Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Müdigkeit bei Eltern: Das kleine Echo und der Apfelkuchen
> Eltern sind zu den unmöglichsten Zeiten wach. Und machen dann auch noch
> Dinge, die sie früher nie für möglich gehalten hätten.
Bild: Ist es okay, um 4.22 Uhr einen Apfelkuchen zu backen?
Es ist Sonntag, acht Uhr morgens, und ich stehe in der Küche. Ich schäle
Äpfel für einen Kuchen. Ein bisschen muss ich lachen. Ist das noch normal,
um die Uhrzeit zu backen? [1][Aber ich bin zu müde], um darüber
nachzudenken. Vor einer Stunde hat der Eineinhalbjährige zum ersten Mal an
diesem Tag „Mama“ gesagt und nach meiner schlafenden Hand gegriffen. Jetzt
muss diese Hand irgendwas Schönes tun, damit sich dieser Tag gut anfühlt.
Der Kleine steht auf dem Hocker neben mir, im Schlafsack, den Schnuller im
Mund. Er sieht aus wie [2][Maggie Simpson]. Den Schnuller nimmt er aus dem
Mund, um ein Stück Brot hineinzuschieben, und dann kaut er, wie man mit
sechs Zähnen eben kauen kann. Schnuller wieder rein. Direkt wieder
rausgezogen, ein Stück Apfel hinein. Er kaut. Ich sage „Plopp!“ und halte
meine Hand auf. Er steckt den Schnuller wieder rein und grinst hinter dem
lila Plastikteil. Dann zieht er ihn aus dem Mund. „Plopp!“ sagt er. Unser
Signal zur Schnullerübergabe.
Er ist gerade mein kleines Echo. Beliebig wiederholt er einzelne Wörter
oder Silben, die ich sage. Er sagt etwa „Fa!“, wenn ich „Sofa“ sage. Er
sagt „Spaß!“, wenn ich „Viel Spaß“ sage. Und er sagt „Fack“, wenn…
„Fuck“ sage. Das sagt er nun schon ein paar Tage selbstständig. Als ich
gestern am Schreibtisch sitze, kommt er rein, grinst mich an und sagt
„Fack!“, läuft auf mich zu und legt seinen Kopf in meinen Schoß. „Mama,
fack!“ Er umarmt meine Knie.
## Hundemüde bis in die Knochen
Als ich die geschälten Äpfel in Stücke schneide, lässt er hoch konzentriert
Krümel der Reiswaffel, die ich ihm naiv neben einen Keks gelegt habe, auf
den Boden fallen. Den Keks isst er. Die Reiswaffel ist bald über den Boden
verteilt. Er scheint zufrieden. Die Krümel haben wohl getan, was er
erwartet hatte.
Was ich irgendwie nicht erwartet hätte, ist, wie lange und oft man als
Elternteil hundemüde ist. Bis in die Knochen. Also selbst, wenn die ersten
Monate vorbei sind. Dieser Anfangszustand hat nicht mehr viel mit Müdigkeit
zu tun, er ist so grausam, es sollte ein eigenes Wort dafür geben. Wovon
ich spreche, ist diese herkömmliche Eltern-Müdigkeit danach. Weil die
Kinder wieder erst um 21.30 Uhr eingeschlafen sind, eins erkältet ist, dann
das andere. Weil man fast gewaltvoll versucht ein bisschen Zeit alleine zu
verbringen und deshalb permanent zu wenig Schlaf kriegt. Oder weil man um
23 Uhr noch aufräumt, Wäsche aufhängt oder die Spülmaschine einschaltet.
Oder weil die Kinder nachts aufwachen.
Am schlimmsten ist, wenn mich ein kurzer Schrei über das Babyphone aus dem
Tiefschlaf reißt. Ich weder weiß, wer noch wo ich bin, aber den Menschen
neben mir reflexhaft panisch rüttle, um dann aber direkt aufzuspringen,
loszurennen, mir den Fuß zu stoßen, ins Kinderzimmer zu humpeln, um da auf
einen Holzzug zu treten und zu sehen, dass beide friedlich schlafen. Danach
sitze ich adrenalingeladen in meinem Bett und überlege, ob es okay ist, um
4.22 Uhr einen Apfelkuchen zu backen.
28 Sep 2022
## LINKS
[1] /Uebermuedete-Eltern/!5796805
[2] /Simpsons-Briefmarke/!5085856
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Kolumne Kinderspiel
Eltern
Schlaf
Kolumne Kinderspiel
Kolumne Kinderspiel
Kolumne Kinderspiel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Einkäufe zum Schulbeginn: Ich kann nicht, ich will nicht
„Care-Arbeit“ gibt's nicht, schon klar. Warum aber betreiben viele so einen
Aufwand, ihr zu entgehen? Weil's Mama am Ende mal wieder richten soll.
Herzklopfen beim Kindabholen?: Es gilt die Rabenmuttervermutung
Äußert sich eine Mutter kritisch zur Elternschaft, wird an der Liebe zu
ihren Kindern gezweifelt. Sie soll still die Härten ertragen – so wie
früher.
Ideen von cis Männern: Hosentaschen für andere
Cis Männer denken vieles nicht zu Ende – ob bei Hosentaschen, Spielplätzen
oder Brückengeländern. Das zeigt sich auch in Sachen Arbeitszeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.