# taz.de -- Wahlkampf in Nigeria: Gegenwind für Großparteien | |
> Vor Nigerias Wahlen stiehlt Überraschungskandidat Peter Obi den beiden | |
> größten Parteien die Show. Jetzt unterstützt ihn sogar Expräsident | |
> Obasanjo. | |
Bild: Bekommt viel Unterstützung: Peter Obi, Präsidentschaftskandidat der Lab… | |
Lagos taz | Wenige Wochen vor den Wahlen in Nigeria am 25. Februar | |
intensivieren sich politische und ethnische Differenzen. In beispielloser | |
Weise hat Expräsident Olusegun Obasanjo, der erste gewählte Präsident des | |
Landes nach dem Ende der Militärherrschaft 1999 und heute international als | |
Elder Statesman respektiert, seiner eigenen Partei PDP (People's Democratic | |
Party) die Unterstützung entzogen und sich hinter die kleine oppositionelle | |
Labour Party gestellt, deren Präsidentschaftskandidat Peter Obi viel Zulauf | |
von Teilen der unzufriedenen Jugend Nigerias erhält. | |
Die PDP hofft eigentlich in diesem Jahr auf eine Rückkehr an die Macht, | |
nachdem sie Nigeria ununterbrochen von 1999 bis 2015 regierte und dann die | |
Macht an den APC (All Progressives Congress) des aktuellen Präsidenten und | |
Exmilitärherrschers [1][Muhammadu Buhari] verlor. Der kandidiert nun im | |
Alter von 80 Jahren nach zwei gewählten Amtszeiten nicht erneut. | |
Obasanjo sagte vergangene Woche, Nigeria sei unter Buhari zur „Hölle“ | |
geworden. Präsidentensprecher Mallam Garba Shehu reagierte beleidigt und | |
sagte: „Wie wir schon früher gesagt haben, stand Herr Obasanjos Amtszeit | |
von 1999 und 2007 für düstere Tage der nigerianischen Demokratie wegen | |
einer Reihe von Angriffen auf die Verfassung.“ | |
Die Lobbyorganisation SERG (South East Revival Group) der | |
[2][Igbo-Volksgruppe], die als einzige der drei großen Volksgruppen | |
Nigerias noch nie einen Präsidenten gestellt hat und zu der Peter Obi | |
gehört, freute sich hingegen über Obasanjos Positionierung als „willkommene | |
Entwicklung“ und forderte die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen | |
Partei PDP und APC dazu auf, sich aus dem Rennen zurückzuziehen und dem | |
„Kandidaten des Volkes“ das Amt zu überlassen. | |
Dies sei historische Gerechtigkeit, nachdem bisher die Macht in Nigeria | |
zwischen dem mehrheitlich muslimischen Norden und dem mehrheitlich | |
christlichen Süden hin- und hergegangen sei und der Südosten, Hochburg der | |
Igbos, noch nie das gesamte Land regieren durfte. | |
## Zwei Muslime treten an | |
„Lange vor den Vorwahlen zur Präsidentschaft haben alle Liebhaber von | |
Gerechtigkeit und Fairness die politischen Parteien Nigerias aufgefordert, | |
ihre Präsidentschaftskandidaturen 2023 dem Südosten zu überlassen“, | |
erklärte SERG-Präsident Willy Ezugwu. Auch der Igbo-Kulturverband Ohanaeze | |
hat sich hinter Obi gestellt. | |
Der aktuelle Präsident Muhammadu Buhari ist ein Muslim aus dem Norden; er | |
folgte auf den Christen Goodluck Jonathan aus dem Süden. Der folgte auf den | |
Muslim Umaru Musa Yar'Adua aus dem Norden, der im Amt starb; dieser war | |
wiederum Nachfolger des Christen Olusegun Obasanjo aus dem Süden. | |
Diesmal tritt für die PDP der Muslim Alhaji Atiku Abubakar (76) aus dem | |
Norden an, der schon mehrere Wahlen verloren hat, während der regierende | |
APC mit einem Muslim aus dem Süden antritt: Alhaji Bola Ahmed Tinubu (70), | |
ehemaliger Gouverneur der größten [3][nigerianischen Stadt Lagos]. | |
Die unübliche Konstellation, dass beide großen Parteien mit einem Muslim | |
ins Rennen gehen, hat nun den Kulturverband der im Südwesten um Lagos | |
dominiernden Volksgruppe der Yoruba, Afenifere, dazu geführt, zur Wahl | |
eines Kandidaten aus dem Südosten aufzurufen anstelle des Südwestlers | |
Tinubu. „Im Geiste der Fairness und der Einheit“ sowie auf Grundlage der | |
„Moral“ sei jetzt der Südosten dran, sagte Afenifere-Führer Ayo Adebanjo. | |
## Zerrissenheit im Wahlkampf | |
Nachdem auch der Igbo-Kulturverband Ohanaeze Peter Obi unterstützt, schart | |
der 61-Jährige damit die beiden wichtigsten traditionellen Organisationen | |
Südnigerias, die in Teilen der Bevölkerung viel einflussreicher sind als | |
die politischen Parteien, hinter sich. | |
Peter Obi, ehemaliger PDP-Gouveneur des südostnigerianischen Bundesstaates | |
Anambra, verließ die Partei 2022 und ging zur zuvor bedeutungslosen Labour | |
Party über. Er und sein Vizekandidat Yusuf Datti Baba-Ahmed seien „jung und | |
ohne Korruptionsaltlasten“, behauptet SERG-Führer Ezugwu. „Dass Expräside… | |
Obasanajo dieses Ticket unterstützt, gibt dem Land eine Richtung und | |
Hoffnung auf Genesung nach Jahren der Misswirtschaft.“ | |
Ein weiterer ehemaliger PDP-Gouverneur, Rabiu Kwankwaso aus Kano, tritt | |
ebenfalls mit einer eigenen Partei an, der NNPP (New Nigeria People's | |
Party). Die Zerrissenheit der einst mächtigsten politischen Kraft des | |
Landes überschattet nun den kommenden Wahlkampf. | |
9 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Okoro Chinedu | |
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