern-Bosse bei Julian Nagelsmann zuletzt ja moniert:
dass die Mannschaft – oder zumindest ein Großteil davon – ihn nicht mehr
hörte. Oder nicht mehr hören wollte. Dass bei zwei Dutzend Profikickern in
der Kabine nicht immer alle Mann zu zweihundert Prozent hinter ihrem
Trainer stehen, ist eigentlich normal – es sei denn Jürgen Klopp bleckt in
dieser Kabine die Zähne.
## Geteilte Meinung
Entsprechend zweigeteilt waren auch die öffentlichen Reaktionen aus dem
Spielerkreis zum Rauswurf des Jahres: Die einen lobten den Gefeuerten in
den Himmel, die anderen konnten die Abschiedstränchen locker vermeiden. Am
Ende sind sie alle jedoch nichts anderes als Angestellte einer Firma, bei
der halt ab und zu auch mal ein leitender Angestellter ausgetauscht wird.
Bezeichnend ist dagegen das nicht vorhandene Zusammenspiel der sogenannten
Führungsebene. Wenn der Klubpräsident noch am Montag dem Trainer öffentlich
das Vertrauen ausspricht, der Sportvorstand dennoch tags darauf zum Handy
greift, um eine Alternative auszuchecken, und schon am Freitag der alte
Coach vom Hof gejagt ist, dann weiß man, wie viel der Präsident in seinem
Klub zu sagen hat.
Selbst Uli Allmighty Hoeneß scheint nichts mehr zu melden zu haben. Gut
zwei Wochen vor dem Nagelsmann-Aus hatte der Ehrenpräsident und das
Aufsichtsratsmitglied noch geweissagt, dass [2][im Fall eines
Viertelfinal-Erfolgs gegen Paris St. Germain] jegliche Diskussion um
Nagelsmann obsolet seien. Tja, da hat der Uli die Rechnung ohne die neue
Herren gemacht, ohne Oli und Brazzo, die man aus Nagelsmann-Sicht wohl als
Duo infernale bezeichnen muss.
## Trainer mit Bonzenkluberfahrung
Gut, haben sie eben flott den Tuchel geholt – bevor er wieder bei einem
dieser Bonzenklubs in England anheuert. Dem zuletzt doch arg
launenabhängigen Fußball des FC Bayern dürfte das guttun. Denn Tuchel ist
keiner, der Schlendrian durchgehen lässt. Wer Kabinen voller
Monster-Ich-AGs wie bei PSG oder die Investoren-Alleskönner bei Chelsea
moderieren kann, den schockt in dieser Hinsicht nichts mehr.
Und dass Tuchel ein Taktikfuchs ist, weiß schließlich jeder, der damals im
Schumann’s dabei war, als er mit Pep Guardiola die Salz- und
Pfefferstreuer als abkippende Sechser und falsche Neuner über den Bartisch
mäandern ließ.
Dass er vor dem Ausgerechnet-Match am Samstagabend gegen den früheren
Arbeitgeber aus Dortmund kaum Zeit hat, allen von der Länderspielpause
zurückgekehrten Alpha-Tieren die Hand zu schütteln, bevor er den ein oder
anderen Super-Star auf die Bank oder Tribüne komplimentieren muss?
Geschenkt. In der Abteilung Spitzenklasse ist das daily business nichts,
was ihm den Schlaf rauben wird. Auch die Nagelsmann-Fans im Team werden
sich schnell an die neuen Gegebenheiten anpassen, keine Frage.
Klar, Tuchel springt mitten in der crunch time ins kalte Wasser, noch mal
zwei Monate später als damals beim FC Chelsea, wo er ein zerstrittenes Team
innerhalb weniger Monate [3][zum Champions-League-Sieger coachte]. So
stellen sich das Kahn und Salihamidžić, also Oli und Brazzo, wahrscheinlich
auch vor: neuen Reiz setzen, Mannschaft vor der entscheidenden Saisonphase
wachrütteln und das zweifellos ja durchaus vorhandene Potenzial endlich mal
über einen längeren Zeitraum abrufen.
Dann ist das Triple nicht ausgeschlossen, und man könnte sich auch mit
wenig Liebe und wenig Herz ganz prima feiern lassen. Und die Moral? Pah,
kommt nicht mehr drauf an: Der Ruf ist eh schon ruiniert.
1 Apr 2023
## LINKS
[1] /Trainerwechsel-bei-Bayern-Muenchen/!5921315
[2] /Bayern-Muenchen-im-CL-Viertelfinale/!5917475
[3] /FC-Chelsea-gewinnt-Champions-League/!5771486
## AUTOREN
Thomas Becker
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