# taz.de -- Christoph Waltz in „The Consultant“: „Er weiß alles!“ | |
> Christoph Waltz zelebriert Manierismen wie keiner außer ihm – jetzt auch | |
> in Serie. Und er feuert Mitarbeiter, weil er sie nicht gut riechen kann. | |
Bild: Der beste Böse: Christoph Waltz | |
Vom Tellerwäscher zum Millionär. Genauer: Vom knapp über dem | |
Statisten-Status rangierenden Nebendarsteller in den Niederungen der | |
bundesdeutschen TV-Serienproduktion à la „Derrick“ und „Der Alte“ zum | |
gleich doppelten „Oscar“-Gewinner im gelobten Land Hollywood. Entdeckt und | |
gerettet von keinem Geringeren als dem großen Quentin Tarantino. | |
Die unglaubliche Erfolgsgeschichte des Schauspielers Christoph Waltz ist | |
schon oft – so oder so ähnlich – erzählt worden. Sie stimmt nur so nicht | |
ganz. Das heißt: Das mit „Derrick“ und dem „Alten“ und den zwei „Osc… | |
stimmt natürlich schon. | |
Aber Waltz hatte hierzulande längst die Hauptrollen in [1][preisgekrönten | |
Filmen über „Die Roy Black Story“ und „Die Entführung des Richard Oetke… | |
gespielt] – keine Kritik kam mehr ohne den Begriff des | |
„Ausnahmeschauspielers“ aus. Und die Vermittlung an Tarantino war durch die | |
renommierteste deutsche Casterin, die kürzlich verstorbene Simone Bär, | |
erfolgt, die für die Besetzung von „Inglourious Basterds“ damals die | |
komplette Elite der deutschsprachigen Schauspielerzunft hat auflaufen | |
lassen. | |
Wie dem auch sei: Die Rolle des manierlichen wie maliziösen SS-Mannes Hans | |
Landa wurde für Waltz die Rolle seines Lebens, seine Mitfahrgelegenheit in | |
den Filmolymp. Er ward danach in keiner deutschen Produktion mehr gesehen, | |
ob Kino oder Fernsehen. Dass der standesbewusste Waltz dann 2020 in der | |
Serie „Most Dangerous Game“ des kurzlebigen Handy-Streaminganbieters Quibi | |
auftauchte, war auch keine so große Überraschung: Das Seriengeschäft hatte | |
sich bereits emanzipiert und galt gerade als das bessere Kino. Und die | |
Rolle des gelackten Anzugträgers, der den braven Liam Hemsworth in eine Art | |
„Millionenspiel“, ein Spiel um viel Geld und auf Leben und Tod also, | |
verwickelt, war Waltz auf den Leib geschrieben worden. Diese Sorte Fiesling | |
spielt keiner wie er – wie man jetzt wieder sehen kann. | |
## Selbstverständnis einer Willkürherrschaft | |
In acht Episoden (à circa 30 Minuten) gibt Waltz „The Consultant“. Schon | |
der Name des Unternehmensberaters, der sich nach dem gewaltsamen Tod des | |
Gründers eines Computerspiele-Startups um dessen Vermächtnis kümmern will, | |
klingt irgendwie sinister: Regus Patoff. Zum Selbstverständnis seiner | |
Willkürherrschaft gehört es, Mitarbeiter zu feuern, wenn ihm deren Geruch | |
nicht passt. Als einer, um der drohenden Kündigung zu entgehen, sich seinem | |
Büro einzuseifen anschickt, steht auf der hölzernen Seifenkiste gedruckt: | |
„REG. US. PAT. OFF.“ Als Abkürzung für: „Registered at the United States | |
Patent Office“. | |
Ob das jetzt so ein Ding ist wie damals bei „Angel Heart“, als im Falle der | |
von De Niro verkörperten Figur des Louis Cyphre der Groschen auch nicht | |
sofort gefallen ist? Dass es sich bei ihm um Luzifer handelt, den Teufel? | |
Es geht jedenfalls in diese Richtung, der Autor der Romanvorlage, Bentley | |
Little, schreibt Horrorgeschichten. Und welch größeren Horror könnte es für | |
Angestellte geben, als den ihnen plötzlich vor die Nase gesetzten | |
Unternehmensberater ohne jede Branchen-Kenntnis, der von „Synergien“ | |
spricht – und ihren Job meint? Auf diesen ganz realen Horror muss man gar | |
nicht mehr so viel draufsetzen. | |
Wie zum Beispiel … Nochmal: Es handelt sich um eine Computerspiele-Startup | |
– genau so sieht es aus, ein mit Bildschirmen zugehängtes Spielzimmer. Das | |
Bällebad bei Ikea atmet im Vergleich die asketische Nüchternheit einer | |
Turnhalle. Und da ausgerechnet gibt es dann also noch diesen halb geheimen | |
Raum mit den alten Aktenschränken und der altmodischen Schreibmaschine, auf | |
der Waltz/Patoff die Akten tippt, die er für jeden einzelnen Mitarbeiter | |
angelegt hat. | |
„Er weiß die Namen meiner Eltern. Er weiß den Namen des Gyms, in das ich | |
nie gehe. Er weiß alles!“, wundert sich Elaine (Brittany O’Grady), die für | |
ihren Assistentenjob den Euphemismus „Creative Liaison“ gefunden hat, | |
während ihr Kollege Craig (Nat Wolff) vom „Coder“ zum „Creator“ | |
aufgestiegen ist. So gut es für die beiden zu laufen scheint, so wenig ist | |
ihnen dieser Regus Patoff geheuer – mit all seinen Manierismen und | |
Idiosynkrasien, wie sie nur ein Christoph Waltz so genüsslich zu | |
zelebrieren versteht. | |
Es gibt Serien, deren Personaltableau ist so groß, da läuft man Gefahr, | |
irgendwann den Überblick zu verlieren. „The Consultant“ (von Showrunner | |
Tony Basgallop) kommt mit drei Hauptfiguren aus. Den Überblick heißt | |
natürlich nicht, den Durchblick zu haben. | |
27 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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